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FORSCHUNG/778: Pilze als Sanierungskünstler (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter August 2011

Pilze als Sanierungskünstler

von Tilo Arnhold


Die "Holzfäule" ist der Alptraum aller, die mit Holz zu tun haben - egal, ob Förster, Denkmalschützer oder Kleingärtner. Dabei fault das Holz nicht durch die Feuchtigkeit, sondern durch Pilze, die sich darauf spezialisiert haben, Bestandteile des Holzes abzubauen. Gelagertes Holz ist nicht mehr verkäuflich, Dachbalken werden morsch und Obstbäume gehen ein. Die Pilze, die das verursachen, sind buchstäblich "Allesfresser". In Millionen von Jahren haben sie es gelernt, organische Verbindungen umzuwandeln und deren Energie zum Leben zu nutzen. "Das Lignin im Holz zum Beispiel hat eine sehr unspezifische Struktur. Diese mit spezifischen Enzymen aufzuknacken, funktioniert nicht", erklärt UFZ-Professor Hauke Harms. "Pilze haben daher eine Art Breitbandmechanismus entwickelt, der es ihnen erlaubt, mit allen möglichen chemischen Verbindungen klar zu kommen." Was beim Holz großen Schaden anrichtet, könnte aber helfen, viele Umweltprobleme zu lösen. Denn Pilze bauen auch allerlei andere Stoffe ab, wie zum Beispiel Sprengstoffe, Pestizide oder Farbstoffe im Abwasser von Färbereien. Selbst Insektizide wie das schwer abbaubare Endosulfan zählen dazu.

Überhaupt sind die Möglichkeiten, die Pilze für die Umweltsanierung bieten könnten, bisher stark unterschätzt worden. Das denken zumindest die drei Mikrobiologen des UFZ, die kürzlich einen ihrer Artikel im Fachjournal Nature Reviews Microbiology mit dem Titel "Ungenutztes Potenzial" überschrieben. Bakterien spezialisieren sich nur dann auf einen Schadstoff, wenn es sich für sie lohnt - sprich, wenn Alternativen knapp werden, der Schadstoff aber ausreichend vorhanden ist. Pilze dagegen machen sich ziemlich wenig wählerisch über Schadstoffe her, an denen sich andere die Zähne ausbeißen. Da ihr Überleben außerdem von sehr niedrigen Schadstoffkonzentrationen nicht infrage gestellt wird, könnten sie in Zukunft helfen, sogenannte Mikroverunreinigungen zu beseitigen. "Im Rahmen des EU-Projektes MINOTAURUS untersuchen wir daher, ob und wie Wasserpilze unerwünschte Verbindungen mit Hormon-Wirkung sowie Pharmaka-Reststoffe im Abwasser von Kläranlagen abbauen. Ziel könnten modulare Lösungen sein, also eine Nachklärstufe, die die noch verbliebenen Spurenstoffe beseitigt", beschreibt Dr. Dietmar Schlosser die Idee der Forscher. Eine weitere denkbare Einsatzmöglichkeit von Pilzen stellt die Nachbehandlung von Rückständen aus der Biogasproduktion dar. Ließen sich diese mit Pilzen weiter aufschließen, könnten sie unter Umständen nochmals eingesetzt werden und den Energieertrag der Anlagen steigern.

Auch bei der biologischen Bodensanierung wurden die preiswerten Helfer bisher oft übersehen. Dabei sind Pilzgeflechte die größten Lebewesen der Erde. Ein Organismus kann sich mit bis zu 45 Tonnen Trockengewicht pro Hektar über mehrere Hektar erstrecken. Sie funktionieren dabei wie ein feingliedriges Autobahnnetz, das nicht nur Bakterien erlaubt, sich im Boden zu bewegen, sondern auch Nährstoffe, Wasser und selbst Schadstoffe transportiert. "Pilze helfen dabei, Stoffe bioverfügbar zu machen. Das ist die Voraussetzung für jeden Abbauprozess", berichtet Dr. Lukas Y. Wick. "Außerdem wachsen sie in die Bodenaggregate hinein und sprengen diese auf." Daher sollten sie genug Zeit haben, ungestört zu wachsen. Pilze zu fördern, heißt daher, ihnen genug Substrat zu geben, eine feuchte Umgebung zu bieten und den Boden dann unangetastet zu lassen. Aus Sicht des Mikrobiologen sind Pilze ideal zur Sanierung großflächig kontaminierter Standorte, für die ausreichend Zeit zur Verfügung steht, weil keine akute Gefährdung von ihnen ausgeht. Zusammen mit der ERGO Unweltinstitut GmbH in Dresden wollen die UFZ-Wissenschaftler daher im Rahmen des von der Sächsischen Aufbaubank geförderten Projektes "PILZNETZWERKE" den Einsatz von Pilzen zur Sanierung mineralölverschmutzter Gebiete untersuchen. Dazu müssen sie herausfinden, welche Pilze und welche Bakterien dort vorhanden sind und wie diese bei ihrer Arbeit unterstützt werden könnten.

"Passive Sanierungstechniken, die mit Pilzen arbeiten, werden künftig an Bedeutung gewinnen. Deshalb gibt es eine Menge Gründe, mehr über die Wirkungsweise der Pilze herauszubekommen und sie in Umwelttechnologien zu integrieren", argumentiert Hauke Harms. Bisher sind gerade knapp 100.000 von geschätzten 1,5 Millionen Pilzarten überhaupt bekannt, von deren Eigenschaften und Fähigkeiten einmal ganz zu schweigen.

UFZ-Ansprechpartner:
Dr. Dietmar Schlosser, Dr. Lukas Y. Wick
Dept. Umweltmikrobiologie

e-mail:
dietmar.schlosser[at]ufz.de; lukas.wick[at]ufz.de

mehr Informationen:
www.ufz.de/biogas-microbiology;
www.ufz.de/index.php?de=13350


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Fadenförmige Zellen des Pilzes Pythium ultimum. Die Zellen wurden mit dem roten Membran-Farbstoff FM4-64 angefärbt und mittels konfokaler Laser-Scanning-Mikroskopie sichtbar gemacht. Foto: Susan Foß, Dr. Thomas R. Neu/UFZ


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Quelle:
UFZ-Newsletter August 2011, Seite 5
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Oktober 2011