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FORSCHUNG/765: Den Dürren auf der Spur (UFZ-Spezial)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Spezial Juni 2011: In Sachen Wasser

Den Dürren auf der Spur

von Benjamin Haerdle


Vielen Meteorologen ist der April des Jahres 2007 noch in besonderer Erinnerung. Denn der Monat ging als Rekordmonat in die Geschichte der Wettermessung ein, weil es in Deutschland seit Aufzeichnung der Wetterdaten noch nie derart warm, trocken und sonnenreich war. Was viele Badegäste erfreute, war für Landwirte ein wirtschaftliches Desaster: Viele Jungpflanzen verdorrten, weil die Felder austrockneten. Bislang haben sich in Deutschland nur wenige Wissenschaftler diesen Dürren ausführlicher gewidmet. Einer von ihnen ist Dr. Luis Samaniego. Der Hydrologe hat am UFZ untersucht, wie viele Dürreperioden es in Deutschland seit 1950 gegeben hat und wie stark diese Trockenheiten ausgefallen sind. Das Ergebnis: In Deutschland gab es seit diesem Zeitpunkt rund 2180 Dürren in unterschiedlicher Ausbreitung und Intensität. Die längste Dürre dauerte fast drei Jahre, von August 1971 bis Juli 1974. Nahezu die Hälfte der Fläche Deutschlands war davon betroffen. Den Spitzenwert stellte eine Trockenperiode zwischen März 1959 und September 1960 auf, als zwei Drittel des Landes unter einer Dürre litten.

Entscheidend für das Auftreten einer sogenannten landwirtschaftlichen Dürre ist die Bodenfeuchte. Sie bezeichnet das Wasser, das in der Wurzelzone des Bodens durch hygroskopische und kapillare Kräfte entgegen der Schwerkraft festgehalten wird. Je nach Bodentyp und Morphologie befindet sich diese Zone zwischen 40 Zentimeter und zwei Meter unter der Erde. "Bodenfeuchte wirkt wie ein Schalter, der für die Integration von Wasser und Energie in das System von Boden, Vegetation und Atmosphäre verantwortlich ist", sagt Samaniego. Auf der einen Seite kontrolliert Bodenfeuchte den Anteil des Niederschlags, der durchsickert, abfließt oder verdunstet. Auf der anderen Seite verfügt sie über eine Art Gedächtnis, da die Bodenfeuchte Niederschlag, Verdunstung und Transpiration über Tage und Wochen speichert und darüber hinaus für die Vegetation lebensnotwendig ist. Ist der Tonanteil und damit die Anzahl der Wasser speichernden Tonminerale im Boden hoch, bleibt die Erde länger feucht. Im Unterschied dazu lassen sandige Böden Wasser stärker durchsickern und trocknen so leichter aus. Wie hoch die Bodenfeuchte ist, hängt aber vor allem von Niederschlag und Temperatur ab. "Die Wetterlagen sind für die Dürren verantwortlich", folgert Samaniego.

Regional fallen die Dürren in Deutschland sehr unterschiedlich aus. Besonders lange hielten sich die Trockenheiten in den vergangenen 60 Jahren in Sachsen und Sachsen-Anhalt, stellte der UFZ-Forscher anhand eines von ihm entwickelten Bodenfeuchte-Index fest. Warum gerade diese beiden Bundesländer oft zu leiden hatten, ist wissenschaftlich noch nicht vollständig erschlossen. Als mögliche Gründe dafür macht Samaniego unter anderem morphologische Besonderheiten wie die Zusammensetzung der Böden sowie die ungünstige geografische Lage in der niederschlagsarmen Windschattenseite des Harzes aus. Im Unterschied dazu erwies sich Baden-Württemberg unter allen Bundesländern am wenigsten anfällig für Dürren. Zurückzuführen ist das nach Meinung von Samaniego am ehesten auf überdurchschnittlich hohe Niederschläge im von vielen Gebirgen geprägten Süden Deutschlands. Doch der Blick zurück in die Vergangenheit ist nur ein Ziel des Forschungsprojekts, dem sich der 45-jährige UFZ-Forscher seit 2006 mit seiner Arbeitsgruppe widmet. Sie wollen mit ihrem Modell auch präzise vorhersagen können, welche Regionen in Deutschland künftig unter bestimmten Voraussetzungen verstärkt mit extremen Trockenheiten rechnen müssen. "Die Vermutung liegt nah, dass wir wegen des Klimawandels nicht nur mehr, sondern auch längere und härtere Dürren erleben", sagt Samaniego. Um das herauszufinden, will er als Input-Simulationen eines Klimamodells nutzen, an dem momentan Forscher des Karlsruher Institute of Technology arbeiten.

Profitieren können von Samaniegos Untersuchungen vor allem Landwirte. Sie können so besser einschätzen, ob ihre Agrarflächen in dürregefährdeten Gebieten liegen und ob sie künftig womöglich besser auf künstliche Bewässerungsanlagen setzen sollten, um Ernteausfälle zu verhindern. Der UFZ-Hydrologe sieht sich mit seiner Forschung aber erst am Anfang. Vieles sei noch ungelöst, sagt er. Was sind Ursachen von Dürren? Ist das Auftreten von Dürren an die Verteilung von Hoch- und Tief-Druck-Gebieten gekoppelt? Nur zwei von vielen Fragen, auf die Samaniego baldmöglichst Antworten finden möchte.

UFZ-Ansprechpartner:
Dr. Luis E. Samaniego-Eguiguren
Dept. Hydrosystemmodellierung

e-mail: luis.samaniego[at]ufz.de
mehr Informationen: www.ufz.de/index.php?en=1397


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

September 1971
Juni 1971
Januar 1972

Die drei Bilder zeigen einen Ausschnitt der Dürreentwicklung in Deutschland Anfang der 1970er Jahre. Immer mehr Landesteile litten mit einem Bodenfeuchte-Index (SMI) ≤ 0,2 unter extremer Trockenheit.


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Quelle:
UFZ-Spezial Juni 2011: In Sachen Wasser, S. 13
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. September 2011