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FORSCHUNG/732: "Berliner Schwarzerde" - Erbe der Indios? - Pilotprojekt der FU Berlin (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 161 - April/May 2011
Die Berliner Umweltzeitung

"Berliner Schwarzerde" - Erbe der Indios?
Pilotprojekt der FU Berlin im Botanischen Garten

Von Christoph Vinz


Ein alter Kalauer berichtet, dass jeder Gärtner in einer Gartenecke seinen Haufen mache. Denn schon seit alters her schätzen Gartenfreunde die wertvollen Produkte der Kompostierung.

Wenn allerdings aus einem überschaubaren Areal eine Fläche von mehr als 40 Hektar wird, auf der über 22.000 verschiedene Pflanzenarten wachsen, blühen und gedeihen, erreicht die klassische Kompostierung schnell ihre Grenzen.

So müssen aus dem Botanischen Garten Berlin-Dahlem jährlich rund 1.500 Kubikmeter Holz- und Pflanzenschnitt teuer entsorgt werden. Ähnlich wird die hinterlassene Notdurft aller Mitarbeiter und der jährlichen Viertelmillion an Besuchern auch zum schmerzhaften Kostenfaktor.

Nicht nur die Entsorgungskosten von rund 15.000 Euro pro Jahr waren daher Ausgangpunkt von Überlegungen, sondern auch die Tatsache, dass insbesondere die Verbrennung der vielen Pflanzenreste noch zusätzlich bis zu 600 Tonnen Kohlendioxid in die Berliner Luft bläst.


Kreislaufwirtschaft mit Umweltplus

Jetzt soll ein zunächst auf drei Jahre begrenztes Pilotprojekt Voraussetzungen schaffen, die bisher notwendigen Zukäufe an Kompost- und Fertigerden sowie anderer Zuschlagstoffe durch eine intelligente "Eigenproduktion" abzulösen. Dafür wurde ein sogenanntes Integriertes Abfall- und Humusmanagement entwickelt, und im Botanischen Garten Berlin (BGB) entsteht eine ganz neuartige Versuchsanlage.

Das Projekt, an dem außer der FU und dem BGB zwei weitere Unternehmen aus Berlin und Rüdersdorf beteiligt sind, hat folgende Zielstellungen:

- Schließung betriebsinterner, kleinräumiger Stoffkreisläufe
- Herstellung von Pflanzsubstraten
- Untersuchung der Umweltwirkungen
- Nachweis einer stabilen Dauerhumusform sowie Verbesserung der Bodenqualität
- Bilanzierung von Nährstoffen und CO2

In diesem Pilotprojekt spielt die sogenannte Terra Preta (portugiesisch: schwarze Erde) - eine anthropogene Schwarzerde - die seit langem von den Indios im Amazonasgebiet für ihren Ackerbau genutzt wird, eine zentrale Rolle. Die hochwertige Erde, Produkt einer alten bäuerlichen Kultur, besteht ursprünglich aus einer Mischung aus Holzkohle, Dung, Kompost und sogar Keramikscherben.

Holzkohle, so haben neuere wissenschaftliche Untersuchungen erwiesen, besitzt eine hohe Speicherfähigkeit, verhindert Auswaschungen von wertvollen Stoffen aus dem Boden und verbessert die Anteile pflanzenverfügbarer Stoffe.

Vergleichbar fruchtbare Schwarzerden sind in Deutschland höchstens noch als "Reliktböden" wie in der Magdeburger Börde vorhanden.

So werden Schwarzerden in Verbindung mit Holzkohle, oder eben "Terra Preta", schon als wahre Wundererde bezeichnet.

Denn diese Schwarzerde verbessert erheblich landwirtschaftlich genutzte Böden, reduziert Kohlenstoff- und Nährstoffverluste und trägt damit langfristig zur CO2-Reduzierung bei.

Das Forschungsprojekt, das die Herstellung und Verwendung der beschriebenen "Wundererde" zum Ziel hat, wird gleichzeitig mit einem innovativen Sanitärsystem verbunden. Damit planen die Wissenschaftler die Gewinnung von Stickstoff, Phosphor, Kalium und Kohlenstoffverbindungen, die künftig Grundlage für Dünger und Fermentierungsbeimischungen sein sollen.


Wundererde bald ein weiteres Wunder der Erde?

Das "Terra- Preta- Verfahren" als zentrale Komponente des Projektes soll anthropogene Schwarzerde für Pflanzsubstrate erzeugen. Eine innovative Technologie, die auf einer Milchsäurefermentation unter Nutzung von Holzkohle basiert, bringt nach einem anschließenden Vererdungsprozess den benötigten wertvollen Humus. Die hier verwendete Holzkohle soll durch Verkohlung (Pyrolyse) aus holzartigen Pflanzenabfällen gewonnen werden.

Interessant ist in dem Zusammenhang, dass bei diesem Prozess weniger Kohlenstoffverluste als bei der konventionellen Kompostierung auftreten.

Alle Beteiligten an diesem Vorhaben erhoffen in den nächsten drei Jahren das Funktionieren einer fast vollständigen Kreislaufwirtschaft mit deutlichen Emissionsreduzierungen.

Im Falle positiver Ergebnisse würde in Berlin ein hervorragendes Anschauungsobjekt entstehen, das geeignet erscheint, als Multiplikator für ähnliche Vorhaben im In- und Ausland zu dienen. Vielleicht für Fachleute sogar ein kleines Wunder der Erde!

www.terraboga.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
Unscheinbare Zutaten für die "Wundererde"
Kompost - begehrter Ausgangsstoff
Fotos: N. König, Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin-Dahlem


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Quelle:
DER RABE RALF - 22. Jahrgang, Nr. 161 - April/Mai 2011
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de

Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: 10 Euro/halbes Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Mai 2011