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FORSCHUNG/1317: Moose - lebendige Fossilien (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 4/16
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Lebendige Fossilien Katja Hahnes Leidenschaft ist die Beschäftigung mit Moosen

Von Nicole Flöper


Sie haben sich vor etwa 400 bis 450 Millionen Jahren aus Grünalgen der Gezeitenzone entwickelt und tragen Familiennamen wie Scapaniaceae, Metzgeriaceae oder Andreaeobryaceae. Was schwer auszusprechen ist, ist auch schwer einzuordnen. Doch Katja Hahne, Diplom-Landschaftsökologin aus Mecklenburg-Vorpommern, beschäftigt sich sehr gern mit Moosen: "Ich habe meine Abschlussarbeit über Moore geschrieben, da spielen Torfmoose ja auch eine entscheidende Rolle. Mich faszinieren Moose einfach, und es ist oft schwer, diese zu bestimmen." So kann es vorkommen, dass sie einen ganzen Tag für eine Bestimmung braucht oder zu gar keinem Ergebnis kommt. "Das ist was für kalte Wintertage. Da kann man dann lange am Mikroskop sitzen", findet die 37-Jährige.

Ein Herz für Moose

Bei ihrer Arbeit ist sie auf den Erfahrungsaustausch mit anderen Fachkundigen angewiesen. So kam sie 2009 über die Arbeitsgemeinschaft Geobotanik (Botanischer Verein für Mecklenburg-Vorpommern und Landesfachausschuss Botanik beim NABU) zu den jährlichen Treffen der Moosarbeitsgruppe. "Ich lerne unglaublich viel von anderen, und nur ein fachlicher Austausch kann mich manchmal bei einer Bestimmung weiterbringen", so Hahne. Die Chance, von Älteren zu lernen, sei sehr wichtig, denn irgendwann gehe dieses Wissen sonst unweigerlich verloren. "Schön wäre es, wenn sich noch mehr Interessierte für die AG Geobotanik finden würden, damit die Altersmischung so beibehalten wird und der Erfahrungsschatz erhalten bleibt." Das Moostreffen findet jedes Jahr in einem anderen Gebiet statt. Dafür müssen dann Karten mit den Untersuchungsflächen erstellt, Unterkunft und Anmeldungen organisiert werden. Seit zwei Jahren unterstützt Hahne die Gruppe bei den Vorbereitungen zur Veranstaltung: "Ich wollte nicht nur mitlaufen, ich wollte mich auch engagieren, nachdem ich selbst erlebt hatte, wie herzlich neue Mitglieder aufgenommen werden."

Moosiges Landleben

Hahne wohnt mit ihrer Familie in Sandhof, das zwischen Waren an der Müritz und Schwerin liegt. Sie kann einfach loslaufen und befindet sich in der Natur, am See oder im Wald, wo sie Pflanzen kartieren und bestimmen kann. "Das ist schon auch ein Hobby, obwohl ich das beruflich mache. Häufig müssen dann die Kinder (elf, neun und fünf Jahre alt) mit, aber mein Mann und ich achten darauf, dass sie sich nicht langweilen oder das zu häufig vorkommt", sagt sie.

"Umso wichtiger ist es, dass wir regelmäßig Moose kartieren, und die Abnahme oder Zunahme sagt uns dann etwas über den Zustand eines Biotops aus."

Neben der AG Geobotanik ist Hahne auch noch beim Förderverein Naturpark Barnim aktiv. Ende Juni dieses Jahres war die engagierte Ökologin sogar in den Medien gefragt: Sie entdeckte am Westrand der Dobbiner Plage ein Vorkommen des stark gefährdeten Purpur-Sommerwurz, der in diesem Gebiet bislang als verschollen galt. Eine Auszählung durch die Fachgruppe Geobotanik ergab insgesamt 34 blühende Pflanzen mit 73 Trieben (Sprossachsen). Ohne ihren Mann wäre Hahnes umfangreiche Aktivität kaum möglich. "Da wir beide ehrenamtlich engagiert sind und freiberuflich arbeiten, geht es nur durch Arbeitsteilung. Alleine könnte ich das niemals bewerkstelligen."

Moose als Bioindikator

Wie wichtig Hahnes Engagement und ihre Arbeit mit den Moosen sind, zeigt die traditionelle und heutige Nutzungsvielfalt. Mit Schlafmoosen wurden früher etwa Matratzen und Kopfkissen ausgestopft. In christlichen Ländern legte man an Weihnachten häufig Krippen aus - eventuell erinnert sich eine Generation noch daran. Im Gartenbau werden Torfe aus Torfmoosen häufig als Kultursubstrat verwendet, wofür sie leider aus Mooren abgebaut und damit wertvolle Ökosysteme zerstört werden. Nicht nur für viele seltene Pflanzen- und Tierarten - darunter auch für die Bekassine, den "Vogel des Jahres" 2013 -, auch für unser Klima ist der Torfabbau fatal: Dadurch werden enorme Mengen an Treibhausgasen freigesetzt, die den Klimawandel beschleunigen, denn die Moore dienen als große CO2-Speicher. Außerdem reagieren sie sehr empfindlich auf Umweltveränderungen wie Entwässerung und Eutrophierung. "Umso wichtiger ist es, dass wir regelmäßig Moose kartieren, und die Abnahme oder Zunahme sagt uns dann etwas über den Zustand eines Biotops aus", so Hahne.



Weitere Informationen zur AG Geobotanik unter
http://geobot.botanik.unigreifswald.de


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Verschiedene Moose, verschiedene Lebensräume: Polster-Kissenmoos (Zwergmütze, unten), auf der rechten Seite zu sehen: Blattloses Koboldmoos (Pferdehufmoos), Glas-Haarmützenmoos und ganz rechts Weiches Kamm-Moos (Moos des Jahres 2017).

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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 4/16, Seite 6 - 7
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Dezember 2016

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