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FORSCHUNG/550: Wasserflöhe vertreiben Stechmücken - Nahrungskonkurrenten als Insektizid (UFZ)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Pressemitteilung, 15. Mai 2009

Wasserflöhe vertreiben Stechmücken - Nahrungskonkurrenten als natürliches Insektizid


Dessau-Roßlau/Leipzig. Mückenlarven und die mit ihnen konkurrierenden Krebstierchen können nicht gleichzeitig denselben Lebensraum besiedeln. Wassertümpel, in denen Kleinkrebse wie beispielsweise Wasserflöhe vorkommen, enthalten wesentlich weniger Mückenlarven als Tümpel ohne solche Kleinkrebse. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung in einer Studie im Biosphärenreservat Mittelelbe bei Dessau. Dazu wurden im Roßlauer Oberluch 15 Wasserstellen eine Saison lang beobachtet. Ziel der Untersuchungen ist es, natürliche Mechanismen zu erforschen, um potenziellen Mückenplagen begegnen zu können. Dabei sollen in Zukunft Krebstierchen als natürliche Nahrungskonkurrenten der Mückenlarven eingesetzt werden, um die Mückenpopulationen zu kontrollieren. Auf diese Weise könnte der Einsatz giftiger Insektizide reduziert werden. Das Verfahren befindet sich in der Patentierung.

Mückenweibchen können schneller neue Lebensräume besiedeln als ihre Nahrungskonkurrenten, die auf Transportunterstützung durch andere Tiere oder den Wind angewiesen sind. Mückenweibchen suchen dagegen zielgerichtet nach neuen Brutplätzen, wo sie zahllose Eier ablegen. "Mücken profitieren von solchen kurzlebigen Wasseransammlungen, denn sie verlassen bereits nach ein bis zwei Wochen das Wasser als flugfähige Insekten", erläutert Dr. Sabine Duquesne vom UFZ. "Kleinkrebse benötigen hingegen benötigen mehr Zeit, um solche Lebensräume zu besiedeln. Somit bekämpfen die Wissenschaftler, Mückenplagen nachhaltig mit Wasserflöhen. Wenn man die Krebstierchen gezielt in potenzielle Mückenbrutplätze ausbringt, kann man ihren Entwicklungsnachteil ausgleichen." Die Methode wurde inzwischen erfolgreich in Deutschland von der Doktorandin Iris Kröger und auch Afrika von der Doktorandin Alvine Meyabeme eingesetzt. Sie befindet sich derzeit in der Patentierung.

Das Roßlauer Oberluch bietet mit seinen Feuchtgebieten günstige Brutbedingungen für verschiedene Stechmückenarten. Die Larven der Mücken können sich nur im Wasser entwickeln und bevorzugen daher flache Tümpel, in denen keine Fraßfeinde wie Fische leben. Durch die erwartete Klimaveränderung werden sich die Brutbedingungen für Stechmücken weiter verbessern, denn starke Regenfälle, Überschwemmungen und hohe Temperaturen begünstigen ihre Fortpflanzung. Zudem steigt durch höhere Temperaturen die Gefahr der Ausbreitung von Krankheiten wie Blauzungenkrankheit, West-Nil-Virus und viele andere. So hat sich die in den Tropen und Subtropen als Dengue-Überträger gefürchtete Tigermücke (Aedes albopictus) bereits in mehren Ländern Südeuropas bis hin zur Schweiz und auch Deutschland etabliert. Am Oberrhein werden Stechmücken seit vielen Jahren mit den Bakterium Bti (Bacillus thuringiensis israelensis) beispielsweise von der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (KABS) bekämpft. In den wenig zugänglichen Auenwäldern der Elbe wäre eine solche Bekämpfungsstrategie schwer durchzuführen und würde den Zielen des Biosphärenreservates widersprechen.

Das Roßlauer Oberluch ist am 12. Mai 2009 als ein "Ausgewählter Ort" im Land der Ideen ausgezeichnet worden. Dabei handelt es sich um die erste großflächig umgesetzte Deichrückverlegung an der Mittleren Elbe. Durch diese Verlegung ist seit 2006 eine 140 Hektar große Altaue wieder an das Hochwassergeschehen angebunden. Das Projekt in Roßlau hat Modellcharakter für ganz Deutschland. Entlang der Mittleren Elbe sind derzeit 15 Deichrückverlegungen mit einer Gesamtfläche von etwa 2.600 Hektar geplant. Das Hochwasser im Frühjahr 2009 sorgte zum ersten Mal seit der Deichöffnung dafür, dass die Auenwiesen im Rückdeichungsgebiet der Stadt Dessau-Roßlau überflutet wurden. Dieses Renaturierungsprojekt im UNESCO-Biosphärenreservat Mittelelbe verbessert nicht nur den Hochwasserschutz. Es bietet auch der Forschung eine bisher einmalige Möglichkeit, die Auswirkungen auf Natur und Mensch zu untersuchen. Dazu wurde eine Forschungsplattform innerhalb des TERENO-Observatoriums Mitteldeutschland der Helmholtz-Gemeinschaft eingerichtet. Über 40 Wissenschaftler des Helmholz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und vieler anderer Institute arbeiten hier gemeinsam, um das Wissen über Ökologie, Funktionen und Wirkungen von Renaturierungsmaßnahmen in Auen zu verbessern.

Tilo Arnhold
http://www.ufz.de/index.php?de=18100

Weitere
fachliche Informationen:
PD Dr. Matthias Liess/ Dr. Sabine Duquesne
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Telefon: 0341-235-1578, -1495
http://www.ufz.de/index.php?en=3714
http://www.ufz.de/index.php?en=3715
oder über
Tilo Arnhold (UFZ-Pressestelle)
Telefon: 0341-235-1269
E-mail: presse@ufz.de

Weiterführende Links:
Deichrückverlegung und Auenrenaturierung im Roßlauer Oberluch - Biosphärenreservat Mittelelbe:
http://www.ufz.de/index.php?de=11135
Interdisziplinäre Forschungsplattform für Auenökologie Mittelelbe:
http://www.ufz.de/index.php?de=10816
UFZ-Newsletter August 2007 (S.5): http://www.ufz.de/data/newsletter_aug076774.pdf
Stechmücken (Culicidae): http://de.wikipedia.org/wiki/Stechm%C3%BCcken


Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weitreichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg 900 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert. http://www.ufz.de

Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit 28.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 15 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 2,4 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894). http://www.helmholtz.de

Das Biosphärenreservat Mittelelbe umfasst den sachsen-anhaltischen und mit rund 126.000 Hektar größten Teilbereich des länderübergreifenden Biosphärenreservates Flusslandschaft Elbe und repräsentiert damit gleichzeitig Deutschlands größtes Auenschutzgebiet. Es erstreckt es sich über den gesamten Elbelauf in Sachsen-Anhalt mit einer Länge von 303 Flusskilometern. Neben der Elbe selbst gehören auch ihre angrenzenden Auengebiete und die Mündungen der Elbe-Zuflüsse Schwarze Elster, Mulde, Saale, Havel und Aland dazu. Sechs Landkreise und zwei kreisfreie Städte, Dessau-Roßlau und Magdeburg, werden vom Biosphärenreservat Mittelelbe tangiert. Das Biosphärenreservat Mittelelbe begeht in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen. http://www.mittelelbe.com


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Quelle:
UFZ-Pressemitteilung, 15.05.2009 - Nummer: 2009/025
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Tilo Arnhold
Permoserstraße 15, 04318 Leipzig
Telefon: (0341) 235-2278, Telefax: (0341) 235-2649
E-Mail: presse@ufz.de
Internet: www.ufz.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Mai 2009