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FORSCHUNG/573: Neues Meßgerät soll chemischen "Fingerabdruck" des Feinstaubs ermitteln (RUBENS)


RUBENS 16. Jahrgang, Nr. 134 vom 1. Juni 2009
Nachrichten Berichte und Meinungen aus der Ruhr-Universität Bochum

Ein Fingerabdruck vom Feinstaub
Bochumer Ingenieur entwickelt ein Messsystem zur Bestimmung der Feinstaubbelastung

Von Julia Brosig


Sobald wir draußen unterwegs sind, atmen wir mit der Luft Feinstaub ein. Dass er gesundheitsschädlich ist, wurde in zahlreichen Studien nachgewiesen. Doch sind bisherige Feinstaubmessungen nur bedingt aussagekräftig oder es sind zeitintensive Labormessungen nötig. Wie sich Art und Konzentration der einzelnen Bestandteile schneller und vor allem präziser messen lassen, erforschen die Diplomingenieure Konstantinos Nalpantidis und Frank Platte. Mit dem von Nalpantidis entwickelten Messgerät gewannen sie Anfang 2009 einen Preis beim Förderwettbewerb "Transfer.NRW - Science-to-Business PreSeed".


Feinstaub ist gefährlich. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO verkürzt die Feinstaubbelastung die durchschnittliche Lebenserwartung der Menschen in der Europäischen Union nachweislich. Die EU reagierte mit Verordnungen zu Rußfiltern, Feinstaubplaketten und folgender Richtlinie: Die Feinstaubbelastung darf bei maximal 50 µg/m3 liegen (d.h. in einem Kubikmeter Luft dürfen sich max. 50 Millionstel Gramm Feinstaubteilchen befinden). Um diese Angaben zu prüfen, sind präzise Messgeräte nötig.


Mit Laser bestrahlt

Hier setzt die Forschung von Konstantinos Nalpantidis unter Mitarbeit von Frank Platte an. "Die aktuellen Geräte messen zwar den Feinstaub in der Luft, nicht aber deren genaue Bestandteile und Konzentration. Zudem werden die Feinstaubproben den Geräten nur in Abständen von mehreren Tagen entnommen und in einem Labor analysiert. Die Erkenntnis, dass vor vier Tagen am Ort X eine hohe Feinstaubbelastung war, nutzt wenig, wenn man schnell handeln möchte", erklärt Platte. Seit 2006 tüftelt Nalpantidis an einem Gerät, das sowohl schnell als auch detailliert anzeigt, wie hoch die Belastung mit welchen Teilchen ist. Denn man muss wissen, dass nicht der Feinstaub an sich für den Menschen gefährlich ist, sondern besonders die darin enthaltenen extrem kleinen Rußpartikel. Im Feinstaub finden sich auch harmlose Teilchen wie Sand, Salze, Hausstaub, Pollen und Reifen-/Bremsbelag-Abrieb. Daher ist ein hoher absoluter Messwert nicht pauschal ein Alarmsignal.

Die Idee und erste Versuche, ein solches Gerät zu entwickeln, laufen an der RUB sogar schon seit über zehn Jahren. Bislang war es nicht gelungen, die genauen Anteile der Rußpartikel im Feinstaub zu messen. Erst Nalpantidis ist es im Rahmen seiner Promotion am Lehrstuhl für Laseranwendungstechnik und Messsysteme (LATM) der RUB unter Leitung von Prof. Dr. Gustav Schweiger gelungen. Zur Untersuchung des Feinstaubs nutzt er die Raman-Spektroskopie, eine zeitnahe Analysemethode zur Materialcharakterisierung. Der zu untersuchende Stoff - hier der Feinstaub - wird mit einem Filter aufgefangen und mit Laser bestrahlt. Je nachdem, welche Teilchen enthalten sind, streuen sie das Licht verschiedenartig. Anhand des Ergebnisbildes, dem sog. Raman-Spektrum, lassen sich qualitative und quantitative Aussagen über die Stoffe treffen: "So kann ich zum einen erkennen, welche Stoffe in der Luft enthalten sind, zum anderen aber auch, wie hoch deren Konzentration ist und woher sie ungefähr kommen", sagt Nalpantidis. Das Spektrum ist wie ein chemischer Fingerabdruck des Feinstaubs.

Für ihre weitere Forschung haben Nalpantidis und Platte Anfang des Jahres den Förderpreis "Transfer.NRW - Science-to-Business PreSeed" gewonnen. Das Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie des Landes NRW und das Forschungszentrum Jülich GmbH verleihen den Preis für zukunftsorientierte Forschungsergebnisse, die innerhalb kurzer Zeit Marktfähigkeit erreichen sollen. Für die nächsten zwei Jahre stehen den Ingenieuren nun 200.000 Euro zur Verfügung. Unterstützung bei der Bewerbung zum Wettbewerb erhielten Platte und Nalpantidis von rubitec - der Gesellschaft für Innovation und Technologie der RUB. rubitec hilft seit 1998 dabei, Ideen in marktfähige Produkte umzusetzen und Partnerschaften zwischen Uni und Wirtschaft zu vermitteln.

Die beiden haben nun zwei Jahre Zeit, aus dem Messgerät einen marktreifen Prototyp zu machen. So, wie es bisher aussieht, ließe es sich nicht verkaufen. Das riesige Metallgebilde mit zahllosen Kabeln und Schläuchen beschreibt Platte zwar als "voll funktionsfähig, für den Markt ist es aber zu groß, zu unhandlich und vor allem zu hässlich." Wenn alles nach Plan läuft, möchten sie sich nach der Förderungszeit selbstständig machen. Auch hier können sie mit der Hilfe der rubitec rechnen, z.B. durch deren Existenzgründungsprogramm. Ihr Projekt kann dann ein Spin-Off, also eine Ausgründung, der Uni werden. Einen großen Markt für das Gerät gibt es deutschland- und europaweit: Zentrales Interesse an der Entwicklung hat beispielsweise das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz. Zu denken ist auch an einen Einsatz in der Industrie, bei Kraftwerken und Feuerungsanlagen, oder an eine Dienstleistertätigkeit: Im Auftrag von Städten und Organisationen ließen sich einzelne Messungen durchführen, um z.B. Urlaubs- und Kurorte als besonders arm an Rußpartikeln auszuzeichnen.


Noch zu unhandlich

Dass Platte und Nalpantidis (beruflich) ein gutes Team sind, war ihnen schon während des Studiums klar. So waren sie 2005 im "GDur Ideen-Wettbewerb" erfolgreich, als sie den Sonderpreis "Technik/Patente" gewonnen haben. Beide haben Chemietechnik an der TU Dortmund studiert. Platte promovierte anschließend in Dortmund interdisziplinär in Chemietechnik/Mathematik, Nalpantidis hat gerade an der RUB seine Promotion abgeschlossen. Die Arbeitsteilung funktioniert optimal: Während Platte eher für die theoretische Arbeit zuständig ist (er wird die Software für das Messsystem mitentwickeln, welche die spektroskopischen Rohdaten auswertet), arbeitet Nalpantidis eher praktisch (Bau und Entwicklung des Geräts). Beide sind zurzeit noch als Post-Docs am ISAS (Institute for Analytical Sciences) in Dortmund beschäftigt, das eng mit RUB und TU zusammenarbeitet. Bei diesem Engagement und Zusammenhalt dürfte dem Einstieg in eine eigene Firma also nichts im Wege stehen.

Infos: http://www.lat.rub.de/index.html


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Quelle:
RUBENS 16. Jahrgang, Nr. 134 vom 1. Juni 2009, S. 5
Herausgeber: Pressestelle der Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum
Tel: 0234/32-23999, -22830, Fax: 0234/32-14136
Internet: www.rub.de/rubens
E-Mail: rubens@presse.rub.de
ISSN 1437-4749


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juli 2009