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FORSCHUNG/1315: Besserer Schutz vor invasiven Arten (idw)


Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) - 15.11.2016

Besserer Schutz vor invasiven Arten


Eingeschleppte Arten sind weltweit zu einer Bedrohung für die biologische Vielfalt geworden. Gegenmaßnahmen zu treffen, ist schwierig, weil die Wege, auf denen die Pflanzen und Tiere zu uns gelangen, sehr unterschiedlich und meist nicht vollständig erfasst sind. Dr. Wolf-Christian Saul und Prof. Dr. Jonathan Jeschke vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und der Freien Universität Berlin haben nun mit internationalen Kollegen zwei der wichtigsten Datenbanken zu invasiven Arten miteinander verknüpft. Dabei fanden sie heraus, dass die schädlichsten invasiven Arten besonders viele Pfade nutzen und häufig sowohl absichtlich als auch unabsichtlich eingeführt werden.


(Quelle: Wikipedia.de: Von Diliff - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1468736)

Das invasive Grauhörnchen ist eine der Arten auf der Unionsliste, die auch bei uns immer häufiger zu sehen ist. Es gefährdet die hierzulande heimischen roten Eichhörnchen.
(Quelle: Wikipedia.de: Von Diliff - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1468736)

Der Waschbär hat es schon geschafft, das Grauhörnchen noch nicht: sich so stark in Deutschland auszubreiten, dass er nicht mehr zurückgedrängt werden kann. Beide Tiere stehen auf einer Liste der "invasiven gebietsfremden Arten von unionsweiter Bedeutung" mit derzeit insgesamt 37 Arten. Die im Sommer 2016 veröffentlichte "Unionsliste" ist das zentrale Instrument einer neuen EU-Verordnung. In dieser verpflichten sich alle EU-Mitgliedstaaten zu Maßnahmen, die verhindern sollen, dass die aufgelisteten Arten in die EU eingeführt werden oder sich dort weiter ausbreiten.

Invasive Arten können beispielsweise heimische Arten verdrängen oder Krankheiten einschleppen - so wie das Grauhörnchen, das nicht nur Nahrungskonkurrent für die heimischen roten Eichhörnchen ist, sondern auch einen Erreger in sich trägt, der diese gefährdet. Auch ökonomisch machen sich invasive Tier- und Pflanzenarten negativ bemerkbar: Die Schäden, die sie in der EU anrichten, werden auf mehr als zwölf Milliarden Euro jährlich geschätzt.

Wichtig für den Schutz vor gebietsfremden Arten ist es, die Wege zu kennen, auf denen sie in neue Gebiete gelangen - zum Beispiel an Schiffsrümpfen, in Koffern heimkehrender Touristen oder indem sie bewusst eingeführt werden, etwa als Zierpflanze. Informationen zu diesen sogenannten Einführungspfaden finden sich in zahlreichen Datenbanken, die überall auf der Welt geführt werden. Um diese verstreuten Informationen besser nutzbar zu machen, hat das Team um die beiden IGB-Wissenschaftler zwei wichtige Datenbanken zu invasiven Arten hinsichtlich der darin enthaltenen Informationen zu den Einführungspfaden miteinander verknüpft und ausgewertet. Die Forscher überprüften dabei, ob ein kürzlich von der Convention on Biological Diversity angenommes standardisiertes Kategorisierungsschema für Einführungspfade geeignet ist, um Informationen verschiedener Datenbanken miteinander zu vergleichen.


Pflanzen und Wirbeltiere gelangen oft aus Gefangenschaft in die Freiheit

In ihrer Studie verknüpften Saul, Jeschke und Kollegen die Daten aus der Global Invasive Species Database (GISD) und des DAISIE European Invasive Alien Species Gateways zu Einführungspfaden von insgesamt 8323 Arten der wichtigsten taxonomischen Gruppen, darunter Pflanzen, Wirbeltiere, Wirbellose, Pilze und Algen. "Durch die Integration beider Datenbanken erhalten wir einen breiten Überblick über die Wege, auf denen invasive Arten zu uns kommen. Dieses Wissen ist entscheidend, um Einführungen besser vorhersagen und Maßnahmen gegen sie ergreifen zu können, mit denen wir uns wirksam vor schädlichen gebietsfremden Arten schützen können", sagt Dr. Wolf-Christian Saul. Die Forscher konnten zeigen, dass der Einführungspfad "Entkommen aus Gefangenschaft oder Haltung" der wichtigste bei Pflanzen und Wirbeltieren ist. "Entkommen" meint zum Beispiel eingeschleppte Zierpflanzen, die aus einem eingehegten Bereich wie einem botanischen Garten "ausbrechen", indem ihre Samen nach außen geweht werden, oder aus exotischen Regionen eingeführte Tiere, die der menschlichen Obhut entkommen und in die freie Natur gelangen. Für Wirbellose, Algen, Pilze und Mikroorganismen überwiegen die unabsichtlichen Pfade; so wandern beispielsweise Algen häufig an Schiffsrümpfen oder mit Ballastwasser ein.


Schädliche Arten nutzen besonders viele unterschiedliche Pfade in neue Gebiete

Die Wissenschaftler analysierten auch, wie sich invasive Tier- und Pflanzenarten mit besonders starken negativen Auswirkungen von anderen fremden eingewanderten Arten unterscheiden. "Wir konnten feststellen, dass Arten mit besonders negativen Auswirkungen insgesamt über eine größere Zahl von Pfaden eingeführt werden, und dabei häufiger sowohl absichtlich als auch unabsichtlich. Das heißt, diese Arten zu stoppen, ist eine besonders große Herausforderung", betont Dr. Wolf-Christian Saul.

Die Methode, mit der die Forscher die Datenbanken DAISIE und GISD erfolgreich miteinander kombiniert haben, soll in Zukunft noch breiter eingesetzt werden, indem weitere Datenbanken mit unterschiedlicher geographischer Abdeckung integriert werden. So können Einführungspfade zum Beispiel auch auf nationaler Ebene analysiert werden, woraus sich möglicherweise geeignete Managementmaßnahmen für bestimme Regionen ableiten lassen. Ein wichtiges allgemeines Ziel der Integration weiterer Datensätze mittels standardisierter Bewertungskriterien ist, die Qualität der Daten zu verbessern, die Untersuchung größerer Stichproben zu ermöglichen und Einführungspfade zwischen Arten zu vergleichen, die sich in der Auswirkung auf die heimische Biodiversität unterscheiden. Auf diese Weise könnte die Bedrohung der Biodiversität durch eingeschleppte Arten in Zukunft verringert werden, hoffen die Forscher.


Zum IGB:
Die Arbeiten des IGB verbinden Grundlagen- mit Vorsorgeforschung als Basis für die nachhaltige Bewirtschaftung der Gewässer. Das IGB untersucht dabei die Struktur und Funktion von aquatischen Ökosystemen unter naturnahen Bedingungen und unter der Wirkung multipler Stressoren. Forschungsschwerpunkte sind unter anderem die Langzeitentwicklung von Seen, Flüssen und Feuchtgebieten bei sich rasch ändernden globalen, regionalen und lokalen Umweltbedingungen, die Entwicklung gekoppelter ökologischer und sozioökonomischer Modelle, die Renaturierung von Ökosystemen und die Biodiversität aquatischer Lebensräume. Die Arbeiten erfolgen in enger Kooperation mit den Universitäten und Forschungsinstitutionen der Region Berlin/Brandenburg und weltweit. Das IGB gehört zum Forschungsverbund Berlin e. V., einem Zusammenschluss von acht natur-, lebens- und umweltwissenschaftlichen Instituten in Berlin. Die Einrichtungen sind Mitglieder der Leibniz-Gemeinschaft.

www.igb-berlin.de


Zum Artikel:
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/1365-2664.12819/abstract?campaign=wolacceptedarticle

Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/de/news663201

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1985

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB),
Angelina Tittmann, 15.11.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. November 2016

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