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FORSCHUNG/913: Subfossiler Wald in Zürich entdeckt (idw)


Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL - 21.05.2013

Subfossiler Wald in Zürich entdeckt



Ein subfossiler Wald, der über dreizehntausend Jahre im Zürcher Schlamm konserviert geblieben ist, erweitert die Perspektiven für die mitteleuropäische Jahrring-Chronologie. Forscher der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL haben bis heute gegen 200 Kiefernstümpfe geborgen. Qualität und Dimensionen des Fundes sind nach dem Kenntnisstand der beteiligten Forscher weltweit einmalig.

Schon viele Entdeckungen sind dem Zufall zu verdanken. Kürzlich geschehen in Zürich, als Daniel Nievergelt, Jahrringforscher an der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, einen Blick in eine Baustelle am Südrand von Zürich warf. Dass die Hoffnung auf einen spektakulären Fund nicht ungerechtfertigt war, wusste er aus der Zusammenarbeit mit seinem 2012 verstorbenen Arbeitskollegen Felix Kaiser: Dieser hatte schon 1999 beim Aushub des Uetliberg-Autobahntunnels subfossiles* Holz gefunden.

Tatsächlich lagen am Rand der lehmigen Baugrube im Quartier Binz einige Baumstrünke. Die Bauarbeiter hatten sie zum Holzabfall geworfen. Bei näherem Hinsehen erkannte sie der Forscher als Kiefern. Sofort unterzog er sie mit Kollegen der WSL einer näheren Untersuchung und schickte drei Proben an die ETH Zürich mit Bitte um eine C14-Datierung. Dies bestätigte seine Vermutungen: Dem Holz wurde ein Alter zwischen 12'846 BP** und 13'782 BP Jahren zugeschrieben. Mit Unterstützung der Bauleitung erreichten die WSL-Forscher bis heute die Bergung von gegen 200 Kiefernstümpen, die sie in mehreren Lastwagenladungen an die WSL transportieren liessen. Qualität und Dimensionen des Fundes sind nach dem Kenntnisstand der beteiligten Forscher weltweit einmalig.

Was der Fund für die Wissenschaft bedeuten könnte

Die WSL betreibt das international grösste Labor für Jahrringforschung (Dendrochronologie). Dieses leistet einen signifikanten Beitrag für Forschungsarbeiten aus den verschiedensten Disziplinen. Die neusten Funde reihen sich in eine weltweite Sammlung von Umweltarchiven ein und können wichtige Puzzleteile zu Forschungsfragen beitragen: Wie war das Klima nach der letzten Eiszeit? Welche Ereignisse haben die Landschaft um Zürich, aber auch jene der Erde, geprägt? In welcher genetischen Beziehung stehen die Binz-Kiefern mit ihren heutigen Verwandten? Zudem könnte der prähistorische Wald in der Binz auch zur Kalibration der C14-Kurve beitragen.

Jahrringe, Zustand und Lage der gefundenen Baumstrünke erlauben Schlüsse über vergangene Temperatur- und Niederschlagsschwankungen und zeugen von Störungen wie Feuer, Stürmen oder Erdbeben. Die Dichte und die chemische Zusammensetzung des Holzes kann Hinweise über Klima und Luftzusammensetzung in der Vergangenheit geben. Und seit kürzerem erlauben DNA-Analysen, die Abstammung der Bäume zu verfolgen.

Die erarbeiteten Daten stehen allen offen

Die WSL-Forscher sägen nun aus jedem verwertbaren Strunk drei Baumscheiben und analysieren Holz und Ringe in den eigenen Labors sowie bei Partnern. Als erstes werden die Wissenschafter versuchen, die mitteleuropäische Jahrring-Chronologie (siehe Grafik in der Medienmitteilung WSL) zu ergänzen. Diese Datenreihe enthält absolut datierte Jahrringe bis zurück zum Jahr 12'594 BP. Die bisherigen Funde in Zürich bewegten sich in der Zeit von 12'700 BP bis 14'100 BP. Durch akribischen Vergleich von Jahrringmustern wird nun versucht, die Überlappungen zu finden, die es für eine absolute Datierung braucht. Die Forscher hoffen, mit den neu gefundenen Hölzern eine Lücke in der bisherigen Chronologie zu schliessen und diese um rund 2000 Jahre zu verlängern. So oder so sind die in Zürich gewonnen Hölzer und die Daten aus deren Analysen von unschätzbarem wissenschaftlichem Wert. In der Tradition eines offenen wissenschaftlichen Austausches wird die WSL die Daten nach und nach öffentlich zu Verfügung stellen. Zum Beispiel über die "International Tree-Ring Data Bank (ITRDB)", deren Inhalt seit Jahrzehnten auch durch viele Daten aus dem WSL-Jahrringlabor und seinem Gründer, Fritz Schweingruber, genährt wurde.

* subfossil = Organismen aus prähistorischer Zeit, die sich nicht oder nur teilweise versteinert haben. Im Unterschied zu Fossilien können diese mit der C14-Methode datiert werden. (Quelle: Wikipedia)

** BP = Before Present, bezeichnet eine Zeitskala, die in der Archäologie, der Geologie und anderen Wissenschaften benutzt wird, um Ereignisse der Vergangenheit zu datieren. Weil sich das Heute zeitlich stets verändert, wurde in internationaler Übereinkunft der 1. Januar 1950 bzw. das Kalenderjahr 1950 als Bezugszeitpunkt der Skala gewählt. (Quelle: Wikpedia)

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.wsl.ch/medien/news/subfossiler_wald_binz/index_DE

Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/de/news534394
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution799

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL,
Reinhard Lässig, 21.05.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Mai 2013