Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → FAKTEN

GESCHICHTE/016: Rebell und Umweltschützer - Zum Tod von Karl Partsch (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 149 - April/Mai 09
Die Berliner Umweltzeitung

Rebell und Umweltschützer

Zum Tod von Karl Partsch, Biologe und Alpenkenner

Von Reinhild Schepers und Erich Lutz


Er ist bis zuletzt sich und seinem unermüdlichen Kampf um den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen treu geblieben", heißt es in einer der Todesanzeigen. "Sind wir noch zu retten?" Mit dieser Frage drückte er in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts gern sein Kopfschütteln über die Untätigkeit vieler Politiker angesichts der zunehmenden Symptome von Waldschäden aus. Karl Partsch wies darauf hin, dass aus dem Waldsterben durch ungebremste Luftverschmutzung ein Vegetationssterben geworden ist. Aufgrund seiner Kenntnis der ökologisch-sensiblen Alpenregionen demonstrierte er das am Beispiel der Latschenkiefern. Auch wenn mancher Exkursionsteilnehmer oder -teilnehmerin dachte, die sehen ja noch schön grün aus: das gemeinsame Auszählen der Nadeljahrgänge und die Suche nach sich gelb verfärbenden Blättern schärfte den Blick für die Problematik und die warnenden Worte eines Biologen.


Vor den Folgen warnen...

In den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts ist Partsch ständig unterwegs in den Bergwäldern des Allgäu, dokumentiert die Veränderungen mit der Kamera, leitet Exkursionen, beteiligt sich an öffentlichen Diskussionen um die Ursachen des Waldsterbens. Er hält Vorträge im Alpenraum und vielen anderen Orten reist per Bahn-Jahreskarte, mahnt, klärt auf, informiert Politiker/-innen, Journalisten, Forstbeamte, Touristen wie Skifahrer und viele andere, die zum Beispiel durch die Medien auf ihn aufmerksam werden. Diese geben ihm gern Namen wie "Mahner", "Prophet" oder "Alpenindianer".

Mitte der siebziger Jahre hatte ihn der Bau eines Golfplatzes im Oberallgäu, durch den ein wertvolles Biotop zerstört wurde, aufgerüttelt. Später kämpfte er gegen Bergbahnen und Skipisten, zum Beispiel in Rückzugsgebieten der selten gewordenen Birkhühner, gegen einen Steinbruch im Naturschutzgebiet oder um den Erhalt von Hochmooren. Neben all diesen Tätigkeiten, die zum Umdenken bewegen sollten, engagierte er sich in Naturschutzprojekten, um "Hoffnung zu pflanzen", wie er sagte. Mit seiner unabhängigen, kritischen Stimme machte er sich im Allgäu nicht überall Freunde. Das kommt auch in einem Buch mit dem Titel "Tatort Alpen. Karl Partsch - der sanfte Rebell" zur Sprache, das der Journalist Manfred Spöttl schrieb. Der Stärke des Buches liegt in der bildreichen Darstellung der Umweltprobleme einer Bergregion, aber auch der positiven Handlungsbeispiele.


...und Hoffnung pflanzen

Karl Partsch war Vorbild, wenn es darum ging, selbst anzupacken: beispielsweise beim Sammeln von Samen im Gebirge, um Gräser und Sträucher, speziell Pioniergehölze, im Tal gärtnerisch zu vermehren, damit sie dann wieder an Erosionsstellen im Gebirge eingepflanzt werden konnten. Das von ihm "Übergangstrategie" genannte Vorgehen war eines seiner größten Verdienste. In diesem Zusammenhang organisierte er gemeinsam in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Alpenverein in den 1980er Jahren Hochlagenbegrünungen am Fürschießer in den Allgäuer Alpen, schreibt der Deutsche Alpenverein. Dort hat Karl Partsch neue Erosionsschutzmodelle (Befestigung von Jutematten und Bepflanzung mit alpinen Gräsern) in der Praxis erprobt.

Mit vielen Freiwilligen, darunter auch Seniorengruppen aus Stuttgart, initiierte der Alpenkenner Aktionen im Allgäu. Bis in die neunziger Jahre hinein leitete er Gruppen der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Junggärtner und die Umwelt-Werkstatt der Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt e.V. Berlin (ASW) an, Pioniergehölze (vor allem Weiden, Grünerlen) an erodierten Berghängen zu pflanzen.


Für den Umweltschutz motivieren

1988 haben zwei Mitglieder der ASW in Kooperation mit Partsch das erste Aktivseminar mit dem Thema "Alpen und Himalaja - global denken, lokal handeln" organisiert. Sie wurden dazu durch die Begegnung mit Karl Partsch und Sunderlal Bahuguna, indischer Journalist und Umweltschützer, beim ersten Deutschen Umwelttag in Würzburg angeregt. An drei Tagen haben die 20 Teilnehmer/-innen etwa 3.000 Pioniergehölze wie Berberitzen, Mehlbeeren und Wildrosen an einem abrutschgefährdeten Hang oberhalb eines Bauernhofs am Kleinen Alpsee gepflanzt. Nach einem schweren Unwetter trat der Wildbach über die Ufer, überschwemmte das Gehöft und richtete mit seinem Geröll starke Schäden an. Später hat die Familie, die den Hof betreibt, weitere Aufforstungsaktionen durchgeführt, und inzwischen ist dort am Hang ein kleiner Bergschutzwald entstanden.


Exkursion mit "wandelnder Enzyklopädie"

Zwanzig Jahre, von 1988 bis 2007, war die botanisch-ökologische Exkursion mit Karl Partsch fester Bestandteil der einwöchigen Umwelt-Werkstatt, die das Bildungsprojekt im Auftrag der ASW jedes Jahr durchgeführt hat. Die Exkursionen mit ihm waren immer ein besonders interessanter und spannender Abschluss der Bildungsveranstaltung. Er zeigte eindrücklich die teilweise gravierenden Boden- und Pflanzenschäden, unter anderem durch Luftimmissionen, waldbauliche Fehlentwicklungen, auf und warnte vor den Folgen. Aber er blieb nicht bei den negativen Erscheinungen stehen, sondern begeisterte die Seminarteilnehmer/-innen mit seinem umfassenden botanischen Wissen für Schönheit und Schutz der Berglandschaft: Partsch führte zu Standorten seltener Orchideenarten; er konnte einprägsam erläutern, dass diese unscheinbare, häufige Blütenpflanze, der "stinkende Hainsalat", als wichtiger Anzeiger der ursprünglichen Buchenwälder gilt. Gepaart mit Anekdoten und umwelt- und kulturgeschichtlichen Aspekten praktizierte er einen ganzheitlichen Bildungsansatz, der alle Sinne ansprach und die Liebe zur Natur weckte bzw. stärkte.

Es war zur Gepflogenheit geworden, jede Exkursion bei einer gemütlichen Gesprächsrunde in einem Landgasthof zu beenden. Auf eine Spezies Mensch war er allerdings nicht gut zu sprechen, den wie er ihn nannte "homo politicus", welchen er zum Beispiel wegen seiner mangelnden Weit- beziehungsweise Einsicht pointiert und humorvoll kritisieren konnte. Solche Erfahrungen mit dieser Gattung Mensch konnte er in seiner Zeit als Mitglied des Europäischen Parlaments machen, in das er 1989 als unabhängiger Abgeordneter (über die Wahlliste der Grünen) gewählt wurde. Als Mitglied des Umweltausschusses setzte sich der Umweltaktivist vor allem für Themen und Entschließungen zum Alpen- und Bergwaldschutz, aber auch zum Nord- und Ostseeschutz ein und besuchte Länder mit tropischen Regenwäldern. Seine damals verfassten Berichte haben auch heute noch nichts von ihrer Aktualität und Brisanz eingebüßt und sind noch immer eine spannende Lektüre.

Im Laufe der Jahre wurde Partsch vielen Seminarteilnehmer/-innen, deren Altersspektrum von 18 bis 80 Jahren reichte, durch seine Kompetenz, seinen Mut, Unbequemes anzusprechen, seine vielfältige Erfahrung, seine geistige Regheit und sein unermüdliches Engagement für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen zu einem Vorbild. In der letzten Zeit lebte er zurückgezogener, aber auch mit 86 Jahren hatte er noch viele Pläne, und er war in seinem geliebten Bergwald unterwegs. Im Alter von fast 87 Jahren verstarb Karl Partsch am 14. Januar 2009 in Sonthofen.

Reinhild Schepers, Erich Lutz
Umwelt-Werkstatt
www.umweltwerkstatt.polygala.de


*


Quelle:
DER RABE RALF - 20. Jahrgang, Nr. 149, April/Mai 09
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.grueneliga-berlin.de/raberalf

Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: 10 Euro/halbes Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Mai 2009