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FORSCHUNG/570: Biofilme - Mikrobielles Leben an Grenzflächen (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter Juni 2009

Mikrobielles Leben an Grenzflächen


"Wer schon einmal an einem Bach auf einem Stein ausgerutscht ist, hat - ohne es zu wissen - Kontakt mit einem Biofilm gehabt." Auch für den Laien verständlich beschreibt Dr. Thomas R. Neu vom Department Fließgewässerökologie das Fachgebiet, mit dem er sich am UFZ beschäftigt. "Mikrobiologie von Grenzflächen" lautet die Bezeichnung der Arbeitsgruppe, die er leitet. Und genau diese Grenzflächen sind es, an denen Biofilme entstehen. Egal, ob es die Grenze zwischen Wasser und Luft oder die Grenze zwischen Wasser und Steinen, zwischen Wasser und Öl ist, stets siedeln sich dort Mikroorganismen an. "Sie entwickeln Strategien, um an den Grenzflächen zu leben", erläutert Neu.

In der dreidimensionalen Struktur der Biofilme entstehen Gradienten, wodurch es Nischen für alle möglichen Organismen wie aerobe und anaerobe Bakterien, Pilze oder Algen gibt. Scheiden nun die Mikroorganismen so genannte extrazelluläre polymere Substanzen aus, bilden sich in Verbindung mit dem Wasser Hydrogele. Es entsteht eine Polymer-Matrix, die als Schleim wahrgenommen wird und in der Nährstoffe und andere Partikel gebunden sind. In diesem Umfeld leben verschiedene Organismen, die voneinander profitieren, in Lebensgemeinschaften. "Was der eine Organismus ausscheidet, kann dabei dem anderen als Nahrung dienen", verdeutlicht Neu die symbiotische Beziehung der Organismen untereinander. Mögen Biofilme vom Menschen in manchen Fällen als zumindest unangenehm empfunden werden, so gehören sie in die Natur und können dort außerordentlich nützlich sein. "Durch Biofilme bekommen zum Beispiel Bäche ein erhebliches Selbstreinigungspotenzial, welches bei großen Flüssen von Bioaggregaten übernommen wird", so der Wissenschaftler. Dies kann man sich zunutze machen, etwa in Pflanzenkläranlagen: Dort bilden sich Biofilme, welche die verschiedenen Stoffe, die im Wasser gelöst sind, verarbeiten. Biofilme können aber auch negative Effekte haben. So können zum Beispiel Rohrleitungen oder Filteranlagen in Industriebetrieben in ihrer Wirksamkeit beeinträchtigt werden, wenn unerwünschte Biofilme entstehen. "Auch im medizinischen Bereich können Biofilme zu großen Problemen führen, wenn sich diese auf Geweben oder Geräten wie Kathetern oder Implantaten entwickeln", umreißt es Neu.

"Die Hauptaufgabengebiete der Biofilm-Forschung am UFZ liegen zum einen im Bereich natürlicher Bioaggregate und Biofilme mit dem Schwerpunkt Wasser", beschreibt der Wissenschaftler die Tätigkeit seiner Arbeitsgruppe. Ein zweiter Schwerpunkt umfasst die Nutzung von Biofilmsystemen zur Reinigung von kontaminiertem Wasser und die nachhaltige Nutzung des natürlichen Lebensmittels. Dazu müssen die Forscher die Biofilmsysteme genau kennen und setzen deshalb unter anderem Lasermikroskope ein, um deren Strukturkomponenten zu untersuchen. "Die Technik wird in der Biologie verwendet, um wässrige, lebende Proben optisch in Scheiben zu schneiden und daraus hoch aufgelöste Bilderserien zu erhalten", macht Neu deutlich. Ende vergangenen Jahres konnten die Magdeburger Wissenschaftler mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) ein neues Lasermikroskop anschaffen, das höchsten Ansprüchen gerecht wird. "Das konfokale Laser Scanning Mikroskop kann sehr flexibel eingesetzt werden, da es mit einer so genannten ,super continuum light source', einem Weißlichtlaser, ausgerüstet ist", freut sich Neu. Die speziellen Eigenschaften des Gerätes erlauben nicht nur höchste Auflösungen, sondern machen es auch für die Messung von beweglichen Organismen und schnellen Prozessen einsetzbar. "Zusätzlich ermöglichen die drei gepulsten Laserquellen die Bestimmung der Fluoreszenz-Lebensdauer. So können wir bisher völlig unbekannte Eigenschaften der Biofilmproben im Mikro- und Nanometerbereich erfassen - eine Möglichkeit, die in der Zellbiologie bereits häufig genutzt wird.", erläutert Neu. "Außerdem kann mit dem neuen Gerät über die Kopplung von Mikroskopie und Spektroskopie die Beweglichkeit von kleinsten Molekülen und Partikeln - also die Diffussion - in sehr kleinen Volumina bestimmt werden." Und er verspricht: "Dieses bislang einzigartige Gerät wird für die zukünftigen Herausforderungen in der mikrobiologischen Umweltforschung eingesetzt, wobei es im Rahmen von Kooperationen auch externen Forschungsgruppen als Helmholtz-Infrastruktur zur Verfügung steht." Jörg Aberger

UFZ-Ansprechpartner
Dr. Thomas Neu
Department Fließgewässerökologie
Telefon: 0391/810-9800
e-mail: thomas.neu@ufz.de


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Lasermikroskopische Aufnahme eines dem Licht ausgesetzten (phototrophen) Biofilms in der Seitenansicht. Deutlich erkennbar ist die vertikale Verteilung nun Bakterien (grün), Grünalgen (blau), entrazellalären polymeren Substanzen (Polymermatrix, rot), Cyanobakterien (pink). Zur Orientierung: oben im Bild ist die Biofilm-Wasser-Grenzfläche; die Biofilm-Aufwuchs-Grenzfläche ist im Bild unten. Aufnahme: Barbara Zippel/UFZ


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Quelle:
UFZ-Newsletter Juni 2009
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juli 2009