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FORSCHUNG/576: Klimawandel und ultraschnelle Artbildung (idw)


Universität Konstanz - 28.07.2009

Klimawandel und ultraschnelle Artbildung

Artendiversität der Buntbarsche des Viktoriasees ist teilweise jünger als 15000 Jahre, aber Genvarianten sind zum Teil 4 Millionen Jahre alt


Die spektakuläre Diversität der 500 Buntbarscharten im ostafrikanischen Viktoriasee ist genetisch älter als ihr heutiger Lebensraum. Dies fand ein Forschungsteam der Universität Konstanz und des belgischen "Royal African Museum" unter der Leitung des Konstanzer Professors Axel Meyer heraus. Die Biologen fanden Genvarianten, die schon vor 4 Millionen Jahren entstanden waren, obwohl die Arten, in denen sie sich finden, weitaus jünger sind und das Seebecken des Viktoriasees etwa 500000 Jahre alt ist. Der Viktoriasee ist in seiner heutigen Form aufgrund einer klimabedingten Austrocknung und Wiederbefüllung im späten Pleistozän nur rund 15000 Jahre alt. Das Team um Axel Meyer nimmt an, dass einige der Fische die Austrocknung des Viktoriasees in Refugien und auch im benachbarten Kivusee überlebt hatten und die ursprüngliche Besiedlung des heutigen Viktoriasees durch Buntbarsche vom Kivusee ausging. Axel Meyer wirft mit seinen jetzt veröffentlichten Forschungsergebnissen ein neues Licht auf die Thesen zur Artenbildung im Viktoriasee.

Mehr als 500 extrem nah verwandte Arten von Buntbarschen leben im Viktoriasee, dem zweitgrößten See der Erde mit einer Fläche von der Größe Islands. Bisher wurde angenommen, dass diese Fischarten in weniger als 100000 Jahren entstanden - keine andere Gruppe von Lebewesen hat eine derart schnelle Artbildung. Geologische und paläontologische Befunde legen nun aber nahe, dass durch einen Klimawandel in Ostafrika im späten Pleistozän der Viktoriasee mitsamt seiner Umgebung komplett ausgetrocknet sein muss. Vor 15000 Jahren füllte sich das Becken wieder zum Viktoriasee in seiner heutigen Form. Demnach müssten sich aber die 500 Arten von Buntbarschen, die ausschließlich im Viktoriasee leben, in der extremst kurzen Zeit seit seiner Neubefüllung entstanden sein, was eine bei weitem schnellere evolutionäre Artenbildung erfordern würde, als man bisher annahm und als bei irgendeiner anderen Gruppe von Lebewesen beobachtet wurde.

Das Biologenteam um Professor Axel Meyer nutzte neueste Methoden der genetischen Analyse, um das genetische Alter der Buntbarsche zu bestimmen. Es stellte sich heraus, dass einige der Gene, die für die adaptive Radiation der Barsche, ihre evolutionäre Auffächerung zur Anpassung an ökologische Nischen, verantwortlich sind, bei weitem älter sind als der heutige Viktoriasee. Demzufolge müssen die Fische und die meisten ihrer genetischen Variationen, die sie heute aufweisen, die Austrocknung des Viktoriasees im Pleistozän überlebt haben - und zwar in einem anderen, nahegelegenen Lebensraum. Die Biologen verfolgten die Migration der Fische zurück und identifizierten den benachbarten und weitaus tieferen Kivusee als Ort ihrer Abstammung vor etwa 100000 Jahren. Darüber hinaus wiesen sie anhand der Gene der Fischpopulation nach, dass eine dramatische Abnahme der Populationsgröße vor 15000 bis 18000 Jahren stattfand - was sich zeitlich mit dem Klimawandel im Pleistozän deckt. "Unsere Studie zeigt, dass die meisten der Arten während der Austrocknung des Viktoriasees im Pleistozän ausstarben, aber dass manche ihrer Ahnen und viele ihrer Gene älter sind und diese Periode eines dramatischen Klimawandels überlebten", bestätigt Axel Meyer.

Der Forschungsergebnisse von Axel Meyers Team sind ab dieser Woche im Internet veröffentlicht in der "early edition" auf der Homepage der amerikanischen Zeitschrift "Proceedings of the National Academy of Sciences": www.pnas.org

Weitere Informationen zum Forschungsteam unter
www.evolutionsbiologie.uni-konstanz.de

Pressekontakt:
Prof. Axel Meyer - Universität Konstanz
0 7531 / 88 4163
0 7531 / 88 3069 (Sekretariat)
axel.meyer@uni-konstanz.de


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Konstanz, Claudia Leitenstorfer, 28.07.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juli 2009