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FORSCHUNG/808: Nützliche Helfer für Biogasanlagen gesucht (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter Februar 2012

Nützliche Helfer für Biogasanlagen gesucht

von Kerstin Viering



Die Idee hinter einer Biogasanlage ist eigentlich ganz einfach: Man steckt Pflanzenmaterial, Gülle oder andere organische Substanzen hinein und lässt das Ganze unter Luftabschluss von Bakterien abbauen. Dabei entsteht ein Gemisch aus Methan und anderen Gasen, das sich zur Strom- und Wärmegewinnung oder auch als Fahrzeugantrieb eignet. Was aber geht in einer solchen Anlage genau vor sich? Welche Mikroorganismen leben darin, wie arbeiten sie bei der Gasproduktion zusammen? Und wie kann man sie zu Höchstleistungen antreiben? Mit solchen Fragen beschäftigen sich Dr. Sabine Kleinsteuber und ihre Kollegen vom Department Bioenergie des UFZ.

Im Jahr 2010 waren in Deutschland knapp 6.000 Anlagen zur Biogasproduktion in Betrieb. "Viele davon liefern aber noch nicht die optimale Ausbeute", erklärt Sabine Kleinsteuber. Offenbar fühlen sich die Mikroorganismen darin noch nicht wirklich wohl. So vergären bestimmte Arten die Biomasse in den Anlagen zunächst zu organischen Säuren. Passiert das zu schnell, weil sehr viel Material in kurzer Zeit umgesetzt wird, kommt es zu einer Übersäuerung. Dieses saure Milieu aber hemmt andere Arten, etwa methanogene Bakterien, die für den letzten Schritt der Gasproduktion zuständig sind. Also könnte es günstig sein, die eigentliche Methanproduktion räumlich von den vorher stattfindenden Abbauprozessen zu trennen. Solche kniffligen Probleme der Gestaltung und Steuerung von Biogasanlagen versuchen die Leipziger Mikrobiologen in Zusammenarbeit mit Ingenieuren des Deutschen BiomasseForschungsZentrums (DBFZ) in Leipzig zu lösen.

Es geht den Forschern aber nicht nur darum, die Anlagen optimal zu gestalten, sie suchen auch nach Mikroorganismen, die in Biogasanlagen derzeit noch keine Rolle spielen. In Thermalseen fahnden sie zum Beispiel nach Arten, die Biomasse bei besonders hohen Temperaturen abbauen können. Vielleicht lässt sich mithilfe solcher Überlebenskünstler ja auch die Gasgewinnung bei höheren Temperaturen und entsprechend besserer Ausbeute durchführen.

Andere Spezialisten der Mikroben-Welt könnten auch das Spektrum der Materialien erweitern, die für die Gasproduktion infrage kommen. In Deutschland arbeiten Biogasanlagen bisher vor allem mit Maissilage. Nahrungspflanzen wie Mais und Getreide zur Energiegewinnung zu nutzen, gerät allerdings immer mehr in die Kritik. Die Erzeugung von Biogas dürfe nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion stehen, forderte beispielsweise der 2011 von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Bericht der Ethikkommission "Sichere Energieversorgung". Und nach der Novelle des Erneuerbare Energien Gesetzes vom 30. Juni 2011 sollen die Anlagen künftig weniger Mais, dafür aber mehr Gülle, Abfälle sowie Gras und Gestrüpp aus der Landschaftspflege verarbeiten.

Das klingt zwar gut, hat in der Praxis aber seine Tücken. "Materialien wie Stroh oder andere Reststoffe aus Land- und Forstwirtschaft enthalten große Mengen Lignocellulose", erläutert Sabine Kleinsteuber. Das ist eine Art natürlicher Verbundwerkstoff aus Lignin, Cellulose und Hemicellulose, mit dem verholzte Pflanzen ihre Zellwände stabilisieren. Unter den sauerstofffreien Bedingungen eines Biogasreaktors können Bakterien diese Substanz nur schlecht abbauen. Also versuchen die Wissenschaftler, nützliche Helfer für eine Vorbehandlung des Materials zu rekrutieren. Diese sollen die Lignozellulose zunächst in Anwesenheit von Sauerstoff aufbrechen und so für den weiteren Abbau vorbereiten.

Die Forscher wissen auch schon, wo sich die Suche nach solchen Mikroorganismen lohnen könnte. In den letzten Jahren hat das UFZ zum Beispiel eine große Sammlung von Pilzen zusammengetragen, die Laub und andere Biomasse in Flüssen und Seen zersetzen. Diese Wasserbewohner haben interessante Talente. Mit bestimmten Enzymen wie Laccasen und Peroxidasen können sie zum Beispiel sehr effektiv Schadstoffe abbauen. Oder eben Lignin. In ihrer Sammlung haben die Mikrobiologen bereits elf aquatische Pilzstämme gefunden, die auf Weizenstroh wachsen. Als nächstes wollen sie nun testen, ob deren Einsatz die Biogasausbeute steigern kann. Doch die Hoffnungen der Forscher ruhen nicht allein auf Pilzen. Auch im Darm von holzfressenden Käferlarven und Schaben könnten sich nützliche Mikroorganismen für die Vorbehandlung von Stroh verbergen. Die Natur scheint noch etliche Tricks auf Lager zu haben, die für die Gewinnung von Bioenergie interessant sein könnten. Sie hatte schließlich Millionen Jahre Zeit, um die entsprechenden Abbauprozesse immer weiter zu verbessern.

UFZ-Ansprechpartnerin:
Dr. Sabine Kleinsteuber
Dept. Bioenergie

e-mail: sabine.kleinsteuber[at]ufz.de

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Quelle:
UFZ-Newsletter Februar 2012, Seite 4
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. April 2012