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MASSNAHMEN/108: BfN fordert zusätzliche Anstrengungen zur Reduzierung des Flächenverbrauchs (BfN)


Bundesamt für Naturschutz (BfN)
Pressemitteilung - Bonn, 6. Februar 2009

Die "Grüne Wiese" soll teuer werden

BfN fordert zusätzliche Anstrengungen zur Reduzierung des Flächenverbrauchs


Bonn, 6. Februar 2009: In seinem neuen Positionspapier "Stärkung des Instrumentariums zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme" fordert das Bundesamt für Naturschutz (BfN) die Abkehr vom vermeintlich billigen Bauland auf der "Grünen Wiese" sowie von Bund, Ländern und Kommunen endlich ernsthafte Anstrengungen für eine nachhaltige Siedlungspolitik.

Ökonomische Anreize wie Abgaben auf Baulandneuausweisungen und handelbare Flächenausweisungskontingente gehören laut BfN zu den wichtigsten Instrumenten, um der weiterhin ungebrochen hohen Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrszwecke zu begegnen. Denn diese liegt, trotz rückläufiger Bevölkerungsentwicklung, bundesweit weiterhin bei 113 ha pro Tag, und das trotz verschiedener politischer Strategien und Willensbekundungen, die eine Begrenzung auf 30 ha pro Tag vorsehen. Für die Kommunen muss es wirtschaftlich interessanter werden, das Potential vorhandener Gewerbe- und Siedlungsflächen intensiver zu nutzen statt neue Flächen auszuweisen. Notwendig sind zudem eine verstärkte Zusammenarbeit über Gemeindegrenzen hinweg und eine effektive Standortsteuerung etwa mit Hilfe der Landschafts- und Flächennutzungsplanung. Zusammen genommen führen diese Ansätze dazu, dass Siedlungen nur noch dort wachsen, wo dies auch langfristig sinnvoll ist.

"Das derzeitige Instrumentarium scheitert am ökonomisch motivierten Wettbewerb der Kommunen untereinander. Jeder Bürgermeister versucht die kommunalen Einnahmen durch Einwohnerwachstum und neue Gewerbegebiete zu erhöhen. Solche kurzfristig und isoliert ausgerichteten ökonomischen Interessen erlangen in der Abwägung zwischen Flächensparen und Neuausweisungen viel zu häufig die Oberhand", sagte die Präsidentin des BfN, Prof. Dr. Beate Jessel.

Weit konkreter als bisher sollen nach Ansicht des BfN die Kommunen in Zukunft etwa durch fiskalische Wirkungsanalysen belegen, dass den langfristigen Belastungen durch neu ausgewiesene Wohn- und Gewerbegebiete ein angemessener ökonomischer Nutzen gegenüber steht. Auch die Kompensation von Flächenversiegelung durch entsprechende Entsiegelungsmaßnahmen sollte konsequenter gehandhabt werden. Zusätzlich schlägt das BfN positive Anreize vor, die über den kommunalen Finanzausgleich eine naturschonende Entwicklung der Kommunen belohnen. Notwendig sei eine "doppelte Innenentwicklung", die städtische Flächen und städtischen Wohnraum intensiver nutzt, dabei aber zugleich auch das Wohnen in den Innenstädten und Ortskernen attraktiver macht. . Denn schlechte Wohnqualität in den Städten gilt als wichtiger Grund für entsprechende Leerstände und die Abwanderung der Bevölkerung in das Umland.

"Die Reduzierung der Flächeninanpruchnahme für Siedlung und Verkehr ist aktiver Schutz von Klima, Boden und biologischer Vielfalt", sagte die BfN-Präsidentin. "Die derzeit weiter fortschreitende Flächenbeanspruchung ist weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll. Das Ziel, die Flächeninanspruchnahme bis zum Jahr 2020 auf 30 ha pro Tag zu reduzieren, das die Bundesregierung in ihrer 'Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt' formuliert hat, wird ohne zusätzliche Anstrengungen nicht zu erreichen sein."

Für die Akzeptanz dieser Maßnahmen sei es wichtig, in Politik und Bevölkerung das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Boden und Landschaft knappe Güter sind. Deren Verbrauch verursache erhebliche ökologische Folgekosten, so Beate Jessel.

Bezugsmöglichkeit:
Der komplette Text des Positionspapiers ist unter
http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/themen/siedlung/positionspapier_flaeche.pdf
als PDF-Datei downloadbar.


Hintergrundinformation:

Unbebaute Flächen und unversiegelte Böden sind eine Ressource, die es zu erhalten gilt, um die Leistungen des Naturhaushaltes für den Menschen zu sichern, die biologische Vielfalt zu erhalten und dem Menschen die Erholung in der freien Natur und auf Freiflächen zu ermöglichen. Während die Versiegelung des Bodens durch Verkehrsflächen und Gebäude Hochwasserschutz, Grundwasserneubildung und das lokale Klima beeinträchtigen, vernichtet die Zersiedelung Natur- und Erholungsflächen im Umland der Städte. In der Nationalen Strategie für die biologische Vielfalt wurde deshalb ebenso wie in der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung festgelegt, die tägliche Neuinanspruchnahme von Flächen für Siedlung und Verkehr bis 2020 auf 30 ha pro Tag zu begrenzen. Tatsächlich wächst die Siedlungs- und Verkehrsfläche jedoch fast ungebrochen auf hohem Niveau weiter. Im Zeitraum 1992 bis 2007 erhöhte sich die Siedlungs- und Verkehrsfläche von 40.305 km2 auf 46.789 km2. Das entspricht einer Zunahme von 16,1 %, bzw. einer durchschnittlichen täglichen Zunahme von ca. 120 ha. Auf das Jahr gerechnet entspricht das reichlich 80 % der Fläche des Bodensees. Trotz der aktuellen Konjunkturschwäche liegt die Neuinanspruchnahme gemessen im gleitenden Vierjahresdurchschnitt derzeit bei 113 ha pro Tag und damit weiterhin auf zu hohem Niveau. Auch die demographische Entwicklung führte bisher nicht zu einer spürbaren Trendwende beim Flächenverbrauch.

Das derzeitige Instrumentarium bietet zwar Möglichkeiten für ein Umsteuern, in der praktischen Umsetzung scheitert es jedoch. Dies liegt nicht zuletzt am ökonomisch motivierten Wettbewerb der Kommunen um Einnahmen durch zusätzliche Einwohner und Gewerbegebiete. Die ökonomischen Anreize zum Siedlungsflächenwachstum werden in der Abwägung um eine Neuinanspruchnahme von Flächen in der Regel stärker gewichtet als ökologische Gegenargumente. Wesentlich verantwortlich dafür sind die derzeitige Aufteilung der Steuereinnahmen (etwa aus Gewerbe- und Einkommenssteuer) auf Bund, Länder und Gemeinden, sowie die nachträgliche Zuteilung von Steuermitteln im kommunalen Finanzausgleich. Will man diese Systeme nicht grundsätzlich ändern, ist es nötig, neue Instrumente einzuführen, mit denen den negativen ökonomischen Anreizen für ein Siedlungsflächenwachstum "auf der grünen Wiese" gezielt entgegengewirkt werden kann.


Erforderliche Maßnahmen sind nach Einschätzung des Bundesamtes für Naturschutz:

• Die Einführung ökonomischer Instrumente, die die Ausweisung von neuen Siedlungsflächen im Außenbereich einschränken und ökonomisch weniger attraktiv machen. Neben einer Neuausweisungsabgabe kommen hierfür insbesondere handelbare Flächenausweisungskontingente in Betracht. Sie sichern eine wirksame Begrenzung der Flächeninanspruchnahme und sorgen gleichzeitig dafür, dass die Bautätigkeit im Außenbereich nur dort stattfindet, wo sie auch einen hohen Nutzen für die kommunale Entwicklung verspricht. Änderungen der Grund- und der Grunderwerbssteuer können unterstützend wirken, wenn dadurch Flächen im Außenbereich teurer werden.

• Durch Änderungen im kommunalen Finanzausgleich und aus Mitteln der Neuausweisungsabgabe können zusätzlich spezielle Maßnahmen wie etwa eine umweltgerechte Innenentwicklung gefördert werden. Eine besondere Motivation, unversiegelte Flächen zu erhalten und sie im Sinne der Erhaltung der biologischen Vielfalt weiterzuentwickeln, verspricht das Instrument der Honorierung naturschutzorientierter Leistungen im kommunalen Finanzausgleich.

• Grundsätzlich bedarf es der Einführung obligatorischer Prüfungen (etwa fiskalischer Wirkungsanalysen), die den Kommunen neben den ökologischen Auswirkungen deutlich machen, inwieweit von einer Baulandneuausweisung denn tatsächlich ökonomische Vorteile zu erwarten sind. Beispielhaft durchgeführte Untersuchungen machen deutlich, dass die ökonomischen Vorteile einer Neuausweisung von Siedlungs- und Gewerbeflächen überschätzt werden.

• Gleichzeitig muss das planerische und naturschutzfachliche Instrumentarium so weiterentwickelt werden, dass bestehende Innenentwicklungspotenziale in den Siedlungskernen verstärkt in Übereinstimmung mit ökologischen Zielen baulich genutzt werden. Das Ziel ist eine "doppelte Innenentwicklung", die die ökologische Qualität der innerstädtischen Wohnstandorte erhält und verbessert und sie hierdurch als Wohnstandorte attraktiver macht.

Eine solche Strategie ist nicht nur umwelt- und naturschutzpolitisch erforderlich, sie ist auch ökonomisch sinnvoll.


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Quelle:
BfN-Pressemitteilung, 06.02.2009
Herausgeber: Bundesamt für Naturschutz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Februar 2009