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FORSCHUNG/608: In Sachen Klimawandel - Viren auf Reisen (UFZ-Spezial)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Spezial Dezember 2009: In Sachen Klimawandel

Viren auf Reisen


Durch Klimawandel, internationalen Handel und Reiseverkehr könnten neue Tierseuchen nach Deutschland kommen. Sie kennen keine Grenzen mehr. In den Zeiten der Globalisierung reisen nicht nur Menschen und Waren um die Welt, sondern auch Viren, Bakterien und krankheitsübertragende Insekten. In Touristenkoffern und Frachtcontainern, mit Tiertransporten und Pflanzenlieferungen überwinden sie mühelos die Distanzen zwischen den Kontinenten. Nicht überall, wo die blinden Passagiere ausgeladen werden, können sie sich auch verbreiten. Experten befürchten allerdings, dass der Klimawandel einigen berüchtigten Tierseuchen den Weg in neue Gebiete ebnen wird. Denn viele Erreger und ihre Überträger können sich bei wärmeren Temperaturen besonders gut vermehren.

"Auch in Deutschland stehen ein paar sehr gefährliche Krankheiten vor der Tür", sagt Dr. Hans-Hermann Thulke vom UFZ. Was passiert, wenn sie diese Tür öffnen? Den Sprung über die Grenze schaffen? Wie werden sie sich ausbreiten? Was kann man dagegen tun? Mit Computermodellen versuchen die UFZ-Forscher, diese Fragen zu beantworten. Bisher nämlich verhalten sich die wandernden Seuchen oft unberechenbar. So zum Beispiel im Fall der Blauzungenkrankheit, die vor allem für Schafe lebensbedrohlich ist. Die Wiederkäuerseuche stammt ursprünglich aus den Regionen südlich der Sahara. Doch in den letzten Jahrzehnten hat sie sich nach Norden ausgebreitet und so den Süden Europas erreicht. Die Seuchenexperten vom Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit (FLI) hatten auch damit gerechnet, dass sie irgendwann in Deutschland ankommen würde. Trotzdem war die Überraschung groß, als dann im Sommer 2006 tatsächlich Schafe ganz im Westen Deutschlands - im Raum Aachen - erkrankten. Von den mindestens 24 verschiedenen Varianten des Blauzungenvirus fand sich in diesen Tieren ausgerechnet der Serotyp 8, der in Südeuropa überhaupt nicht vorkommt. Die Seuche konnte also nicht einfach im Zuge des Klimawandels aus Italien weiter nach Norden gewandert sein. "Wie die Krankheit tatsächlich eingeschleppt wurde, wissen wir bis heute nicht"; sagt Elke Reinking vom FLI. Offenbar ist das Klima also nur ein Mosaikstein im komplizierten Bild der Seuchenwanderungen. In jedem Fall brauchen die Erreger eine günstige Reisegelegenheit sowie geeignete Überträger und Opfer am Zielort. Wenn das gegeben ist, können ihnen die steigenden Temperaturen den Vormarsch erleichtern. "All diese komplexen Zusammenhänge sind sehr schwer zu durchschauen", sagt Hans-Hermann Thulke. "Deshalb wollen wir die Ausbreitung der Blauzungenkrankheit in Mitteleuropa im Computer nachstellen, um zu untersuchen, wie Krankheiten neue Gebiete erobern". Vielleicht lassen sich ja Gesetzmäßigkeiten erkennen. Das wäre sehr nützlich, um Gegenmaßnahmen möglichst effektiv einzusetzen.

Vielleicht lässt sich dann das Schlimmste verhindern, wenn andere Krankheiten wie etwa die Afrikanische Pferdepest nach Deutschland kommen. Was ein Ausbruch dieser Krankheit anrichten kann, haben spanische Pferdehalter bereits Ende der 1980er Jahre erfahren. In den berühmten Zuchtbetrieben Andalusiens fielen damals zahlreiche Tiere dem Erreger zum Opfer. Wie die Seuche nach Spanien kam, ist inzwischen bekannt: Ein einziges infiziertes Zebra, importiert für den Zoo in Barcelona, war der Auslöser.    Kerstin Viering


BLAUZUNGENKRANKHEIT (BLUETONGUE)

Die Blauzungenkrankheit ist eine virale Infektionskrankheit bei Wiederkäuern wie Schafen und Rindern, die von Mücken übertragen wird. Der krankheitsauslösende Erreger ist das Blauzungenvirus (engl. Bluetongue virus, kurz BTV).

Bislang sind mindestens 24 verschiedene Serotypen bekannt. Den Namen verdankt die Krankheit dem auffallendsten Symptom: Die Zunge der Tiere verfärbt sich beim Krankheitsausbruch blau. Weitere Symptome sind Fieber, Ödeme, Atemnot und Geschwüre. Am häufigsten und schwersten erkranken Schafe, vor allem Lämmer. Die Erkrankung ist eine anzeigepflichtige Tierseuche. In Deutschland ist seit 2008 die Impfung für Schafe, Ziegen und Rinder verpflichtend. www.ufz.de/index.php?en=18943 (Risikobewertung zur Aufhebung der Impfpflicht gegen BTV, Serotyp 8, 2010)


UFZ-Ansprechpartner:
Dr. Hans-Hermann Thulke
Dept. Ökologische Systemanalyse
Telefon: 0341 /235-1712
e-mail: hans.thulke@ufz.de
mehr Informationen:
www.ufz.de/index.php?en= 14377


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Besonders für Schafe ist die Blauzungenkrankheit lebensbedrohlich. Für den Menschen besteht keine Ansteckungsgefahr. Fleisch und Milchprodukte können ohne Bedenken verzehrt werden.


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Quelle:
UFZ-Spezial Dezember 2009: In Sachen Klimawandel, S. 17
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Dezember 2009