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FORSCHUNG/770: Pflanzen schaffen sich Wasservorrat im Boden (UFZ)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Pressemitteilung, 15. September 2011

Pflanzen schaffen sich Wasservorrat im Boden

von Paul Piwnicki/Tilo Arnhold


Experimente am Paul Scherrer Institut zeigen, dass es um die Wurzeln einer Pflanze einen Bereich mit erhöhter Wasserkonzentration gibt.

Villigen/Halle. Dass Wurzeln den Boden in ihrer nächsten Umgebung verändern, ist lange bekannt - hier leben andere Mikroorganismen, und auch die chemische Zusammensetzung ist anders als weiter weg von der Wurzel. Nun hat ein internationales Forschungsteam in Experimenten am Paul Scherrer Institut gezeigt, dass der Boden in der Nähe der Wurzel auch mehr Wasser enthält - entgegen bisherigen Vorstellungen, dass es dort weniger Wasser geben müsste, weil die Pflanze dem Boden das Wasser entzieht. Offenbar legen sich die Pflanzen aber einen kleinen Wasserspeicher an, der ihnen über kürzere Trockenperioden hinweghelfen kann. Diese Erkenntnisse könnten langfristig bei der Zucht von Pflanzen helfen, die besser mit Trockenheitsperioden zurechtkommen oder die Entwicklung von effizienten Bewässerungssystemen unterstützen. Die Ergebnisse wurden durch Experimente mit Neutronentomografie am Paul Scherrer Institut möglich - einem Verfahren, mit dem die Verteilung des Wassers auf Bruchteile eines Millimeters genau gezeigt werden kann, ohne dass die Pflanze aus dem Boden genommen werden müsste. Ihre Ergebnisse haben die Forschenden in der renommierten Zeitschrift New Phytologist veröffentlicht.

"Die Frage, wie Pflanzen Wasser aufnehmen, ist nicht nur für die Entwicklung von neuen, wassereffizienten Pflanzensorten relevant, sondern auch für die Verbesserung von Klimamodellen", erklärt Sascha Oswald vom Institut für Erd- und Umweltwissenschaften der Universität Potsdam. "Denn mehr als die Hälfte allen Wassers, das durch Niederschläge auf die Erde fällt, wird von Pflanzen aufgenommen und gelangt durch die Pflanzen hindurch wieder in die Atmosphäre." In einem Forschungsprojekt am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) haben sich mehrere Forscher zusammengefunden, um zu zeigen, was genau an der Stelle geschieht, an der die Pflanze das Wasser über die Wurzel aufnimmt. "Pflanzen nehmen Wasser aus dem Boden über die feinen, einige Millimeter dünnen Wurzeln auf - die dickeren Wurzeln dienen eher als Pipelines, die das Wasser weiterleiten. Wir wollen die Wasserverteilung um diese Wurzeln herum verstehen", erklärt Ahmad Moradi von der University of California Davis.

Neutronen zeigen Wassergehalt, ohne die Pflanzen zu stören "Die entscheidenden Vorgänge geschehen hier im Maßstab von einigen Millimetern. Damit wir nicht das Entscheidende verpassen, brauchen wir also ein Verfahren, das Details zeigt, die kleiner sind als ein Millimeter. Und das man einsetzen kann, ohne die Pflanze aus dem Boden zu nehmen", erläutert Moradi die technische Herausforderung. Die passende Methode fanden die Forscher in der Neutronentomografie am Paul Scherrer Institut. Hier haben sie die Pflanzen mitsamt umgebender Erde mithilfe von Neutronen durchleuchtet. Mit diesen Teilchen kann man ähnlich wie mit Röntgenstrahlen in das Innere von verschiedenen Objekten sehen, es werden aber andere Aspekte sichtbar. So bilden Neutronen Wasser besonders deutlich ab, während Metall oder Sand für sie fast durchsichtig sind. "Wurzeln bestehen zu 90 Prozent aus Wasser. Wenn man sie oder die Wasserbewegung im Boden untersuchen will, sind Neutronen das bessere Werkzeug als Röntgenstrahlen", betont Moradi.

So konnten die Forschenden ein genaues dreidimensionales Bild der Wasserverteilung um die Wurzeln erzeugen und feststellen, wie viel Wasser sich an verschiedenen Stellen im Boden befand. "Für diese Messung wurde die Mikroskopie-Option der Anlage genutzt, so dass man Bilder mit einer Auflösung von 20 Bildpunkten pro Millimeter erzeugen konnte. So war es möglich, das Wasser mit der nötigen Genauigkeit sichtbar zu machen", erklärt Eberhard Lehmann, dessen Gruppe die Anlagen am PSI betreibt. "Wir haben drei Messplätze, an denen wir Bilder mit Neutronen erzeugen können - jeder mit anderen Eigenschaften. So konnten wir verschiedene Optionen für das Experiment ausprobieren. Ein großer Vorteil der PSI-Anlagen ist auch, dass sie rund um die Uhr in Betrieb sind und man so die Pflanzen über einen gesamten Tag-Nacht-Zyklus beobachten konnte." Das PSI ist in der Schweiz die einzige Einrichtung, an der Neutronen für die Forschung verfügbar sind.


Mehr Wasser an der Wurzel

Resultat der Untersuchungen ist, dass der Boden in einem Bereich von einigen Millimetern um die Wurzel rund 30 Prozent mehr Wasser enthält als der restliche Boden. Dass die Wurzel ihre unmittelbare Umgebung deutlich verändert, ist bereits länger bekannt. In dieser sogenannten Rhizosphäre leben deutlich mehr Mikroorganismen als anderswo, weil sie hier von organischen Ausscheidungen der Wurzeln profitieren können. "Aufgrund der Wasseraufnahme durch die Wurzeln hat man bisher ganz selbstverständlich angenommen, dass der Wassergehalt in der Nähe der Wurzel kleiner ist als in größerer Entfernung und dass das Wasser dann entlang eines Gradienten in Richtung Wurzel fließt", sagt Hans-Jörg Vogel vom Department Bodenphysik am UFZ. Die Experimente widerlegen nun diese Vorstellung, und zwar für alle drei untersuchten Pflanzenarten, nämlich Mais, Lupine und Kichererbse.


Wasservorrat für schlechte Zeiten

"Über die Frage, wie sich die Wasserkonzentration um die Wurzeln herum erhöht, können wir erstmal nur spekulieren. Vermutlich ist eine gallertartige Substanz, die die Wurzel aussondert, verantwortlich. Diese Substanz kann das 10'000-fache ihres Trockengewichts an Wasser binden. So könnte sich die Pflanze einen Vorrat für kurze Trockenperioden schaffen", erklärt der Bodenphysiker Andrea Carminati von der Universität Göttingen. Auch wenn dieser Vorrat nicht für lange Dürreperioden reicht, könnte er helfen, eine Periode von bis zu 12 Stunden zu überbrücken, in der die Pflanze sonst von einer Wasserzufuhr abgeschnitten ist. "Wenn man an die praktische Anwendungen dieser Ergebnisse denkt, so könnten sie helfen, Pflanzen zu züchten, die Trockenzeiten besser standhalten. Man könnte auch lernen Pflanzen gerade so zu bewässern, dass sie keinen Schaden durch Trockenheit nehmen", ergänzt Sascha Oswald.


Das Projekt

Das Forschungsprojekt wird von Forschern des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung - UFZ, der University of California Davis, der Universität Potsdam und der Universität Göttingen betrieben, die zuvor gemeinsam am UFZ gearbeitet haben. Die dargestellten Experimente wurden am Paul Scherrer Institut PSI (Villigen, Schweiz) durchgeführt und von PSI-Wissenschaftlern betreut.


Links:
http://www.ufz.de/index.php?de=22115 http://www.psi.ch/media/pflanzen-schaffen-sich-wasservorrat-im-boden

Kontakt:

Prof. Dr. Hans-Jörg Vogel,
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ,
Department Bodenphysik
06120 Halle, Deutschland
Telefon: +49 345 558 5403
http://www.ufz.de/index.php?de=6171
oder
Tilo Arnhold
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: +49 341 235-1635
http://www.ufz.de/index.php?de=640


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Über das UFZ

Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg 1000 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.


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Quelle:
UFZ-Pressemitteilung, 15.09.2011
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Tilo Arnhold
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. September 2011