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MELDUNG/275: Hochwasserschutzkonferenz in Potsdam - Weitere Retentionsräume schaffen! (NABU BB)


NABU Landesverband Brandenburg - Pressedienst Naturschutz aktuell, 9. April 2014

Weitere Retentionsräume schaffen!

Landnutzung anpassen / Auch Klimaschutz ist Hochwasserschutz



Brandenburg hat in den letzten Jahren viel in den technischen Umweltschutz investiert, immer höhere und breitere Deiche wurden an großen, aber auch kleineren Flüssen gebaut. "Doch in erster Linie auf den technischen Hochwasserschutz zu setzen", so Friedhelm Schmitz-Jersch, Vorsitzender des NABU Brandenburg "greift zu kurz. Wir müssen jetzt einen breiten Dialog über den vorsorgenden Hochwasserschutz führen. Dabei muss endlich die Schaffung weiterer großflächiger Flutungsflächen in Niederungsgebieten konsequent angegangen werden, um auf zukünftige Hochwasserextreme vorbereitet zu sein."

Mit der Deichrückverlegung in Lenzen wurde zwar ein Schritt in die richtige Richtung getan, doch reiche dieser bei weitem nicht aus, so der NABU-Vorsitzende. "Obwohl die gesamte Elbe mit solchen Planungen im Bundesvergleich bereits sehr weit ist (umgesetzt sind ca. 700 Hektar, weitere 2600 Hektar sind in der Planung), gestaltet sich auch hier die Umsetzung dieser Vorhaben häufig sehr zeit- und ressourcenaufwendig, da neben neuen Deichlinien im hohen Maße die Flächenverfügbarkeit geklärt werden muss und Nutzungsänderungen insbesondere in der Landwirtschaft oftmals gegen großen Widerstand, wie wir es am Bösen Ort an der Elbe erlebt haben, abzustimmen sind", führt der NABU-Vorsitzende aus.

Die Flutung der Havelpolder bei Strodehne habe gezeigt, wie sich Hochwasserspitzen äußerst wirksam, und im Vergleich zu den aufwändigen Deichbauten noch dazu kostengünstiger, entschärfen lassen. Ziel der Landesregierung muss es sein, im Allgemeininteresse mehr Retentionsflächen, auch gegen den Widerstand einzelner Bürger und Landwirte, zu schaffen. Eine Renaturierung unserer Flüsse würde darüber hinaus Tieren und Pflanzen der Auen Lebensraum schaffen.

Die Landnutzung in Niederungsgebieten muss sich am vorsogenden Hochwasserschutz ausrichten, so die Forderung des NABU. Niedermoore, die mit ihrer Torfschicht wie ein Schwamm wirken, müssen erhalten oder wieder hergestellt werden. In flussnahen Gebieten muss die Grünlandwirtschaft Vorrang vor dem Ackerbau haben. Nicht nur, um die Flächen nach einer eventuellen Flutung baldmöglichst wieder nutzen zu können, sondern auch, um den Nährstoffeintrag in einem solchen Fall, der z.B. 2012 zum Fischsterben an der Unteren Havel führte, zu minimieren.

"Die Häufung der Extremwetterereignisse, die in den vergangenen Jahren in Brandenburg zu mehreren "Jahrhunderthochwassern" führten, geht auch auf den Klimawandel zurück. Brandenburg trägt mit der Fortführung und sogar Ausweitung der klimaschädlichen Braunkohleverstromung einen nicht unerheblichen Teil dazu bei und kommt seiner Verantwortung nicht nach, den CO2-Ausstoß zurückzufahren", so Friedhelm Schmitz-Jersch.


Hintergrund:

Die weitere Erhöhung der Deiche sowie die Beibehaltung ausgegrenzter Retentionsflächen erhöhen das Gefahrenpotenzial bei zu erwartenden Hochwasserereignissen nach Starkniederschlägen.

Die Sohleintiefung in der Elbe beträgt aktuell mehr als 1,50 Meter!

Die Folgen sind: Austrocknung der Aue, die Weichholzaue wird zu Hartholzaue, die Restgewässer verlanden und werden zur Weichholzaue, die Lurchreproduktion wird dramatisch gestört, das Aussterben von ganzen Molluskenpopulationen befördert. Ebenso dramatisch ist der Schwund der bis dato für die Auen charakterisierenden Populationen der Brutlimikolen (Großer Brachvogel, Uferschnepfe, Rotschenkel, Kampfläufer, Kiebitz).

Abhilfe: Wiederanschluss der durchströmten Auen durch Deichrückverlegung und natürliche Sohlaufhöhungprozesse durch Buhnenrückbau (oder nur Schulterschlitzung) zwecks Zulassung der Seitenerosion.


Natürlicher Hochwasserschutz durch mehr Raum für die Flüsse:

Deutschlandweit sind inzwischen zwei Drittel der ehemaligen Überschwemmungsgebiete durch Deichbau und andere Hochwasserschutzmaßnahmen verloren gegangen. An den großen Flüssen wie Rhein, Elbe, Donau und Oder ist die Situation zum Teil noch drastischer. An vielen Abschnitten stehen nur noch zehn bis zwanzig Prozent der ehemaligen Auen als Überschwemmungsflächen zur Verfügung.

Diese Auen erfüllen neben vielfältigen Naturschutzaufgaben auch neben der Reinigung des Wassers eine wichtige Funktion im Hochwasserfall:

Sie halten die Wassermengen möglichst lange in der Fläche und puffern somit die Spitzen der Hochwasserwellen ab. Einige Zentimeter weniger können an vielen Stellen entscheiden, ob eine Schutzmauer und die Siedlung dahinter überflutet werden oder nicht.

Würden alle Rückdeichungsmaßnahmen realisiert, die z.B. an der Elbe in der Planung sind, dann würden sich die Wassermassen auf über 23 000 Hektar zusätzlich verteilen können, was rund ein Drittel mehr Retentionsfläche wäre.

Hochwasserschutzkonferenz
Donnerstag
10.04.2014
10:00 Uhr
Umweltministerin Anita Tack nimmt an der
Hochwasserschutzkonferenz 2014 teil.
Ort: Brandenburgsaal, Staatskanzlei, Potsdam

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Quelle:
Pressedienst, 09.04.2014
Herausgeber:
Naturschutzbund Deutschland e.V.
NABU Brandenburg
Lindenstraße 34, 14467 Potsdam
Tel: 0331/20 155 70, Fax: 0331/20 155 77
E-Mail: info@NABU-Brandenburg.de
Internet: www.brandenburg.nabu.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2014