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FEHLER/012: Interview - Wasserförderung im Hessischen Ried vernichtet Wald (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 4/2012
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

PERSÖNLICH
Im Gespräch mit Henner Gonnermann

Interview: Severin Zillich



Das Hessische Ried südwestlich von Frankfurt war einst eine blühende Auenlandschaft. Seit den 1960er Jahren werden hier riesige Mengen Grundwasser für den Großraum Frankfurt gefördert. Der Wasserpegel sank dadurch um mehrere Meter, alter Laub- und Mischwald stirbt auf großer Fläche. Künftig soll noch mehr Wasser aus dem Ried gepumpt werden. Der Forstexperte des BUND in Hessen, Henner Gonnermann, warnt vor den Folgen.

Severin Zillich: Herr Gonnermann, Sie leiteten ab 1970 das Forstamt Groß-Gerau. Hier, mitten im Hessischen Ried, hatten Sie die Folgen der Wasserförderung direkt vor Augen.

Henner Gonnermann: Ja, ich bin gewissermaßen ein Zeitzeuge. Innerhalb weniger Jahre sackte damals das Grundwasser um fünf bis sieben Meter ab. Als erstes starben auf markanter Fläche die Erlen. Auch andere Laubbäume kamen stark unter Stress. Auf etwa 10 000 Hektar stirbt seitdem der ursprüngliche Eichen-Hainbuchen- und Buchenwald. Großer Heldbock, Mittelspecht und viele andere Arten sind dadurch akut bedroht.

SZ: Kennen Sie einen vergleichbaren Fall in Deutschland?

HG: Ähnlich betroffen ist die Oberrheinebene, da gab es im Karlsruher Hardtwald vergleichbare Probleme. Der Nordheide im Einzugsgebiet von Hamburg will man ebenfalls ganz erhebliche Mengen Wasser abzapfen. Auch dort hat der BUND kritisch Stellung bezogen, ebenso im Umfeld von Berlin.

SZ: Die deutschen Haushalte verbrauchen immer weniger Wasser. Warum soll dem Ried trotzdem in Zukunft noch mehr Wasser entnommen werden?

HG: Tatsächlich ist der Verbrauch im Rhein-Main-Gebiet in den letzten 20 Jahren um ein Fünftel gesunken. Offenbar folgt die Politik der großen Wasserversorger (hier: »Hessenwasser«) dem Vorbild der Energiekonzerne: Stück für Stück werden kommunale Anlagen geschluckt oder stillgelegt, und das vorzugsweise, wenn dort neue Investitionen anstehen. Statt die bürgernahe lokale Wasserversorgung zu erhalten, wird Wasser in beliebiger Menge aus dem Hessischen Ried angeboten. Eine Politik der Umsatzsteigerung, die Hessens Wasserbehörden ganz offensichtlich unterstützen.

SZ: Was steht im Hessischen Ried auf dem Spiel?

HG: Derzeit müssen die Förderrechte für die nächsten 30 Jahre neu bewilligt werden. Aus meiner Sicht ist das die letzte Chance, um die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren und einen Weg zu finden, den naturnahen und EU-rechtlich geschützten Laubwald zu retten.
Die Wasserwerke und ihre Gutachter aber verfahren nach dem Motto: »Ist die Natur erst ruiniert, pumpt es sich weiter ganz ungeniert.« Der heutige, einfach katastrophale Zustand wird als gegeben hingenommen. Alles bleibe doch, wie es ist. Eine - abermalige - Verschlechterung, die EU-Recht verletzen würde, sei ja nicht geplant. Sie verhalten sich im Grunde verantwortungslos, ignorieren, was sie angerichtet haben, und verletzen das Gebot der Nachhaltigkeit, auf das sie sich in ihren Hochglanzbroschüren so gerne berufen. Ein runder Tisch der Landesregierung, an dem auch der BUND sitzt, sucht nun nach einer Lösung.

SZ: Wie sind Sie selbst auf den Waldnaturschutz gekommen?

HG: Ich bin da doppelt belastet. Mein Vater hat ein Forstamt im heutigen Nationalpark Kellerwald geleitet. Und zum Naturschutz hat mich maßgeblich mein Biologielehrer im Gymnasium geführt - als Pennäler haben wir im Edertal Nester ausfindig gemacht, Netze gestellt und viele Vögel beringt.

SZ: Im (Un-)Ruhestand engagieren Sie sich auch anderweitig für Natur und Umwelt?

HG: Ja, meine Hauptbaustelle ist derzeit - neben dem Hessischen Ried - der Widerstand gegen den Weiterbau der Autobahn A 49. Außerdem setze ich mich dafür ein, die Windenergie konsequent zu nutzen.

Mehr Informationen und Bilder:
www.bund-hessen.de/hessisches_ried

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Quelle:
BUNDmagazin 4/2012, Seite 46
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Dezember 2012