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FORSCHUNG/816: Chance vertan - Bundestag lehnt Stärkung der Taxonomie ab (idw)


Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland - 14.05.2012

Chance vertan: Bundestag lehnt Stärkung der Taxonomie ab



(Berlin, 14. Mai 2012) Der Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin (VBIO e.V.) bedauert, dass sich die Abgeordneten des Deutschen Bundestages am 10. Mai gegen eine Stärkung der taxonomischen Forschung und Lehre ausgesprochen haben. Damit wurde die Chance vertan, durch die Unterstützung von Ausbildung, Forschung und Infrastrukturen und die Schaffung beruflicher Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs diese für den Erhalt und Erforschung der Biodiversität so wichtige Disziplin zukunftsfähig zu machen.

Als nicht hilfreich hat sich nach Ansicht des Biologenverbandes erwiesen, dass der vorliegende Antrag zur Förderung der Taxonomie ohne Not in Verbindung gebracht wurde mit der Unterrichtung durch die Bundesregierung zur Nationalen Forschungsstrategie Bioökonomie 2030. Eine vertiefende Diskussion des eigentlich zentralen Antragsgegenstandes - der Taxonomie -war vor diesem Hintergrund kaum möglich.

Besonders bedenklich erscheint dem Biologenverband das in den Beratungen des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung geäußerte Argument, der Antrag sei nicht Ziel führend, da er eine Einzeldisziplin hervorhebe, und dabei einen ganzheitlichen Ansatz vermissen lasse. Das Gegenteil ist der Fall: Der Antrag zur Stärkung der Taxonomie ist eingebettet in die Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt der Bundesregierung von 2008 und präzisiert diese. Die Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt benennt sowohl im Bereich der "konkreten Visionen" als auch in Hinblick auf Handlungsziele und konkrete Maßnahmen explizit die Notwendigkeit, die Taxonomie zu stärken. Vor dem Hintergrund der geplanten Etablierung des Weltbiodiversitätsrates (IPBES) in Bonn, um den sich die Bundesregierung bemüht hatte, sollte die dazu erforderliche Wissenschaft, die den Zustand der Artenbestände weltweit dokumentieren kann, nicht ausgebremst sondern vielmehr gefördert werden, um die Glaubwürdigkeit der deutschen Bewerbung zu unterstreichen. Ohne harte Daten kann der Biodiversitätsrat keine ernst zu nehmenden Empfehlungen erarbeiten.

"Wenn sich negative Entwicklungen in einem Teilbereich wie der Taxonomie abzeichnen, ist es sinnvoll und notwendig, rechtzeitig mit Gegenmaßnahmen zu reagieren" mahnt Prof. Dr. Wolfgang Nellen, Präsident des VBIO. Aus Sicht des VBIO ist rasches Handeln erforderlich, um die Taxonomie zu stärken, damit sie ihrer grundlegenden Bedeutung für Erforschung, Nutzung und Schutz der Biodiversität auch zukünftig nachkommen kann. Um die Weitergabe des vorhandenen taxonomisches Wissen an zukünftige Nachwuchswissenschaftler zu verbessern, hat der VBIO bereits im Jahr 2008‍ ‍die Taxonomie-Initiative initiiert, die die Einrichtung von zehn Stiftungsprofessuren fordert (http://www.taxonomie-initiative.de).

Hintergrund:
Die Taxonomie ist die Wissenschaft, die dem Erkennen und Unterscheiden von Arten in der Tier- und Pflanzenwelt dient. Die Experten sind in der Lage, den Artenbestand in Naturschutzgebieten zu beschreiben sowie die Gefährdung, geographische Verbreitung und Verwandtschaft der Arten zu dokumentieren. Angesichts der weltweiten Vernichtung von Lebensräumen und der daraus resultierenden Biodiversitätskrise wird die Taxonomie dringend benötigt, um biologische Ressourcen und die Lebensqualität für künftige Generationen von Menschen zu bewahren. Da die Taxonomie an den Hochschulen fast ausgestorben ist, wird nach Maßnahmen gesucht, diese Wissenschaft zu erhalten.
Die korrekte Artbestimmung ist Grundlage jeder wissenschaftlichen Beschäftigung mit einem Organismus ebenso wie jeglicher Bestrebungen zur Nutzung oder auch zum Schutz von Arten. Die Taxonomie trägt ihren Teil dazu bei. Dennoch führt die Taxonomie ein wissenschaftliches Schattendasein, wie auch die Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt bemängelt (S. 16). Die Anzahl der Experten für verschiedene Artengruppen hat ebenso abgenommen wie die der Lehrstuhlinhaber an den Hochschulen. Unzureichende Lehrangebote und unsichere Zukunftsperspektiven für Nachwuchswissenschaftler schwächen die Disziplin zusätzlich.

Weitere Informationen:
Dr. Kerstin Elbing,
Ressort Wissenschaft und Gesellschaft des VBIO:
Telefon: 030-27891916, E-Mail:elbing[at]vbio.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.taxonomie-initiative.de
http://www.vbio.de

Die gesamte Pressemitteilung erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/de/news477398
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1163

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland
e.V., Dr. Kerstin Elbing, 14.05.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Mai 2012