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FORSCHUNG/942: Wie beeinflussen extreme Dürreereignisse Ökosysteme und deren Funktionen? (spektrum - Uni Bayreuth)


spektrum - Universität Bayreuth
8. Jahrgang. Ausgabe 1. November 2012

Biodiversität trocken gelegt
Forschung im Ökologisch-Botanischen Garten der Universität Bayreuth

von Anke Jentsch und Asja Bernd



Mit dem Klimawandel verändert sich nicht nur die Temperatur, sondern auch die Niederschläge, insbesondere ihre Verteilung im Jahreslauf. Dabei spielen neben langfristigen Trends auch einzelne Wetterereignisse wie Dürren, Hitzewellen oder Starkregen eine Rolle. Welche Auswirkungen solche extremen Wetterereignisse auf Pflanzen, Ökosystemfunktionen und biotische Interaktionen haben, untersuchen Prof. Anke Jentsch, Lehrstuhl für Störungsökologie und Prof. Carl Beierkuhnlein, Lehrstuhl für Biogeographie, im Ökologisch-Botanischen Garten der Universität Bayreuth.

Extreme Dürreereignisse werden zunehmen, doch wie beeinflussen sie Ökosysteme und deren Funktionen? Dieser Frage gehen die Lehrstühle Störungsökologie und Biogeografie anhand eines Grünland-Ökosystems nach und untersuchen dabei unter anderem, wie Pflanzengesellschaften auf die Trockenheit reagieren. Außerdem wollen sie herausfinden, ob Gemeinschaften mit einer größeren Anzahl von Pflanzenarten und damit höherer Biodiversität anders reagieren als solche mit niedriger.

Unter die Lupe genommen hat das Team um Prof. Jentsch fünf Arten, die in mitteleuropäischen Wiesen heimisch sind und unterschiedlichen funktionellen Gruppen angehören: Gräser, Kräuter, und Hülsenfrüchtler oder Leguminosen. Letztere zeichnen sich dadurch aus, dass sie Stickstoff aus der Luft mit Hilfe von Bodenbakterien zu für Pflanzen verfügbarem Stickstoff umwandeln können, weshalb sie auch Stickstofffixierer genannt werden.

Das Projekt umfasste mehrere hundert Versuchsflächen von je einem Quadratmeter Größe mit unterschiedlichen Arten: In denen mit niedriger Biodiversität wuchsen zwei Arten aus derselben funktionellen Gruppe, in anderen Plots dagegen vier Arten aus zwei Gruppen. Am vielfältigsten waren Standorte mit vier Arten aus drei funktionellen Gruppen (Gräser, Krautige, Leguminose). Über fünf Jahre hinweg wurden die Pflanzen einmal jährlich im Sommer einer extremen Dürre ausgesetzt. Von 2005 bis 2007 handelte es sich dabei um eine "Jahrhunderttrockenheit" von 32 Tagen, also ein Ereignis, das mit hoher Wahrscheinlichkeit nur einmal in 100 Jahren auftritt. In den Jahren 2008 und 2009 wählten die Forscher dagegen eine Jahrtausenddürre, die 42 Tage anhielt. Eine Kontrollgruppe von Pflanzen bekam über den gesamten Zeitraum hinweg Wasser.

Um die Dürre zu simulieren, spannten die Forscher Plastikdächer über die Pflanzen. Da diese das Ergebnis des Experimentes beeinflussen könnten, gab es auch eine Kontrollgruppe, die zwar überdacht war, während der simulierten Dürre aber mit genauso viel Wasser gegossen wurde, wie ringsum durch Niederschläge fiel.

Um herauszufinden, wie sich der wiederholte extreme Wassermangel auf die Pflanzen auswirkt, untersuchten Jentsch und ihre Kollegen 32 einzelne Faktoren, die sich fünf allgemeinen Funktionen von Ökosystemen zuteilen lassen: Produktivität, Wasserregulierung, Kohlenstofffixierung, Nährstoffkreislauf und die Dynamik der Pflanzengemeinschaft, also ob sich beispielsweise invasive Arten ausbreiten oder ob und wie sich die Häufigkeit bestimmter Arten verändert. Für manche der Funktionen lieferte die Studie ein klares Ergebnis, wobei die Resultate auch durch die Niederschläge in den jeweiligen Jahren beeinflusst wurden.

"Eine Herausforderung solcher Experimente ist es, wirklich eine Dürre zu erzeugen", erklärt Prof. Jentsch. Zunächst manipuliere man ja nur das Wetter. Um zu wissen, ob für die Pflanzen wirklich Dürre herrscht, messen die Wissenschaftler deshalb die Bodenfeuchtigkeit. "Gerade in Gebieten mit hoher Luftfeuchtigkeit kann der Boden trotz der Wettermanipulation feucht bleiben." Die erste gute Nachricht lautete daher: Die Trockenperioden wirkten sich eindeutig auf die Wasserregulation der Systeme aus, die Feuchtigkeit des Bodens nahm während der Dürren bis zu 30 Prozent ab. In den Jahren 2005 bis 2008 hatte es bereits vor den Versuchen natürliche Trockenzeiten gegeben, was den Effekt noch verstärkte.

Zur Überraschung von Prof. Jentsch und ihren Kollegen wurde die Biomasseproduktion der Pflanzen dagegen nicht signifikant beeinflusst - weder oberirdisch noch unterirdisch. Untersucht wurde unterirdisch die Wurzellänge sowie oberirdisch die Biomasseproduktion und Vegetationsbedeckung. Alle drei Faktoren zeigten jedoch keine eindeutigen Unterschiede zur Kontrollbehandlung, die keiner Dürre ausgesetzt war.

Deutliche Auswirkungen hatte die Dürre dagegen auf die Stoffflüsse. Obwohl die Zusammensetzung der Bakterien im Boden gleich blieb, wurde organische Materie langsamer zersetzt. Außerdem sank der Eiweißgehalt der Blätter, die dafür mehr Kohlenhydrate enthielten, was die Qualität der Pflanzen als Viehfutter beeinträchtigt.

Ebenfalls eindeutig veränderte sich die Dynamik und Zusammensetzung der Pflanzengemeinschaften: Durch die Dürre hatten neue, invasive Arten es schwerer, sich auf den Flächen anzusiedeln - die Stabilität der Systeme erhöhte sich also. Den fünf Versuchsarten erging es innerhalb der Gesellschaften unterschiedlich: Die Leguminosen wurden stärker durch konkurrierende Nachbarn beeinträchtigt, wohingegen manche Gräser von ihren Nachbarn stärker unterstützt wurden. Außerdem alterten die Blätter aller Pflanzen schneller und die Blühdauer veränderte sich. Insgesamt widerstanden die Pflanzen der Dürre deutlich besser, als das Team erwartet hatte. "Am Ende haben wir einfach so lange Wasser entzogen, bis die Pflanzen abgestorben schienen, also eine terminale Dürre inszeniert."

Die Ergebnisse dieser Studie sind noch nicht publiziert, bislang lässt sich sagen, dass es über drei Monate dauerte, bis die Biomasse komplett verdorrt war. "Wir hatten erwartet, dass die Leistungsgemeinschaft zusammenbricht und wollten herausfinden, welche Funktionen zuerst ausfallen", erklärt Prof. Jentsch. Und auch nach drei Monaten Trockenheit regenerierten sich einige Arten wieder. "Das bedeutet, dass die Grünlandvegetation in Mitteleuropa weniger anfällig für Sommerdürre ist als gedacht und als in anderen Teilen der Welt", resümiert die Wissenschaftlerin. Besonders die Gräser trotzten der Dürre und regenerierten sich, nachdem sie oberirdisch abgestorben waren, schnell wieder vollständig.

Für die Biodiversitätsforschung ist das Projekt außerdem relevant, da Prof. Jentsch und ihre Kollegen zeigen konnten, dass sich die biologische Vielfalt auf die Pflanzen auswirkt. "Eine höhere Biodiversität führte zu geringeren Absterberaten. Die Vegetation war also widerstandsfähiger." An Forschungsfragen mangelt es jetzt aber nicht: "Die eigentlich spannenden Fragen liegen jetzt jenseits der Länge der Dürre: Wie wirkt sich die Häufigkeit von Dürren aus oder die Interaktion mit Spätfrost oder der Wintererwärmung?"

Mit SIGNAL, einem neuen Projekt, wollen Jentsch und Kollegen ihre Forschung nun ausbauen: Von Bayreuth aus koordiniert, soll diesmal in sieben europäischen Ländern untersucht werden, wie extreme Dürren und invasive Arten Ökosysteme gefährden und ob eine hohe Artenvielfalt oder gar die Präsenz von stickstoff-fixierenden Leguminosen dem entgegenwirken kann. Dafür kooperieren die Ökologen mit Wissenschaftlern aus Belgien, Ungarn, Frankreich, der Schweiz, Bulgarien, Italien und der Türkei. So können Graslandschaften mit unterschiedlichen Arten und unter verschiedenen klimatischen Bedingungen untersucht werden. Prof. Jentsch freut sich bereits auf die neue Herausforderung: "In diesem einmaligen Projekt können wir neuen Fragen nachgehen und unsere experimentellen Ergebnisse auf größere räumliche Gradienten und Kulturlandschaften übertragen". Besonders gespannt ist Prof. Jentsch auch auf die Zusammenarbeit über verschiedene Länder und Kulturen hinweg.


AUTORIN

Prof. Dr. Anke Jentsch ist Professorin für Störungsökologie an der Universität Bayreuth. Sie forscht zu den Auswirkungen extremer Wetterereignisse auf Ökosystemfunktionen sowie zur Dynamik und Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen nach Störungen.


INFO

Erinnern sich Pflanzen an Dürre?
Können Pflanzen ein "Gedächtnis" für Trockenzeiten entwickeln? Dieser Frage ging Julia Walter, Mitarbeiterin bei Prof. Jentsch, in einem Topfexperiment nach. Sie zog Gewöhnlichen Glatthafer zunächst unter natürlichen Umweltbedingungen auf - und setzte die Pflanzen im Juni 2009 dann einer 16-tägigen Dürre aus. Eine Kontrollgruppe bekam in dem Zeitraum weiterhin Wasser wie bereits zuvor. Anschließend beschnitten die Forscher die Pflanzen, damit keine Blätter mehr vorhanden waren, die die Trockenheit erfahren hatten.

Um zu testen, ob die Pflanzen aus diesem Ereignis "gelernt haben", entzogen sie ihnen im September erneut Wasser. Die Blätter selbst waren nach dem Schneiden neu ausgetrieben und somit das erste Mal Trockenheit ausgesetzt. Während der zweiten Dürre bekamen weder die Pflanzen Wasser, die bereits der Dürre ausgesetzt waren, noch die Kontrollgruppe, wieder für 16 Tage. Das Ergebnis: Die Gräser, die bereits Trockenheit erfahren hatten, hatten 7 Prozent mehr lebende Biomasse als die anderen, das heißt sie welkten nicht so stark. Vermutlich bewirkte die erste Dürre, dass die Pflanze schnellere Schutzreaktionen bei einem weiteren Wassermangel zeigte, um zu vermeiden, dass es zu Blattschäden kommt.

Gleichzeitig lief die Photosynthese weniger intensiv und effizient ab als bei den Pflanzen, die nur einmal Wassermangel ausgesetzt waren. Damit versucht sich der Glatthafer vor dem Sonnenlicht und dem Verlust von Wasser zu schützen, eine Reaktion, die kurzfristig das Überleben sichert. Jedoch könnte sie bei länger andauernden und häufigeren Trockenzeiten auch weitere Folgen haben, zum Beispiel, dass weniger Biomasse gebildet wird.


INFO & KONTAKT

Ökologisch-Botanischer Garten
Universität Bayreuth
Inge Raps (Sekretariat)
www.obg.uni-bayreuth.de
E-Mail: obg@uni-bayreuth.de

Öffnungszeiten im Winter (bis einschl. Feb.)
Werktags: Freigelände 8-16 Uhr,
Gewächshäuser (Di-Do) 10-15 Uhr.
Sonn- & Feiertage:
Freigelände 10-16 Uhr,
Gewächshäuser 10-16 Uhr.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Die künstliche Dürre setzt den Wiesenpflanzen sichtbar zu. Wie gut werden sie sich erholen, und wovon hängt ihre Widerstandskraft ab?

Abb. 1: Die Versuchsflächen der EVENT-Experimente im Ökologisch-Botanischen Garten der Universität Bayreuth.

Abb. 2: Mit einem speziellen Fahrrad gossen die Wissenschaftler die Pflanzen während des Experiments.

Abb. 3: Felduntersuchungen auf dem Experiment-Areal des ÖBG.

Abb. 4: Die Pflanzen werden im Laufe des Experiments auch hohem Starkregen ausgesetzt, das zur Überschwemmung des Bodens führt.

Abb. 5: Die Versuchsflächen der EVENT-Experimente im Ökologisch-Botanischen Garten. Besucher des ÖBG finden die Flächen ganz im Süden des Geländes.

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Quelle:
spektrum, Ausgabe 1, November 2012, S. 64 - 67
Herausgeber: Universität Bayreuth
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juli 2013