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FORSCHUNG/884: Entwicklung von Biosensoren - Passende Teile finden und binden (UFZ-Spezial)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Spezial Oktober 2012: Chemikalien in der Umwelt

Passende Teile finden und binden

von Gundula Lasch



Weltweit sterben jedes Jahr mehrere Millionen Menschen an Krankheiten, die durch verunreinigtes Wasser übertragen werden. Besonders dramatisch ist die Situation in wasserarmen Ländern. Aber auch hierzulande verunsichern Nachrichten wie die Verunreinigung von Trinkwasser in Thüringen mit E. coli-Bakterien oder Krankheits- und Todesfälle durch ungeklärte Infektionen in Krankenhäusern die Bevölkerung. Um herauszufinden, welche Verunreinigungen dafür verantwortlich sind, sind meist noch sehr zeit- und kostenaufwendige Labormethoden notwendig. Zeit und Kosten - zwei Faktoren, auf die es wie so oft ankommt - hat Dr. Beate Strehlitz bei ihrer Forschung im Blick: Sie entwickelt mit ihrer Arbeitsgruppe Biosensoren, mit denen einfach, kostengünstig, schnell und trotzdem sicher gemessen werden kann, ob Trinkwasser oder ein anderes Lebensmittel genießbar ist oder nicht.

Biosensoren sind Messsysteme, die eine biologische Erkennungsreaktion zwischen dem zu messenden Zielmolekül - z.B. dem Schadstoff - und einem entsprechenden biologischen Rezeptor in ein elektronisch verwertbares Signal umwandeln. Das ist grundsätzlich nicht neu. Bei der Blutzuckerbestimmung bei Diabetikern oder bei der Messung von Laktatwerten im Blut von Sportlern haben sich Biosensoren bereits fest etabliert. Während das Herzstück dieser Sensoren jedoch meist Enzyme oder Antikörper sind, werden für Schadstoffe wie pathogene Mikroorganismen oder Reststoffe aus Arzneimitteln und Antibiotika aus der Tiermast stabilere Rezeptoren gebraucht. Aptamere, vereinfacht übersetzt mit "passende Teile" (lat. aptus = passend, griech. meros = Teil), können eine Lösung sein. Das sind Einzelstrang-DNA oder RNA-Nukleinsäuren, die aufgrund ihrer spezifischen dreidimensionalen Struktur eine sehr starke Bindung mit ihrem Zielmolekül eingehen können. Wie ein Schlüssel in sein Schloss passt die 3D-Struktur des Aptamers an spezifische Bindungsstellen ganzer Zellen, bakterieller Gifte, Proteine oder aus nur wenigen Atomen bestehender Moleküle. "Wir suchen für definierte Zielmoleküle die passenden Aptamere - das funktioniert so ähnlich wie eine Partnervermittlung, allerdings mit einer unüberschaubar großen Datenbank", erklärt Beate Strehlitz augenzwinkernd. Es wird also die "Stecknadel im Heuhaufen" gesucht, indem mittels eines gezielten evolutiven Verfahrens im Reagenzglas die besten Bindungspartner aus einer großen Vielfalt von Nukleinsäuremolekülen - es sind 1015 - herausgesucht und angereichert werden. Einmal entwickelt, erfolgt die Herstellung der Aptamere mittels chemischer Synthese. Dabei können Modifikationen für bestimmte Eigenschaften wie Stabilität, Immobilisierbarkeit und Nachweisbarkeit "eingebaut" werden. Beate Strehlitz und ihr Team wollen aber mehr als nur das Aptamer. Ihr Ziel ist eine Art Aptamer-Toolbox, die Methoden zur Aptamerentwicklung, fertige Aptamere sowie Sensorund Assayprinzipien - also praktikable Geräte - bietet, vornehmlich für Anwendungen in der Umweltanalytik.

Aktuell arbeitet die Forschungsgruppe vor allem an Aptameren für Pharmaka und Pathogene. Bereits patentiert wurde ein selektiertes Aptamer für das Aminoglycosid-Antibiotikum Kanamycin A, das vorwiegend in der Tierzucht eingesetzt wird. Gefunden wurden auch Aptamere zum Nachweis von Ofloxacin und Ciprofloxacin, Antibiotika, die in der Humanmedizin häufig bei Harnwegsinfektionen verschrieben werden.

Bei dem Projekt geht es aber nicht nur darum, die Arzneimittel nachzuweisen, sondern aus Abwässern zu entfernen. Denn in Kläranlagen werden Pharmaka oft nur sehr schlecht abgebaut, gelangen so in die Umwelt und über Trinkwasser und Nahrung bis zum Menschen. Die winzigen Mengen sind für den Menschen zunächst einmal unbedenklich. Die langfristige Wirkung auf die Gesundheit ist allerdings noch unklar. Was man aber weiß, ist, dass Antibiotika in der Umwelt Resistenzen in Bakterien erzeugen können. Konkrete Gefahr droht dann, wenn der Mensch mit resistenten Bakterien in Kontakt kommt, z.B. über infizierte Lebensmittel oder im Krankenhaus. Antibiotika-Aptamere könnten in solchen Fällen lebensrettende Erkennungselemente sein, mit denen die gefährlichen Arzneimittelreststoffe nachgewiesen und angereichert werden, um sie anschließend zu entfernen. Damit es aber am besten gar nicht so weit kommt, empfehlen die UFZ-Forscher, den Antibiotika-Einsatz zu begrenzen und damit den Eintrag in die Umwelt zu minimieren.

UFZ-Ansprechpartnerin:
Dr.-Ing. Beate Strehlitz
Dept. Umwelt- und Biotechnologisches Zentrum (UBZ)

e-mail: beate.strehlitz[at]ufz.de

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Quelle:
UFZ-Spezial Oktober 2012: Chemikalien in der Umwelt, S. 22
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Januar 2013