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FORSCHUNG/984: Aus der Geschichte der Meeresnutzung für die Zukunft lernen (idw)


Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie (ZMT) - 25.11.2013

Aus der Geschichte der Meeresnutzung für die Zukunft lernen



Seit 13 Jahren forschen Wissenschaftler aus aller Welt im "History of Marine Animal Populations" Projekt (HMAP) über die Nutzungsgeschichte von Meeresressourcen. Das Großprojekt ist kürzlich von "Science Europe" für seinen hohen gesellschaftlichen Einfluss ausgezeichnet worden. Kathleen Schwerdtner Máñez, Sozialwissenschaftlerin am ZMT, ist Mitglied der Projektleitungsgruppe.

Mit der Ehrung hat die europäische Vereinigung von Forschungs- und Förderorganisationen "Science Europe" die Forschung in HMAP als besonders bedeutend hervorgehoben. Die marine Umweltgeschichte liefert wichtige Erkenntnisse, welche Entscheidungen im Küsten- und Fischereimanagement prägen können. So im konkreten Fall der Arbeit des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenökologie (ZMT) im indonesischen Spermonde-Archipel. Dort untersuchen Schwerdtner Máñez und ihre Kollegen, wie sich die Nutzung mariner Ressourcen über die Jahrhunderte verändert hat und damit auch das ökologische Gleichgewicht der Korallenriffe vor Ort.

Historische Quellen liefern ihnen wichtige Informationen über die fortschreitende Übernutzung des Archipels seit dem 18. Jahrhundert. In rascher Abfolge beuteten hier die lokalen Fischer und Händler unterschiedliche Ressourcen aus. "Ein neuer Ort, an dem noch ein Fang zu machen war, eine neue Technik, von der man sich mehr Ertrag erhoffte oder schließlich ein Wechsel der Art, wenn sich die Nachfrage auf den internationalen Märkten veränderte oder die vorherige Art endgültig verschwunden war", beschreibt Schwerdtner Máñez das Handlungsmuster. Problematisch sei vor allem, dass sich die Intervalle bis zur Dezimierung der jeweiligen Beuteart im Laufe der Zeit stets verkürzten.

Über viele Jahrhunderte wurden zunächst vor allem Seegurken gefangen, die in Südostasien als Aphrodisiakum gelten. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts folgte der Napoleon-Lippfisch, der mittlerweile aus weiten Teilen des Archipels verschwunden ist. Danach verlagerte man sich auf den Fang von Riffbarschen. Wie der Lippfisch sind sie vor allem in Hong Kongs Feinschmeckerlokalen beliebt. Seit 2012 sind sogar die für den Verzehr eigentlich ungeeigneten Muränen lukrative Beute. Diese schlangenförmigen Fische reichern über die Nahrungskette ein Gift in sich an und sind daher meist ungenießbar, werden jedoch in der traditionellen chinesischen Medizin genutzt. Seit Ende der 1990er Jahre werden zudem in großem Umfang bestimmte Korallenarten für den Aquarien- und Schmuckhandel entnommen, wie die strauchförmige Bambuskoralle.

"Es sind vor allem zwei Faktoren, die diese rasante Ausbeutung vorangetrieben haben", erklärt Schwerdtner Máñez. Mit technischen Entwicklungen wie Tauchkompressoren konnten die Fischer in tiefere Riffbereiche vordringen. Seit dem Zweiten Weltkrieg kommen auch vermehrt Sprengstoffe in der Fischerei zum Einsatz. Ganz wesentlich ist aber auch ein Lehnsystem, das in dieser Region wie in vielen Staaten Asiens und Afrikas verbreitetet ist. Die Fischer arbeiten für Mittelsmänner, so genannte Patrone, die ihnen eine soziale Absicherung bieten. Patrone sind bestens vernetzt, erschließen den Fischern die internationalen Märkte und versorgen sie mit den nötigen finanziellen Mitteln und Geräten für die Fischerei.

"Die historische Perspektive öffnet den Blick für zugrunde liegende Handlungsmuster" so Schwerdtner Máñez. "Daraus können konkrete Empfehlungen für das Küstenmanagement abgeleitet werden". So müsse die Nutzung von Ressourcen reglementiert werden - und zwar im Voraus. Bisher seien Regelungen, wenn überhaupt, erst erlassen worden, wenn es für eine Art schon fast zu spät war.

Als Mitglied des Projektleitungs-Teams des HMAP möchte die Bremer Forscherin neue Akzente in der historischen Umweltforschung setzen. "Beispielsweise gibt es zur unterschiedlichen Rolle der Männer und Frauen in der Geschichte der Meeresnutzung bisher kaum Erkenntnisse", stellt sie fest. "Wir Forscher sprechen eher mit den Haushaltsvorstehern, den Fischern, die auf das Meer hinausfahren." Frauen würden oft in anderen ökologischen Nischen und mit anderen Techniken fischen und sammeln. Auch sie könnten erheblich zur Übernutzung von Meeresressourcen beitragen. Hier sieht Schwerdtner Máñez einen deutlichen Forschungsbedarf.

Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/de/news563193
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution457

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie (ZMT), Dr. Susanne Eickhoff, 25.11.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. November 2013