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ALTLASTEN/010: Bleibende Uranaltlasten (Strahlentelex)


Strahlentelex mit ElektrosmogReport
Unabhängiger Informationsdienst zu Radioaktivität, Strahlung und Gesundheit
Nr. 732-733 / 31. Jahrgang, 6. Juli 2017 - ISSN 0931-4288

Uranbergbau
Bleibende Uranaltlasten
Die weltweit größte Uranbergbausanierung hinterlässt Uranaltlasten in Sachsen und Thüringen - Weshalb?

Von Frank Lange(*)


Ein kürzlich für das Deutsch-Koreanische Konsultationsgremium erarbeiteter Fachbeitrag [1] des Kirchlichen Umweltkreises Ronneburg ermittelte den Anteil der DDR-Umweltbewegung an der Einstellung und umfassenden Sanierung der Uranbergbaugebiete in Sachsen und Thüringen, eines der bedeutendsten, die je existiert haben. Dabei trat zu Tage, dass die unzureichende Verwahrung bereits vor 1990 stillgelegter Objekte des Uranbergbaus von damaligen Umweltgruppen aufgedeckt wurde. Im Jahre 1988 sah sich der DDR-Ministerrat gezwungen, die Erfassung, Bewertung und Notfallabhilfe solcher Standorte auf den Weg zu bringen. Damals war nicht abzusehen, dass sich derartige Probleme in Form des späteren, darauf aufbauenden Altlastenkatasters [2] noch über Jahrzehnte fortsetzen werden.

Die sowjetisch-deutsche Aktiengesellschaft (SDAG) Wismut baute auf DDR-Gebiet von 1946 bis 1990 rund 231.000 Tonnen Uran ab, was Platz vier im Weltmaßstab bedeutete. Der mitteldeutsche Raum stellte auf über 1.500 Quadratkilometern ein intensives Erkundungsgebiet zur Sicherung des sowjetischen Uranbedarfes dar. Der äußerst geringe Urangehalt im Erz (meist unter 0,1 Prozent) führte zu einer exorbitanten Flächeninanspruchnahme und Abraumaufhäufung gegenüber Uranminen sonst üblicher Abbaugebiete. Um eine Tonne Uran zu erhalten, musste man ungefähr 1.100 Tonnen Erzgestein fördern, zuzüglich 2.100 Tonnen Abraum. Die teilweise erzhaltigen Massen wurden einfach neben den Aufschlussstellen abgelagert, aufgeschüttet und bilden bis heute das Gros der an vielen Orten verstreuten Uran-Altstandorte. Eine tiefgreifende Schädigung von Natur, Mensch und Umwelt war die Folge. Noch 1990 standen vor allem in Sachsen und Thüringen 37 Quadratkilometer Betriebsflächen unter der Verfügungsgewalt der SDAG; aber auch 22,8 Quadratkilometer bereits stillgelegte Bergbauflächen konnten nicht als sicher verwahrt eingestuft werden. Der eingangs benannte Beitrag legt dar, dass gerade engagierte Bürger und Umweltgruppen in den 1980er Jahren unter erheblichen Gefahren diese Problematik offenlegten. Hieraus erklärt sich auch das bis heute anhaltende Interesse des Kirchlichen Umweltkreises Ronneburg, zur Lösung der Problematik beizutragen. Trotz Restriktionen und Stasi-Überwachung konnte das damalige Staatliche Amt für Atomsicherheit und Strahlenschutz durch Widerstand der Bürger bewegt werden, den erwähnten Ministerratsbeschluss herbeizuführen, wodurch "Altstandorte" erstmals einer radiologischen Bewertung unterzogen und eine Reihe von Abhilfen ausgelöst wurden. Eigentlich handelte es sich um die Geburtsstunde des heutigen Altlastenkatasters und dessen zugehöriger Datenbank A.LAS.KA,(1) da man nach der politischen "Wende" auf die damals erarbeiteten Daten zurückgriff. Während die bis heute immer noch andauernde Sanierung der Betriebsflächen unter beachtlicher internationaler Anerkennung inzwischen sehr weit vorangeschritten ist, verblieben die Altstandorte (vorerst) im Dornröschenschlaf. Zweck der nachfolgenden Ausarbeitung ist die Klärung: Weshalb fanden nicht alle radioaktiv belasteten Objekte Aufnahme in die Wismut-Sanierung des Bundes?(2) Welche Notwendigkeiten bestehen jedoch? Wie ist eine langfristige Problemlösung realistisch realisierbar?



Die gesetzliche Ausgangssituation

Das sogenannte Wismutgesetz (WismutAGAbkG) vom 13. Dezember 1991 [3] beruht auf dem "Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) vom 16. Mai 1991 über die Beendigung der Tätigkeit der Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft Wismut". Es stellte die UdSSR von allen Folgelasten des Uranbergbaus in der DDR frei und begrenzte die Beseitigung dieser Folgen auf die 1991 noch mehr oder weniger aktiven Urananlagen. Der entsprechende Passus im Artikel 5, Paragraf 1 lautet: "Das Recht, die Suche, Erkundung, Gewinnung und Aufbereitung von Uranerzen durchzuführen, das der Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft gemäß dem Abkommen vom 7. Dezember 1962 zwischen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Fortsetzung der Tätigkeit der gemischten Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft Wismut am Tage des Wirksamwerdens des Beitritts gemäß Einigungsvertrag zustand, gilt als Bergwerkseigentum im Sinne des § 151 des Bundesberggesetzes vom 13. August 1980 (BGBl. I S. 1310) in der jeweils geltenden Fassung weiter." Demnach wurden unter Bezugnahme auf das (seltsamerweise vorletzte) Regierungsabkommen zwischen der DDR und der UdSSR von 1962 diejenigen Bergbauanlagen, die sich zum 3. Oktober 1990 im Eigentum des Bergbaubetriebes befanden, festgestellt und entsprechend Paragraf 2 "... der Abwicklung und Sanierung ..." zugeführt.



Folgen für die Uranaltlasten

Auf Grundlage der Artikel 2 und 3 des Wismut-Gesetzes entstand das bundeseigene Sanierungsunternehmen Wismut GmbH. Dieses richtete die bergtechnisch erforderlichen Rahmenbetriebspläne und die daraus folgende Sanierungsplanung auf die in ihrer Rechtsträgerschaft verbliebenen Immobilien aus. Alle bereits stillgelegten Flächen und Objekte des vormaligen Uranabbaus, die sich also 1990 im Eigentum Dritter befanden und später als Altstandorte des Uranbergbaus bezeichnet wurden, schloss man somit von jeglicher Sanierung aus. Es handelte sich dabei um mehr oder weniger abgedeckte Halden, Schürfe, zugekippte Erzwäschen/Erzmühlen, verfüllte Tagebaubecken (zum Teil mit Müll) und diverse Immobilien von ehemaligen Werkstätten, Laboratorien und anderes mehr. Diese Objekte sind Bestandteil ein und derselben 40jährigen Bergbauära, wie die Sanierungsobjekte der mitunter benachbarten, gleichartigen Betriebsflächen der neuen Wismut GmbH. Nur fand zu DDR-Zeiten in Form von Übergaben unter anderem an damalige Räte der Kreise ein Eigentümerwechsel statt. Die nicht, schlecht oder teilsanierten Bergbauflächen und -objekte wurden entweder weitergegeben (z.B. an Kommunen) oder erfuhren eine eingeschränkte Nutzung, sehr oft zur Müllentsorgung aller Couleur. In Thüringen bezeichnet das Landesbergamt diese Objekte als Hinterlassenschaften des Uranbergbaus, die "aus dem Bergrecht entlassen" sind. Inzwischen ist auch die Eigentümerpalette unübersichtlich geworden, was die Problematik weiter verschärft, da Nutzungsbeschränkungen im Sinne des Berg- und Strahlenschutzrechtes nicht oder nur teilweise greifen. Ist heute noch ein Nachweis von Eigentumsübertragungen aus dem ehemaligen Uranbergbau heraus möglich, so besteht ein Anspruch auf Anerkennung als Uranbergbau-Altstandort. In Thüringen ist das bisher ohne Belang, im Freistaat Sachsen allerdings ein Umstand, mit dem die betroffenen Kommunen einiges anfangen können. Wie lief nun eine Rückübertragung von Uranbergbauflächen und -objekten in der DDR-Zeit ab?


Abbildung 1: Auszug aus Paragraf 2 der heute noch gültigen "Anordnung zur Gewährleistung des Strahlenschutzes bei Halden und industriellen Absetzanlagen" (Haldenanordnung, StrlSAblAnO) der DDR von 1980 zum Rechtsträgerwechsel [4]



Eigentumsübertragungen nach DDR-Recht

Die Übergabe bergbaulichen Terrains erfolgte zunächst einmal auf Grundlage der heute noch gültigen Haldenanordnung [4]. Abbildung 1 enthält einen Auszug aus dem Paragraf 2, wonach mit einer ordnungsgemäßen Übergabe zu rechnen wäre. Die Praxis sah anders aus, da eine überaus seltsame Prozedur stattfand. Abbildung 2 zeigt einen Auszug einer Mitteilung der Staatssicherheit [5], die sich Strahlentelex selbst ein Bild zu dieser Sachlage machen wollte.


Abbildung 2: Auszug aus einer Mitteilung der Abteilung Wismut der Staatssicherheit der DDR von 1985 [5] zur Praktik der Übergabe von Wismut-Objekten an Dritte


Also erhielten Nachnutzer das jeweilige Objekt nicht direkt von der SDAG Wismut, da eine Übergabe nach dem Motto "gekauft wie gesehen" an eine zwischengeschaltete staatliche Einrichtung erfolgte. Diese hatte das Bergbauunternehmen von jeder Folgeverantwortung freizustellen und Nachnutzerverträge zu schließen, die eine volle Verantwortungsübernahme beinhalten mussten. Zu radioaktiver Vorbelastung durften keine Ausführungen gemacht werden. Lediglich mündlich informierte die weitergebende Behörde zur "Besonderheit Wismut", indem Änderungen bei Nutzung und Bebauung als zustimmungspflichtig durch das Staatlichen Amt für Atomsicherheit und Strahlenschutz erklärt wurden. Die in Abbildung 2 erwähnte geheime Übergabeurkunde zur Verantwortungsfreistellung war in der Regel selbst für außergewöhnliche Großprojekte nicht sehr umfassend. Abbildung 3 zeigt ein Beispiel in russischer Sprache für drei mehrere hundert Hektar große und zum Teil weit auseinanderliegende Uran-Territorien bei Ronneburg (Gauern, Sorge) und Saalfeld (Dittrichshütte), die sozusagen in einem Ritt abgestoßen wurden und das Buchungskonto der SDAG um 6,9 Millionen DDR-Mark entlasteten.


Abbildung 3: Übergabeurkunde radioaktiver Großobjekte in russischer Sprache aus dem Jahre 1957 [6]


Könnte man der Urkunde in Abbildung 3 noch zu Gute halten, dass es die Haldenanordnung (StrlSAblAnO) 1957 noch nicht gab, so wären doch die negativen Folgen für die Eigentümer aus heutiger Perspektive einer rechtsstaatlichen Prüfung wert. Investoren, die nach der Wende in die veralteten Industrieanlagen der DDR mehr oder weniger investieren wollten, kamen in den Genuss von Altlast-Freistellungen und bei radioaktiven Altlasten sollte ein Unterschied gemacht werden? Das bedarf der Prüfung der geltenden Gesetzeslage. Doch zunächst wäre zu klären, in wie weit überhaupt Sanierungsbedarf besteht.

Sanierungsbedarf an Altstandorten

Dieses Thema erfuhr gerade für die thüringischen Standorte in der Vergangenheit im Strahlentelex bereits ausführliche Betrachtungen. Fasst man diese zusammen, so entscheidet insbesondere eine konkrete örtliche Bewertung über Sinn und Unsinn konkreter Sanierungsaufwendungen. Nicht nur die im Altlastenkataster als radioaktiv relevant ausgewiesenen Flächen, der sogenannten Kategorie B, bedürfen einer diesbezüglich genauen Überprüfung. Im vergangenen Jahr wählte der Umweltkreis Ronneburg zwei von 83 noch bekannten thüringischen Altstandorten für eine nähere spezifische Lastbetrachtung aus [7, 8]. Am Beispiel der Altstandorte Gauernhalde und Halde Dittrichshütte wurde ein Bewertungsalgorithmus entwickelt, der tatsächliche Belastungen sinnvollen Lösungsvarianten gegenüberstellte [9]. Im Falle Gauern handelte es sich um eine abnorme Uranbelastung örtlicher Gewässer und um die Gefahrensituation durch die Umgebungsstrahlung für die Bewohner der unmittelbar angrenzenden Gebäude. In Dittrichshütte stellt die Schwermetallbelastung austretender Sickerwässer ein Umweltproblem dar und aufkommende Strahlenbelastung belegt den Schutzverlust einer zu dünnen Abdeckung infolge Erschöpfung unzureichender Sanierungsleistungen vor über 40 Jahren. Welches Sanierungsszenario in Frage kommt, wäre durch weiterführende Untersuchungen der verschiedenen Belastungspfade zu prüfen. Die Art und das Ausmaß der Exposition durch die unterschiedlichen Konzentrationen der radioaktiven und chemisch-toxischen Schadstoffe, die nach wie vor in die Biosphäre gelangen, sind sehr vielschichtig. Mit Bezug auf das langjährige Mittel der zulässigen Strahlenexposition von 1 Millisievert pro Jahr für die Bevölkerung ist zusätzlich der Abstand der Objekte zur Wohnbebauung entscheidend. Stellt man nur auf dieses Kriterium ab, so zeigten die bisherigen Untersuchungen in Übereinstimmung mit den Aussagen des Thüringer Umweltministeriums und des Thüringer Landesbergamtes, dass generell keine Altstandorte einer Sanierung zugeführt werden müssen. Wenn dem so wäre, müsste ein Vergleich zu den Sanierungsobjekten der Wismut GmbH dies bestätigen. Intensives Archivstudium ermöglichte nachfolgenden Überblick.


Grafik: © Kirchlicher Umweltkreis Ronneburg

Abbildung 4: Maximaler Bereich der Gamma-Dosis (in Nanosievert pro Stunde; nSv/h; 1 nSv = 0,001 µSv) auf Halden von Altstandorten und Betriebsflächen des Uranbergbaus 1990.
Grafik: © Kirchlicher Umweltkreis Ronneburg


Im Diagramm der Abbildung 4 sind Standorte, die 1990 nicht zur Sanierung vorgesehen wurden, einer Auswahl von Betriebsflächen der Wismut GmbH vor ihrer Sanierung gegenübergestellt. Zunächst ist festzustellen, dass bezogen auf die Gammastrahlung etwa 6 Objekte der bis heute unsanierten Altstandorten (im Diagramm links) das Belastungsniveau der zur Sanierung vorgesehenen Objekte (rechts) erreichten oder sogar überschritten. Die Altstandorte verfügten im Gegensatz zu den Betriebsflächen damals bereits meistens über eine gewisse Abdeckung. Insofern überrascht das Ergebnis, zumal keine Hot Spots gewählt, sondern die oberen Maximalwerte für die Bewertung herangezogen wurden. Demzufolge sind auch die niedrigeren Werte der Gammastrahlung nicht auf ein geringeres Strahlungspotential, sondern auf mehr oder weniger wirksame Abdeckungen der Haldenkörper zurückzuführen. Eine Überschreitung der Strahlenexposition für die Bevölkerung trat allerdings auch bei den unabgedeckten Sanierungsobjekten vor der Sanierung nicht auf. Hierfür war die Entfernung zur jeweiligen Wohnbebauung bei den ausgewählten Objekten zu weit. Insofern wäre eine strahlenschutzrelevante Sanierung in beiden Gruppen gesetzlich nicht notwendig!

In Abbildung 5 sind die ermittelbaren Angaben zur Bodenaktivität mit einem Balkendiagramm ergänzt eingepflegt.


Grafik: © Kirchlicher Umweltkreis Ronneburg

Abbildung 5: Maximaler Bereich der Gamma-Dosis (in Nanosievert pro Stunde; nSv/h; 1 nSv = 0,001 µSv) und Maximaler Bereich der Bodenaktivität (in Becquerel pro Gramm; Bq/g) auf Halden von Altstandorten und Betriebsflächen des Uranbergbaus 1990.
Grafik: © Kirchlicher Umweltkreis Ronneburg


Die Aktivitätsbelastungen nicht zur Sanierung vorgesehener Areale liegen auf bzw. deutlich über dem Niveau der für die Sanierung berücksichtigten Objekte!

Die Angaben der oben genannten Beispiele finden sich in den Diagrammen der Abbildungen 4 und 5 unter "DH 591/5" und unter "Gauernhalde" wieder.

Aktuelle gesetzliche Sanierungsvorgaben für den Uran(alt)bergbau

Die gegenwärtige "Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen" (Strahlenschutzverordnung - StrlSchV)(3) befindet sich aktuell infolge der notwendigen Umsetzung der EURATOM 2013/59 in einem Prozess der Umgestaltung. Anlässlich der Zustimmung des Bundesrates(4) zum neuen Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) vom 12. Mai 2017 erklärte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks: "Das Strahlenschutzrecht hat weitreichende Bedeutung für die menschliche Gesundheit und Relevanz für viele Lebensbereiche. Mit dem modernisierten und ausgeweiteten Regelwerk haben wir eine verlässliche Grundlage für einen umfassenden Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor ionisierender Strahlung. Beim radiologischen Notfallschutz schaffen wir ein modernes Managementsystem, mit dem wir eine Vielzahl von Notfallszenarien abdecken können - einschließlich schwerer Unfälle in Atomkraftwerken. (...) Bislang war das Strahlenschutzrecht in der auf dem Atomgesetz basierenden Strahlenschutzverordnung und der Röntgenverordnung geregelt. Aus Anlass der Umsetzung einer Euratom-Richtlinie wurden nun erstmals alle Bereiche des Schutzes vor ionisierender Strahlung systematisch in einem Gesetz zusammenfasst." [10]

Die Einlassung von Barbara Hendriks zur verlässlichen Grundlage sollte in Bezug auf die Uranaltstandorte tiefer revidiert werden. Das neue StrlSchG als Teil des bisherigen Referentenentwurfs "Gesetz zur Neuordnung des Rechts zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung" vom 14. September 2016[11] beinhaltet in Teil 4 "Strahlenschutz bei bestehenden Expositionssituationen" im Kapitel 4 Definitionen und Handlungsrichtlinien für radioaktiv kontaminierte Gebiete. Die Paragrafen 129 bis 139 bedeuten für die Uranstandorte:

• Die "Komplexität der Stilllegungs- und Sanierungsvorhaben im Bereich der Wismut GmbH" ([11] S. 399) führt dazu, dass die Sanierungsmaßnahmen ihre bisherigen gesetzlichen Regelungen beibehalten, das heißt: Fortgeltung des DDR-Rechts mit breiterer radioaktiver Komponentenbetrachtung. Paragraf 139 regelt expliziert die Wismut-Sanierungsobjekte des Uranbergbaus.

• Dagegen verharren die Uranaltstandorte außerhalb der Wismut GmbH nach Paragraf 129 (1) weitgehend auf der Expositionsbetrachtung nach der bisherigen StrlSchV: Für Einzelpersonen der Bevölkerung gilt ein Referenzwert der effektiven Dosis von 1 Millisievert im Kalenderjahr. Alle Standorte, die diesen Wert für die Bevölkerung unterschreiten gelten nicht als radioaktive Altlast und die Grundwasserverseuchung aus diesen Objekten bliebe ohne die in [4] vorgesehene Beanstandungsmöglichkeit! Das würde fast alle Altstandorte betreffen. Absatz (3) lässt durch die Berücksichtigung planungsrechtlicher Grundsätze noch eine kleine Hintertür geöffnet. Sollte eine Verordnung dem Gesetz folgen, müsste dieser Punkt dahingehend konkretisiert werden, dass radioaktiv relevante Objekte nicht aus der Altlasteinordnung herausfallen können.

• Paragraf 130 (1) benennt Verantwortlichkeiten für radioaktive Altlasten: 1. Wer die Kontamination verursacht hat; 2. Gesamtrechtsnachfolge für den Verursacher; 3. Eigentümer und 4. Nutzer. Sofern hier eine Reihenfolge beabsichtigt ist, wäre die Lösung von oben beschriebenen Eigentumsübertragungen aus der DDR-Zeit rechtsstaatlich heilbar. Im Entwurf wird aber von Einzelfallenscheidungen gesprochen ([11] S. 390).

• Für radioaktive Altlasten außerhalb der Wismut GmbH ist statt des Bergrechtes das Bundes-Bodenschutzgesetz anzuwenden. Die resultierenden Anforderungen bedürfen detaillierterer Angaben, da es z.B. für Uran gar keine bodenschutzrechlichen Vorsorge- und Prüfwerte gibt.

Problemlösung

Die bisherige Strahlenschutzgesetzgebung konnte einer Bewertung radioaktiver Standorte des Uranbergbaus nicht gerecht werden. Um die Sachlage überhaupt berücksichtigen zu können, galt in der StrlSchV für die Sanierungsstandorte über den Paragrafen 118 DDR-Recht fort.

Eine sinnvolle Problemerfassung der Uranaltlasten ist möglich, wenn die Bewertungskriterien(5) des Altlastenkatasters umfassend angewendet und möglichst konkretisiert werden (siehe Tabellen 2 und 3 in [9]).

Das neue StrlSchG stellt weiterhin lediglich auf die Exposition von 1 Millisievert pro Jahr ab und ignoriert dadurch die von der EURATOM 2013/59 eingeräumte Möglichkeit, bei den festzulegenden Referenzwerten sowohl Anforderungen des Strahlenschutzes als auch gesellschaftliche Kriterien einfließen zu lassen. Immerhin fordert der Paragraf 129 (2) die Bundesregierung auf "... durch Rechtsverordnung ... die Anforderungen für die Ermittlung der Exposition und Prüfwerte, bei deren Unterschreitung keine radioaktive Altlast vorliegt, festzulegen." ([11] S. 105)

Es kommt nun darauf an, die entsprechenden Rahmen- und Randbedingungen so zu setzen, dass die relevanten Altlasten künftig nicht erneut aus allen Überwachungen herausfallen. Welche negativen Folgen die Ignorierung der Altstandorte mit sich bringen kann, verdeutlicht Abbildung 6: Der langjährige Vergleich der jeweiligen Maximalwerte der atmosphärischen Radonbelastung in den Sanierungsgebieten Ronneburg mit Seelingstädt offenbart einen fatalen Trend. Im Raum Seelingstädt sind viele unsanierte Altlasten vorhanden. Während sich nun mit dem Sanierungsfortschritt die Maximalbelastungen in Ronneburg dem natürlichen Hintergrund stabil angenähert haben, bleibt dieser Belastungspegel in Seelingstädt erhalten, was den Sanierungserfolg für das Gesamtgebiet deutlich schmälert.


Grafik: © Kirchlicher Umweltkreis Ronneburg

Abbildung 6: Einfluss unsanierter Uran-Altstandorte auf sanierte Gebiete; Vergleich der Maximalen Radon-Belastung (in Becquerel pro Kubikmeter; Bq/m³) der Atmosphäre in den Sanierungsgebieten Ronneburg und Seelingstädt (Umfeld IAA)
Grafik: © Kirchlicher Umweltkreis Ronneburg


Eine ernsthafte Umsetzung einer Altlastenbewertung im Sinne des Paragrafen 129 StrlSchG erfordert die Berücksichtigung folgender Belastungspfade:

• Erfassung/Bewertung des örtlichen radioaktiven Potentials mittels ausreichender Boden- und Rammkernsondierungen (spezifische Aktivität Nuklidreihe)

• Ortsdosisleistungs- und Radonmessungen im Vergleich zu dem natürlichen Hintergrund darstellen

• Sickerwasseruntersuchung (chemisch und radiologisch) mit Wirkung auf den Wasserpfad; Sedimentprüfung belasteter Vorfluter; hydrologische und wasserwirtschaftliche Aspekte prüfen

• konkrete Biopfaduntersuchungen; nur wenn keine Auffälligkeiten zu erwarten sind, sollte bisherige pauschale Berücksichtigung erfolgen

• aus einer Gesamtbilanz werden die zulässigen Aufenthaltszeiten für 1 mSv/a ermittelt und den planungsrechtlichen Belangen gegenübergestellt(6)

• sonstige Einflussfaktoren örtlich konkret feststellen und bewerten (Beispiel: tatsächlicher Zustand und Wirkung der Altabdeckungen)

• Schlussfolgerungen für Handlungsbedarf und -umfang ableiten

Ausblick

Die radioaktiven Hinterlassenschaften des Uranbergbaus, die 1990/91 nicht unter das Wismut-(Sanierungs-)Gesetz fielen, stellen grundsätzlich ein Gefahrenpotential dar. Es ist erwiesen, dass von ihnen zum Teil vergleichsweise höhere Gefahren ausgehen können als von einer Vielzahl von Betriebsflächen vor der Sanierung. Das neue Strahlenschutzgesetz heilt die bisherigen Fehler in der Gesetzgebung nicht, im Gegenteil: Die Gefahr des "Vergessens" dieser radiologischen und/oder chemisch-toxikologischen Altlasten besteht zunehmend. Der Freistaat Sachsen stemmt sich seit vielen Jahren durch Sonderprogramme gegen diese Ignoranz. Obwohl die gesetzlichen Grundlagen nicht ausreichend gegeben sind, laufen Sanierungsmaßnahmen für Altstandorte seit 2001 und sind in den kommenden Jahren geplant. In Thüringen wird der Sanierungsbedarf weiter in Abrede gestellt.


Anmerkungen

(*) Dipl.-Ing. Frank Lange, Kirchlicher Umweltkreis Ronneburg, franklange44[at]web.de

(1) A.LAS.KA wurde vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in Länderhoheit überführt, mit der dringenden Empfehlung, die Daten weiter aufzubereiten.

(2) Eigentümer der Wismut GmbH ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

(3) Strahlenschutzverordnung vom 20. Juli 2001 (BGBl. I S. 1714; 2002 I S. 1459), zuletzt geändert am 27.01.2017 (BGBl. I S. 114, 1222)

(4) Das Bundeskabinett beschloss den Gesetzentwurf bereits am 25.01.2017; ein Anhörungsverfahren, das diesen Namen verdient, fand nicht statt; die erwähnte Abstimmung in den Ländern bestand in Thüringen lediglich in einer Informationsveranstaltung am 24.05.2017.

(5) Das Kataster verfügt über sinnvolle Bewertungskriterien, die allerdings oft offen gelassen wurden und der Nacherfassung bedürfen, z.B. Abdeckungsstärken, diverse Messdaten u.a.

(6) Würde für das Beispiel "Gauernhalde" eine angrenzende landwirtschaftliche Nutzfläche ausgewiesen, fällt die Halde aus der Altlasteinordnung heraus; wenn eine Wohnbebauung vorgesehen wird, handelt es sich plötzlich um eine gefährliche Althalde mit akutem Handlungsbedarf.


Literatur

1. "Die Umweltbewegung als Opposition in der DDR und ihr Einfluss auf die friedliche Revolution"; Fachbeitrag von F. Lange im Rahmen der 7. Sitzung des Deutsch-Koreanischen Konsultationsgremiums zu Vereinigungsfragen, 05.05.2017

2. Altlastenkataster: "Radiologische Erfassung, Untersuchung und Bewertung bergbaulicher Altlasten", Bundesamt für Strahlenschutz 1991-2001

3. Gesetz zu dem Abkommen vom 16. Mai 1991 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Beendigung der Tätigkeit der Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft Wismut

4. Anordnung zur Gewährleistung des Strahlenschutzes bei Halden und industriellen Absetzanlagen und bei der Verwendung darin abgelagerter Materialien vom 17. November 1980 (GBl. DDR 1980 I S. 347)

5. Mitteilung der Abteilung Wismut der Bezirksverwaltung Karl Marx Stadt des MfS vom 22.11.1985; BSTU 0052 in "Geheime Verschlusssache Wismut" Kirchlicher Umweltkreis Ronneburg; 2012

6. Archivmaterial des Kirchlichen Umweltkreises Ronneburg

7. Frank Lange: "Thüringen erhält sich den Ewigkeitscharakter seiner Uranbergbaualtlasten", Strahlentelex Nr. 702-703 v. 7.4.2016, S.2-6,
www.strahlentelex.de/Stx_16_702-703_S02-06.pdf

8. Frank Lange: "Uranbergbaualtlasten - ein Fluch für jede betroffene Kommune im Bundesland Thüringen", Strahlentelex Nr. 708-709 v. 7.7.2016, S. 1-7,
www.strahlentelex.de/Stx_16_708-709_S01-07.pdf

9. Frank Lange: "Konkretere Bewertungskriterien für Uranbergbaualtlasten - eine zeitgemäße Forderung im Rahmen der EURATOM 2013/59", Strahlentelex Nr. 714-717 vom 06.10. 2016, S. 3-14,
www.strahlentelex.de/Stx_16_714-717_S03-14.pdf

10. Pressemitteilung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zum Beschluss des Strahlenschutzgesetzes durch den Bundesrat vom 12.05.2017

11. Gesetz zur Neuordnung des Rechts zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung; Bearbeitungsstand 14.09.2016


Der Artikel ist auf der Website des Strahlentelex zu finden unter
http://www.strahlentelex.de/Stx_17_732-733_S01-06.pdf

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Quelle:
Strahlentelex mit ElektrosmogReport, Juli 2017, Seite 1 - 6
Herausgeber und Verlag:
Thomas Dersee, Strahlentelex
Waldstr. 49, 15566 Schöneiche bei Berlin
Tel.: 030/435 28 40, Fax: 030/64 32 91 67
E-Mail: Strahlentelex@t-online.de
Internet: www.strahlentelex.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. September 2017

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