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FORSCHUNG/932: Flexible Partnerschaft erlaubt Flechten, verschiedene Habitate zu besiedeln (idw)


Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen - 28.06.2013

Flexible Partnerschaft erlaubt Flechten, verschiedene Habitate zu besiedeln



Frankfurt, den 28.6.2013. Wechselnde Partner als Überlebensstrategie? Flechten sind flexibler, als man bisher annahm. Die Symbiose aus Pilz und Alge variiert ihre Lebensgemeinschaft je nach Standort. In einem kürzlich in der Open-Access-Zeitschrift Mycokeys veröffentlichten Artikel zeigen Wissenschaftler der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, des Biodiversität und Klima Forschungszentrums in Frankfurt mit Kollegen aus Bergen und Madrid, dass im Verbreitungsgebiet der Strauchigen Hornflechte (Cetraria aculeata) in den Teilarealen verschiedene Algenpartner dominieren. Dadurch unterscheiden sich die dort vorkommenden Flechten in ihren Lebensraumansprüchen.

Flechten sind das biologische Lehrbuchbeispiel für Symbiosen: Eine Wohn-und Lebensgemeinschaft aus einem Pilz und einer oder mehreren Algen. Flechtensystematiker konzentrierten sich bei der Erforschung von Flechten lange Jahre weithin auf den Pilzpartner, denn er bestimmt die Form der Flechte. Außerdem nahm man an, dass nur wenige Algen an der Symbiose beteiligt seien und ihr wesentlicher Beitrag in der Beziehung die Photosynthese wäre.

Molekulargenetische Studien zeigen zunehmend, dass diese Annahme falsch ist. Die genetische Vielfalt der Algenpartner ist viel höher als gedacht und etliche Flechtenpilze können mehr als einen Algenpartner beherbergen. Studien aus der Gruppe von Dr. Christian Printzen vom Senckenberg Forschungsinstitut und dem Biodiversität und Klima Forschungszentrum (Frankfurt) und Kollegen aus Bergen (Norwegen) und Madrid zeigen nun, dass gerade diese Flexibilität es Flechten ermöglichen könnte, ökologisch sehr unterschiedliche Lebensräume zu besiedeln.

Die strauchige Hornflechte (Cetraria aculeata) kommt in einem besonders großen und ökologisch vielfältigen Verbreitungsareal vor. Sie ist nicht nur in Polargebieten und Hochgebirgen der nördlichen und südlichen Hemisphäre zu Hause, sondern auch in gemäßigten Breiten bis in die zentralasiatischen Steppengebiete verbreitet. Ein kürzlich in der Open-Access-Zeitschrift Mycokeys veröffentlichter Artikel fasst die Ergebnisse mehrjähriger Studien zusammen, die zeigen, dass in den verschiedenen Teilarealen genetisch unterschiedliche Algenpartner dominieren und dass die dort vorkommenden Flechten sich auch ökophysiologisch unterscheiden.

Das bedeutet, die Partnerwahl bestimmt, wie gut die Flechte an ihren Lebensraum angepasst ist - dass sie z.B. mit der dort vorherrschenden Umgebungstemperatur oder der Sonneneinstrahlung auskommen kann. "Die Studie ist ein Beispiel dafür, wie die Verbindung von molekularen, ökologischen und physiologischen Untersuchungen uns dabei helfen kann, die Reaktion dieser faszinierenden Symbiosen auf veränderte Lebensbedingungen, z.B. durch den Klimawandel, zu verstehen", so Dr. Christian Printzen.

Publikation
Printzen C, Domaschke S, Fernández-Mendoza F, Pérez-Ortega S (2012) Biogeography and ecology of Cetraria aculeata, a widely distributed lichen with a bipolar distribution. In: Kansri Boonpragob, Peter Crittenden, H.Thorsten Lumbsch (Eds) Lichens: from genome to ecosystems in a changing world. MycoKeys 6: 33, doi: 10.3897/mycokeys.6.3185

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen, Dr. Sören Dürr, 28.06.2013
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juli 2013