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FORSCHUNG/764: Dreidimensionaler Blick in den Untergrund (UFZ-Spezial)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Spezial Juni 2011: In Sachen Wasser

Dreidimensionaler Blick in den Untergrund

Von Benjamin Haerdle


Die Arabische Halbinsel gleicht beim Blick aus der Vogelperspektive größtenteils einer rötlich-braunen Einöde, anders auf der sechs mal drei Meter großen Leinwand im Visualisierungszentrum (Vislab) des UFZ in Leipzig. Wenn die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Olaf Kolditz die Rechner anwirft, schillert die saudi-arabische Halbwüste bunt. Dann tauchen die geologischen Schichten in verschiedenste Farben, stapeln sich 2000 mehrfarbige Türme als Bohrlöcher in der Wüste, durchziehen rote Linien als Grundwasserströmungen den Untergrund. Und wenn Kolditz bei einer Simulation sämtliche Brunnen auf der Halbinsel außer Betrieb nimmt, dann hebt sich der Grundwasserspiegel und die Farbe wechselt von einem satten Rot in ein Grün als Zeichen für einen ansteigenden Grundwasserstand.

Das von 13 Computern und 13 Beamern gesteuerte Vislab soll komplexe Modellierungen realitätsnah und anschaulich in 3D-Auflösung aufbereiten. Damit erleichtert es vielen Forschern die Arbeit. "Für uns ist es ein wichtiges Werkzeug, denn wir erhalten durch die 3D-Darstellung im wirklichen Sinne immer wieder neue Einsichten in komplexe Umweltsysteme", so Umweltintformatiker Kolditz. Gefördert wird zudem die interdisziplinäre Kooperation: Wenn sich Forschergruppen unterschiedlicher Fachdisziplinen zusammentun, ist es von Vorteil, Forschungsergebnisse aufbereitet zu diskutieren und auf Konsistenz zu prüfen. Ein positiver Nebeneffekt: Das Vislab vereinfacht die Kommunikation mit der Öffentlichkeit. UFZ-Forscher können auch Politikern, Journalisten oder Schulklassen im Vislab komplexe Einsichten in ihre Forschungsthemen verständlich vermitteln.

In Deutschland ist das Vislab für Umweltforschung in dieser Form einzigartig. Genutzt wird es am UFZ für die Forschung zur Stadtentwicklung, die Visualisierung von Landschaften etwa bei der Planung von Windparkanlagen oder der geotechnischen Frage, wie Kohlendioxid am besten im Boden gespeichert wird. Der Schwerpunkt liegt aber in der Wasserforschung. Das zeigt nicht nur das Beispiel der Grundwassermodellierung in Saudi-Arabien, sondern auch ein Auftrag der Pekinger Wasserwerke. Für sie soll das Team um Kolditz ein Prognosemodell entwickeln, wie sich der Nitratgehalt im Grundwasser verringert, wenn durch eine Umstellung der landwirtschaftlichen Praxis weniger Nitrat in den Boden gelangt. "In diesen virtuellen Welten können wir die unterschiedlichsten Szenarien im Ergebnis zahlreicher Modellrechnungen optisch sehr gut zeigen", sagt Kolditz.

Aber das Vislab stellt noch mehr als ein 3D-Kino für die Forschung dar. Es ist eine große Datenbank. Denn an die einzelnen visuellen Elemente sind immer Informationen gekoppelt. So lassen sich in der integrierten Modellierung unzählige Varianten und künftige Entwicklungen in realen Systemen durchspielen und gut abbilden.

Aufwändig ist bei der integrierten Modellierung nicht mehr das Programmieren. Vor höhere Hürden stellt das Forscherteam vielmehr die Fülle der Daten, welche mit modernen Erkundungsmethoden erhoben werden können. Ob die Daten die richtigen für die gewünschte Modellstudie und wie zuverlässig sie sind, sind zwei der wichtigs ten Fragen, die sich die Wissenschaftler um Kolditz immer wieder stellen müssen. Damit sie die virtuellen Welten konsistent, effizient und auch an den zunehmenden Erkenntnisgewinn angepasst analysieren können, koppeln sie unterschiedliche Modellierungsprogramme. Dazu haben sie eine komplexe numerische Modellierungsplattform geschaffen (OpenGeoSys), die vielfältige Prozessbetrachtungen für unterschiedliche Anwendungsbereiche erlaubt.

Um die Vorzüge von Computerprogrammen wie OpenGeoSys zu stärken, suchen die UFZ-Forscher nach Methoden, die die Brauchbarkeit der Modellansätze und die Genauigkeit der Simulationen testen. Kolditz und seine Mitarbeiter haben deshalb in Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Forschungseinrichtungen mehr als 100 Testbeispiele in einem Benchmark-Buch zusammengefasst. Sie wollen damit einen Qualitätsstandard schaffen, um die Präzision komplexer Berechnungsverfahren zu überprüfen. Je mehr Komplexität in den einzelnen Computerprogrammen stecke, umso anfälliger seien diese für unzweckmäßige Modellannahmen. Eine hundertprozentig genaue Darstellung der Realität gibt es nach Kolditz' Meinung nicht: "Modelle sind immer vereinfachte Abbildungen der Realität, doch sie sind die einzige Möglichkeit, um in die Zukunft schauen zu können."

UFZ-Ansprechpartner:
Prof. Dr. Olaf Kolditz
Leiter Dept. Umweltinformatik

e-mail: olaf.kolditz[at]ufz.de
mehr Informationen:
www.ufz.de/index.php?en=17257;
www.ufz.de/ data/benchmarks10817.pdf


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Quelle:
UFZ-Spezial Juni 2011: In Sachen Wasser, S. 14
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. September 2011