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GEFAHR/013: Libanon - Mit vereinten Kräften gegen Streubomben, Minen sollen bis 2016 geräumt sein (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. September 2011

Libanon: Mit vereinten Kräften gegen Streubomben - Minen sollen bis 2016 geräumt sein

Von Dalila Mahdawi

Minenräumer im Süden des Libanon - Bild: © Dalila Mahdawi/IPS

Minenräumer im Süden des Libanon
Bild: © Dalila Mahdawi/IPS

Kfar Joz, Südlibanon, 13. September (IPS) - Zu Füßen der Hügelketten im Südlibanon liegt ein Flickenteppich aus grünen, braunen und roten Feldern, zwischen denen verschlafene Dörfer, Felsformationen und Feldwege auszumachen sind. Doch der idyllische Anblick trügt: Unter der Erde befinden sich Tausende Streubomben, die eine große Gefahr für die Anwohner bedeuten.

Die meisten Menschen in der Region haben schon immer von der Landwirtschaft gelebt. In den vergangenen fünf Jahren jedoch bringen sie sich mit ihrer Arbeit in Lebensgefahr. Wer sein Feld bestellt oder sein Vieh weidet muss damit rechnen, auf eine Bombe zu treten.

"Jeden Tag finden wir Bomben auf den Feldern oder zwischen den Häusern", berichtet Ali Shuaib, der für die unabhängige britische Organisation 'Mines Advisory Group' in dem Ort Kfar Joz arbeitet. In Dutzenden Dörfern im Süden des Landes ist die Situation ähnlich. Die Gruppe engagiert sich für die Räumung von Landminen und die Beseitigung weiterer gefährlicher Überbleibsel aus den Kriegen.


Massiver Einsatz von Streubomben durch Israel

Seit dem Bürgerkrieg von 1975 bis 1990 und der israelischen Besatzung in den folgenden Jahren kennt der Libanon das Problem der tückischen Minen, die im Erdreich verborgen sind. Streumunition ist aber vor allem seit dem 34-tägigen Krieg im Juli 2006 weit verbreitet. Nach Erkenntnissen der Menschenrechtsorganisation 'Human Rights Watch' setzte Israel damals mehr dieser Bomben ein, als dies anderswo auf der Welt seit dem Golfkrieg 1991 geschehen ist.

In den letzten 72 Stunden der Gefechte, als der UN-Sicherheitsrat bereits eine Resolution zur unverzüglichen Einstellung der Feindseligkeiten gebilligt hatte, warf Israel noch mehr als vier Millionen Streubomben über dem Süden des Libanon ab. Mindestens 40 Prozent sind nach Erkenntnissen der Vereinten Nationen beim Aufprall nicht detoniert.

Laut der Hilfsorganisation 'Handicap International' fallen in 95 Prozent der Fälle Zivilisten den Sprengsätzen zum Opfer. Seit dem Kriegsende vor rund fünf Jahren wurden demnach 408 Libanesen durch Streubomben getötet oder verstümmelt. 115 von ihnen waren jünger als 18 Jahre. Wenn diese Waffen nicht richtig entsorgt werden, bleiben die Risiken noch jahrzehntelang bestehen.

Auch die libanesische Wirtschaft leidet unter der Streumunition. Mehr als ein Drittel des Gebietes, in dem noch Bomben vermutet werden, sei Agrarland, sagte Pierre Bou Maroun, der Leiter des Minenräumzentrums der libanesischen Armee in Nabatieh. Das Zentrum ist zuständig für die Minenbeseitigung im gesamten Land.

Seit 2007 hat der ohnehin wirtschaftlich angeschlagene Libanon Maroun zufolge wegen der Streumunition mehr als 126 Millionen US-Dollar an Agrareinnahmen verloren. Der Süden des Landes wird davon besonders hart getroffen.

Der Einsatz israelischer Streubomben im Libanon hat allerdings auch dazu beigetragen, dass im Mai 2007 ein internationales Verbot in Kraft treten konnte. 107 Länder votierten für die UN-Konvention gegen Streubomben, die den Gebrauch, die Herstellung, die Lagerung und den Transfer aller Arten von Streubomben verbietet. Die Unterzeichnerstaaten sind außerdem dazu verpflichtet, binnen zehn Jahre alle Sprengfallen auf ihrem Staatsgebiet zu räumen und ihre eigenen Lagerbestände innerhalb von acht Jahren zu vernichten. Den Opfern gesteht die Konvention einen Anspruch auf Entschädigung zu.

Der Libanon hat das Abkommen als eines der ersten Länder im Dezember 2008 unterzeichnet. Obgleich es dort erst in diesem Mai formell in Kraft getreten ist, sind die Behörden bemüht, bei der Umsetzung eine internationale Führungsrolle zu übernehmen.


Internationale Konferenz über UN-Konvention in Beirut

Vom 12. bis 16. September findet in Beirut das zweite Treffen der Vertragsstaaten der Konvention mit Regierungsvertretern aus rund 110 Ländern statt. Auch die Vereinten Nationen und internationale Organisationen haben Delegierte geschickt.

Das Treffen ist eine "goldene Gelegenheit" für den Libanon, sagte Haboubba Aoun, die ihr Land in der unabhängigen 'Cluster Munition Coalition' und der Internationalen Kampagne zum Verbot von Landminen repräsentiert. "Wir hoffen, dass die Menschen auf der Welt auf das Bombenproblem im Libanon aufmerksam werden und die Räumarbeiten sowie Hilfsmaßnahmen für die Opfer unterstützen."

Die Minensuch-Teams haben in dem Land bereits erfolgreiche Arbeit geleistet, obwohl die weitere Finanzierung ständig auf der Kippe steht. Wie Bou Maroun erklärte, sind 2.259 Minenfelder inzwischen gut bekannt. Hinzu kämen noch Tausende weitere Orte, an denen die unterirdische Munition vermutet würde.


Rund 1.500 Minenfelder geräumt

Bislang seien etwa 1.500 Minenfelder geräumt und den Anwohnern zur Nutzung übergeben worden, erklärte der Offizier. Rund 22 Quadratkilometer Land seien dagegen noch kontaminiert. Nicht eingerechnet sind Gebiete entlang der blauen Demarkationslinie zwischen dem Libanon und Israel, wo zahlreiche Bomben vermutet werden. Dort ist die UN-Friedensmission UNIFIL für die Minenräumung zuständig.

"Wir wünschen uns einen Libanon, der frei ist von Streubomben, Landminen und anderen Sprengsätzen aus Kriegszeiten", sagte Bou Maroun. Mit der entsprechenden finanziellen Unterstützung könnte das Land spätestens 2016 minenfrei sein.

Nachdem die Staatengemeinschaft Druck ausgeübt hatte, händigte Israel der libanesischen Armee Landkarten aus, auf denen die Gebiete markiert waren, über denen Streumunition abgeworfen wurden. Bou Maroun bezweifelt jedoch, dass diese Unterlagen Auskunft über alle Sprengfallen geben, die auf den Libanon niedergegangen seien.

Für die Minenräumer bleibt die Situation gefährlich. In den vergangenen fünf Jahren starben zwei Experten der 'Mines Advisory Group' bei der Arbeit im Libanon, weitere 18 wurden verletzt. Auch andere Organisationen beklagen Verluste. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
www.maginternational.org/
http://www.stopclustermunitions.org/
http://www.icbl.org/intro.php
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=105061

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 13. September 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. September 2011