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FORSCHUNG/594: Wissenschaftler untersuchen Koexistenz in artenreichen Gemeinschaften (idw)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ - 29.10.2009

ERC-Millionenförderung für Biodiversitätsforscher

Wissenschaftler untersuchen Koexistenz in artenreichen Gemeinschaften


Leipzig. Eine vom Europäischen Forschungsrat (ERC) geförderte Forschergruppe um die Modellierer Dr. Thorsten Wiegand und Dr. Andreas Huth hat ihre Arbeit am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung-UFZ in Leipzig aufgenommen. Die Forscher erhalten vom ERC in den kommenden fünf Jahren über zwei Millionen Euro Forschungsgelder, um die Zusammensetzung und Dynamik von artenreichen Gemeinschaften zu untersuchen. Fortschritte auf diesem Gebiet sind wichtig für den Schutz der Biodiversität im Zusammenhang mit Klima- und Landnutzungsänderungen und für die Berechnung von Kohlenstoffbilanzen.

Mit dem "ERC Advanced Grant" fördert der Europäische Forschungsrat (European Research Council / ERC) herausragende Wissenschaftler, die bereits international bedeutende Forschungsergebnisse über einen längeren Zeitraum aufweisen, damit sie ein exzellentes Projekt in der Grundlagenforschung durchführen können. Mit Gründung des ERC treten die Spitzenforscher Europas erstmals direkt in einem offenen Wettbewerb an. In der ersten Ausschreibung der ERC Advanced Grants im Bereich der Lebenswissenschaften hatten weltweit 766 Wissenschaftler Anträge eingereicht. Daraus wurden 78 Projekte nach strengen Exzellenzkriterien zur Förderung ausgewählt, darunter nur 11 aus Deutschland.

Das UFZ hatte bereits 2008 einen "Starting Grant" des ERC erhalten. Die Nachwuchsgruppe des Mikrobiologen Prof. Lorenz Adrian untersucht Bakterien, die chlorierte aromatische Kohlenwasserstoffe umsetzen. Damit ist das UFZ das erste Helmholtz-Zentrum, das sowohl mit einem "Starting Grant" als auch einem "Advanced Grant" durch den ERC gefördert wird.

Die Forscher um Thorsten Wiegand und Andreas Huth werden in den nächsten Jahren der Frage nachgehen, weshalb in ökologischen Gemeinschaften wie beispielsweise in Wäldern so viele Arten mit- und nebeneinander existieren können. Ihr Projekt SPATIODIVERSITY ("Towards a Unified Spatial Theory of Biodiversity") kombiniert dazu hohe Computerrechenleistung mit neuesten Methoden räumlicher Musteranalyse, individuenbasierten Waldsimulationsmodellen und der Modellselektionstheorie, um herauszufinden, welche Schlüsselprozesse die Artenvielfalt in Ökosystemen beeinflussen.

Der wissenschaftliche Ansatz stützt sich dabei vor allem auf die Informationen, die in der räumlichen Verteilung der Arten enthalten sind, die aber bisher kaum genutzt wurden. "Wir verfolgen einen konsequent räumlichen Ansatz, der sich deutlich von früheren Strategien unterscheidet und uns erlaubt einen großen Schritt in Richtung einer "Unified Spatial Theory of Biodiversity" zu gehen", erläutert Thorsten Wiegand. Dazu greifen die Forscher auf einen der umfangreichsten Datensätze zurück, die in der Ökologie derzeit zur Verfügung stehen. Das sind Daten aus Daueruntersuchungsflächen in tropischen Wäldern, die mehrere hundert Baumarten und mehr als 100.000 Bäume beheimaten. Alle 5 Jahre werden die Bäume in diesen Untersuchungsflächen neu vermessen.

"Das Projekt besteht aus drei Komponenten", erklärt Thorsten Wiegand, "Im ersten Schritt helfen uns neueste Techniken der räumlichen Musteranalyse, um die hochkomplexen räumlichen Strukturen der tropischen Wälder zu quantifizieren". "Gleichzeitig erstellen wir eine Palette individuenbasierter und räumlich expliziter Waldsimulationsmodelle, die von einfachen "neutralen" Modellen zu detaillierten prozessbasierten Simulationsmodellen für Wälder reichen. Dabei können wir von unseren langjährigen Erfahrungen mit Waldmodellen wie FORMIND und FORMIX3 profitieren", ergänzt Andreas Huth. Im entscheidenden dritten Schritt werden Techniken der Modellselektion angewendet, um herauszufinden, welche der Simulationsmodelle die beobachteten räumlichen Strukturen an besten wiedergeben. Besondere Herausforderungen des Projektes sind die hohe Komplexität der räumlichen Strukturen und der Interaktionen. Die umfangreichen Analysen können nur in einem großen Projekt erfolgreich angegangen werden und erfordern erhebliche Rechenleistung.

Enge Partner sind Prof. Dr. Savitri Gunatilleke und Prof. Dr. Nimal Gunatilleke (University of Peradeniya, Sri Lanka Plot), sowie Prof. Dr. Sean Thomas (University of Toronto, Malaysia Plot). Das Projekt wird unterstützt von Prof. Dr. Steven Hubbell, Dr. Richard Condit und Dr. Stuart Davis, die das vom Smithsonian Tropical Research Institute organisierte Netzwerk aus Untersuchungsflächen in tropischen Wäldern leiten. Es ist geplant, weitere Wissenschaftler einzubeziehen.


Weitere fachliche Informationen:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
PD habil. Thorsten Wiegand
Telefon: 0341-235-1714
http://www.oesa.ufz.de/towi/
und
Dr. habil Andreas Huth
Telefon: 0341-235-1719
http://www.ufz.de/index.php?de=3983
oder über
Tilo Arnhold (UFZ-Pressestelle)
Telefon: 0341-235-1635
E-mail: presse@ufz.de

Publikationen:
u.a.
Wiegand, T., Martínez, I., Huth, A. (2009):
Recruitment in tropical tree species: revealing complex spatial patterns
The American Naturalist (Nol. 174, No. 4, E-Article October 2009)
http://dx.doi.org/10.1086/605368
T. Wiegand, S. Gunatilleke, N. Gunatilleke, and A. Huth (2007).
How individual species structure diversity in tropical forests.
Proc.Nat.Acad.Sci.USA 104:19029-19033.
http://dx.doi.org/10.1973/pnas.0705621104

Weiterführende Links:
Towards a Unified Spatial Theory of Biodiversity:
http://www.thorsten-wiegand.de/towi_ERC.html

Warum leben in den Tropen so viel mehr Pflanzen- und Tierarten als im kühlen Norden?
GEO Magazin Nr. 08/09
http://www.geo.de/GEO/natur/oekologie/6142

Neue Methode zum Messen der Biodiversität - Wie individuelle Arten die Vielfalt tropischer Wälder strukturieren
(Pressemitteilung vom 15. Februar 2008) http://www.ufz.de/index.php?de=15991

Tropische Baumarten gehen sich aus dem Weg - Räumliche Muster können helfen, die hohe Artenvielfalt tropischer Wäldern zu verstehen
(Pressemitteilung vom 25. September 2007) http://www.ufz.de/index.php?de=15138

Europäischer Forschungsrat (ERC):
http://erc.europa.eu

Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg 900 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit fast 28.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 16 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 2,8 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.ufz.de/index.php?de=19003

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter der WWW-Adresse:
http://idw-online.de/pages/de/image103016
Blätterdach eines Flachland-Waldes im Sinharaja-Nationalpark auf Sri Lanka. Das Foto zeigt verschiedene
Arten in verschiedenen Stadien des Blattwachstums (hellgrün) und frühen Blüte (rosarot).

Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/pages/de/news341435

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution173


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ, Tilo Arnhold, 29.10.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Oktober 2009