Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland e.V. - 23.01.2017
Mikrobe des Jahres 2017: Halobacterium salinarum - einzellige Urform des Sehens
Am 24. Januar 1917 stach Heinrich Klebahn mit einer Nadel in den verfärbten Belag eines gesalzenen Seefischs, übertrug ihn auf festen Nährboden - und entdeckte einige Wochen später rote Kolonien eines "Salzbakteriums". Heute heißt es Halobacterium salinarum und ist genau 100 Jahre später Mikrobe des Jahres 2017, gekürt von der Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM). Halobacterium salinarum zählt zu den Archaeen, dem Reich von Mikroben, die zwar Bakterien ähneln, aber tatsächlich enger verwandt mit Pflanzen und Tieren sind.
Kolonien von Halobacterium salinarum mit unterschiedlichen Mengen
Gasvesikel und Farbstoffen (Bacterioruberin und Bacteriorhodopsin)
Abb.: © Felicitas Pfeifer, Darmstadt
Archaeen sind häufig an außergewöhnliche Lebensräume angepasst, beispielsweise heiße Quellen, extrem saure Gewässer oder - wie H. salinarum - an hohe Salzkonzentrationen. Der Mikroorganismus wächst in Salinen und Salzlaken, die er rot-violett färbt. Dank spezieller Kanalproteine in der Zellhülle kann H. salinarum seinen Salzgehalt an die äußeren Bedingungen anpassen. Sogar in Salzkristallen überlebt es hunderte von Jahren.
Bacteriorhodopsin aus der Zellhülle von Halobacterium salinarum
wechselt bei Belichtung seine Farbe und transportiert
Wasserstoff-Ionen - Eigenschaften, die für technische Verwendungen
nutzbar sind.
Foto: © MPG / Wolfgang Filser
Pigmente in der Zellmembran sind für die Rotfärbung verantwortlich - und für eine besondere Art der Photosynthese, die Licht in für die Zelle verwertbare Energie umwandelt. Die Entdeckung des dafür wichtigen Bacteriorhodopsins aus H. salinarum gelang dem Biochemiker Dieter Oesterhelt 1971. Das Faszinierende daran: ein vergleichbares Rhodopsin ist in unserem Auge für den Sehvorgang verantwortlich. Die Evolution der molekularen Grundlage unseres Sehsinns hat vermutlich seine Wurzeln in uralten Mikrobenformen.
Aus der Entdeckung des Bacteriorhodopsins von Halobacterium salinarum hat sich mittlerweile ein ganz eigenständiges Forschungsfeld entwickelt: die Optogenetik. Rhodopsine werden heute als molekulare "Lichtschalter" eingesetzt, um so gezielt das Verhalten von Nervenzellen zu untersuchen und zu steuern. Erste Erfolge deuten darauf hin, dass neuronale Defekte damit in Zukunft behandelbar sein könnten, beispielsweise Netzhauterkrankungen, Parkinson oder Epilepsie.
Die Mikrobe des Jahres weist auf die bedeutsame Rolle der
Mikroorganismen für die Ökologie, Gesundheit, Ernährung und Wirtschaft
hin. Mikrobiologen der Vereinigung für Allgemeine und Angewandte
Mikrobiologie (VAAM) wählen sie seit 2014 jährlich aus, um auf die
Vielfalt der mikrobiologischen Welt aufmerksam zu machen.
Die VAAM ist Gründungsmitglied im VBIO und vertritt über 3500 mikrobiologisch orientierte Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler aus Forschung und Industrie. Die Bandbreite der Forschung reicht von Bakterien, Archaeen und Pilzen in allen Ökosystemen und in Lebensmitteln über Krankheitserreger bis hin zu Genomanalysen und industrieller Nutzung von Mikroorganismen, ihren Enzymen und Stoffwechselprodukten.
Wie Halobacterium Flamingos rot färbt und weitere Informationen finden
Sie unter
www.mikrobe-des-jahres.de
Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder unter:
http://idw-online.de/de/news666720
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1163
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland
e.V., Dr. Kerstin Elbing, 23.01.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Januar 2017
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