Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → FAKTEN

FORSCHUNG/888: Schadstoffabbau - Wechselspiel von Experiment und Modell (UFZ-Spezial)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Spezial Oktober 2012: Chemikalien in der Umwelt

Wechselspiel von Experiment und Modell

von Nicole Silbermann



Bei der Sanierung kontaminierter Böden spielen Mikroorganismen eine wichtige Rolle. Die Substanzen, die in unseren Augen Schadstoffe sind, dienen Bakterien als Nahrungsquelle. Auf diese Weise helfen sie beim Abbau von Schadstoffen und fungieren als Ökosystemdienstleister. Doch klappt das leider nicht immer und überall - die Voraussetzungen im Boden müssen stimmen und die Bakterien benötigen Zugang zu ihrer Nahrung. So kann schon allein eine winzige Luftpore von wenigen Mikrometern Durchmesser ein unüberwindbares Hindernis darstellen. "Bakterien sind in ihrer Bewegung an Flüssigkeitsfilme gebunden", erklärt der Umweltmikrobiologe und Chemiker Dr. Lukas Y. Wick. "Auch wenn die Nahrungsquelle - in dem Fall der Schadstoff - zum Greifen nah erscheint: Ist kein direkter Zugang vorhanden, müssen sie hungern."

Doch die Helfer in der Not sind nicht weit: In einem reich verzweigten, dichten Geflecht durchziehen Pilze mit ihren fädigen Strukturen, den so genannten Hyphen, weiträumig den Boden. Die Hyphen sind von einer Schleimschicht umgeben, auf der sich Bakterien wie auf einer Autobahn fortbewegen können ('fungal highway'). Auf diese Weise gelangen sie zu den Stellen im Boden, wo es Nahrung für sie gibt. Da Pilzhyphen in der Lage sind durch Luftporen hindurchzuwachsen, bauen sie für die Bakterien Brücken durch unwegsames Gelände. Doch die Pilze bringen die Bakterien nicht nur zu den Schadstoffen hin, sie können Schadstoffe auch selbst transportieren: Innerhalb ihres Zellplasmas pumpen sie die Schadstoffe in ihrem riesigen Netzwerk quer durch den Boden und machen sie so für weitere Bakterien verfügbar ('fungal pipeline').

Die Infrastruktur erscheint optimal. Doch nicht alle Mikroorganismen können Schadstoffe verwerten, nicht immer stimmen die Umweltbedingungen und nicht alle Bakterien kommen gleich gut mit Pilzen zurecht, da Pilze auch Antibiotika absondern. "Wir sind auf der Suche nach besonders effektiven Bakterien-Pilz-Kombinationen mit dem Ziel, diese in Zukunft unter Herstellung idealer Bedingungen für ihr Wechselspiel in der Praxis stimulieren zu können", erklärt Lukas Y. Wick.

Auf der Suche nach dem Traumpaar arbeitet er eng mit Dr. Thomas Banitz zusammen, der als Mathematiker einen ganz anderen Blick auf das System mitbringt. Er schaut aus der Sicht eines ökologischen Modellierers auf die Abläufe im Boden. Dadurch ergeben sich selbst bei gleicher Beobachtung unterschiedliche Betrachtungsweisen und Erklärungsansätze.

Mit Hilfe von Computermodellen können die UFZ-Forscher immens viele Szenarien simulieren. Beispielsweise variieren sie verschiedene Bedingungen, wie das Angebot von Wasser oder Sauerstoff, die Konzentration und die Verteilung von Schadstoffen oder auch die Konkurrenz verschiedener Bakterienarten. Außerdem schauen sie, welche Rolle diese Bedingungen für unterschiedliche Bakterien-Pilz-Paare spielen, wie die Gegebenheiten miteinander in Wechselwirkung treten und welchen Einfluss sie letztlich auf den Schadstoffabbau haben. So wird ermittelt, unter welchen Bedingungen im Boden besonders große Steigerungen der Abbauraten zu erwarten sind und welche physiko-chemischen und ökologischen Faktoren dabei eine Schlüsselrolle einnehmen.

Die beiden Forscherteams untersuchen das Zusammenspiel von Bakterien und Pilzen beim Schadstoffabbau mit Hilfe der Kombination von Computermodellen und Laborversuchen. Dabei fließen die Ergebnisse aus den Laborversuchen in die ökologischen Modelle ein, und die Erkenntnisse aus den Modellen dienen wiederum als Grundlage für das Versuchsdesign weiterer Experimente. Wick: "Das ist eine äußerst effektive und gewinnbringende Synergie dieser beiden doch sehr unterschiedlichen Disziplinen. Die ökologischen Prozesse, die im Großen stattfinden, finden womöglich auch im Kleinen, in den mikrobiologischen Sphären des Bodens, statt. Aus der Kombination von Experiment und Modell hoffen wir, den tatsächlichen Abläufen im Boden auf die Spur zu kommen, um dem natürlichen Schadstoffabbau in Zukunft besser unter die Arme greifen zu können."

UFZ-Ansprechpartner:
Dr. Lukas Y. Wick
Dept. Umweltmikrobiologie

e-mail: lukas.wick[at]ufz.de
Dr. Thomas Banitz
Dept. Ökosystemanalyse

e-mail: thomas.banitz[at]ufz.de

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
Die Hyphen von Pythium ultimum durchziehen in einem dichten Geflecht weiträumig das Erdreich. UFZ-Forscher fanden heraus, dass darin nicht nur Bakterien leben, sondern auch Schadstoffe transportiert werden. Können solche unterirdischen Netzwerke deshalb vielleicht einen Beitrag zur Sanierung belasteter Böden leisten? (Foto: Ausschnitt einer lasermikroskopischen Aufnahme von Katrin Päzolt und Dr. Thomas R. Neu, UFZ) *

Quelle:
UFZ-Spezial Oktober 2012: Chemikalien in der Umwelt, S. 20
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Permoserstraße 15, 04318 Leipzig
Tel.: 0341/235-1269, Fax: 0341/235-1468
E-mail: info@ufz.de
Internet: www.ufz.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Februar 2013