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FORSCHUNG/571: Mikroorganismen - Neue Methoden für Umweltforschung und -sanierung (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter Juni 2009

Bakterien sind wahre Überlebenskünstler


Die Welten, denen das Interesse von Dr. Alessandro Franchini gilt, sind winzig. Genauer gesagt sind es die Bewohner dieser Welten, die ihn faszinieren. "Bakterien finden wir überall, in heißer und in kalter Umgebung, sie sind an zahlreichen Prozessen beteiligt - sie sind wahre Überlebenskünstler", kann sich der junge Wissenschaftler begeistern, Im Rahmen des EU-Projektes ISOTONIC, das er am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung bearbeitet, verbindet er zwei Interessengebiete: "Ich war schon immer an Umweltfragen interessiert und bin in meiner Ausbildung auch immer in Richtung Mikrobiologie gegangen, weil Bakterien sehr wichtig für Menschen und Tiere sind."

Konkret geht es in seinem Forschungsvorhaben darum, neue Methoden für die Umweltforschung und -sanierung zu entwickeln. An vielen Standorten, an denen mit organischen Chemikalien gearbeitet wurde, sind diese auch in die Umwelt gelangt. Dabei wurden Gewässer, Böden, Sedimente und oft auch das Grundwasser kontaminiert. Viele dieser Umweltchemikalien können durch Mikroorganismen abgebaut werden. In der Regel herrschen jedoch an diesen Standorten Bedingungen, die den Abbau limitieren. Am Beispiel des früheren Chemiestandortes Leuna wird untersucht, welche Verunreinigungen in Wasser und Boden noch nachzuweisen sind und welche Möglichkeiten es gibt, diese zum Teil hochkomplexen und auch hochgiftigen Umweltkontaminationen zu bekämpfen. "Wir finden Raffinerierückstände wie Benzin und Diesel, aber auch chemische Verbindungen, die wir zunächst in ihrer Zusammensetzung nicht eindeutig identifizieren können", sagt Franchini. Und genauso wenig kann man bei den Mikroorganismen, die in den verschmutzten Flächen gefunden werden, sagen, was sie zum Überleben brauchen, ob und vor allem welche am Abbau von Verschmutzungen beteiligt sind.

Im Labor ist der Abbau organischer Schadstoffe über die entstehenden Mineralisationsprodukte leicht nachweisbar. Weil es sich um offene Systeme handelt, ist in Grundwasserleitern ein Schadstoffabbau anhand des Abbauproduktes CO2 oft nicht eindeutig zu bilanzieren. Um den natürlichen Abbau und die Entwicklung von Sanierungsstrategien bewerten zu können, ist es deshalb notwendig, die tatsächliche Abbauaktivität, die genutzten Stoffwechselwege wie auch die nutzbaren Abbaupotenziale unter den gegebenen Standortbedingungen zu ermitteln. "Deshalb ist es für uns von Bedeutung, die Struktur der mikrobiellen Gemeinschaft besser zu verstehen, zu erkennen, welche Funktion individuelle Populationen haben, welche Nahrungsnetze den mikrobiellen Gemeinschaften zur Verfügung stehen", fasst der Forscher zusammen. Da zirka 99 Prozent der Mikroorganismen aus Umweltsystemen nicht kultivierbar sind und im Labor die realen Abbaubedingungen nur unzureichend simuliert werden können, müssen neue Wege zur Ermittlung der mikrobiellen Aktivität beschritten werden.

Um diesen Geheimnissen auf die Spur zu kommen, nutzt Franchini molekularbiologische und proteinchemische Methoden sowie die Tatsache, dass von fast jedem natürlich vorkommenden chemischen Element mehrere Varianten - so genannte Isotope - mit unterschiedlichem Gewicht, aber praktisch identischen chemischen Eigenschaften existieren. In seinem Projekt wird Franchini neue Ansätze erarbeiten, in denen die Molekularbiologie und die Proteinchemie mit Stabilisotopen-Techniken kombiniert werden. Stabile Isotope können unter anderem dazu genutzt werden, Stoffwechselwege aufzuklären oder Umsetzungsprozesse aufzuzeigen. Mit diesem Konzept können die funktionelle mikrobielle Biodiversität, die Schlüsselorganismen und die genutzten Stoffwechselwege ermittelt werden.

Einen großen Teil seiner Zeit verbringt Franchini im Isotopen-Labor des UFZ, "vielleicht eines der besten in Europa", wie er sagt. In der Freizeit ist er viel mit dem Fahrrad unterwegs, übrigens die einzige Tätigkeit, bei der er die heiß geliebten Berge seiner Heimat nicht schmerzlich vermisst. Seiner Leidenschaft, der er im Tessin frönte, kann er leider nicht mehr nachgehen: Dem Eishockey. Bei den Leipziger Blue-Lions hätte er mitspielen können - im täglichen Ligabetrieb. Zu viel Stress neben seiner Berufung als Mikrobiologe und Isotopenforscher. Jörg Aberger

Nachwuchswissenschaftler
Dr. Alessandro Franchini
Department Umweltbiotechnologie
Telefon: 0341 /235-1766 oder -1597
e-mail: alessandro.franchini@ufz.de
mehr Informationen:
www.ufz.de/index.php?en 117128


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Dr. Alessandro Franchini im Isotopenlabor des UFZ - aus seiner Sicht vielleicht eines der besten in Europa. Er studierte Biologie und Biotechnologie am Institut für Biotechologie der ETH Zürich. 2006 promovierte er auf dem Gebiet Umweltmikrobiologie an der EAWAG in der Schweiz. Nach einem Gastaufenthalt am Sbarro-Institut der Temple University, Philadelphia, USA, begann er 2007 am UFZ als PostDoc.


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Quelle:
UFZ-Newsletter Juni 2009
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juli 2009