Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → FAKTEN

MELDUNG/022: Bahn verweigert Auskunft über ökologische Standards bei Stuttgart 21 (DUH)


Deutsche Umwelthilfe e.V. - 16. Juli 2010

Deutsche Bahn AG verweigert Auskunft über die Einhaltung ökologischer Standards bei Aufträgen für Stuttgart 21

Deutsche Bahn AG missachtet offenbar Gesundheits- und Klimaschutzvorgaben beim Milliardenprojekt Stuttgart 21 - staatseigener Konzern verweigert Auskunft über Umweltanforderungen an Bauunternehmen für Milliardenprojekt - die Deutsche Umwelthilfe wird Offenlegung der Vergabekriterien für Bauaufträge einklagen, sollte die Deutsche Bahn AG bei ihrer Verweigerungshaltung bleiben


Stuttgart, 16. Juli 2010: Die Deutsche Bahn AG verstößt beim Milliardenprojekt Stuttgart 21 offenbar gegen Gesundheits- und Klimaschutzauflagen zur Minimierung von Feinstaubemissionen, haben Recherchen der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH) ergeben. Die DUH hat daher die Deutsche Bahn AG förmlich um Offenlegung der Ausschreibungskriterien für Bauaufträge auf der Großbaustelle gebeten. Die Deutsche Bahn AG lehnt jedoch jede Art der transparenten Kommunikation ab und verweigert die Offenlegung ihrer Vergabepraxis von Millionenaufträgen. Laut Umweltinformationsgesetz (UIG) ist nach Ansicht der DUH die Deutsche Bahn AG jedoch verpflichtet, umweltrelevante Informationen zu veröffentlichen. Die DUH wird die Offenlegung der Vergabekriterien daher vor Gericht einklagen, sollte die Deutsche Bahn AG bei ihrer Verweigerungshaltung bleiben. Als "einen weiteren Skandal in der skandalreichen Geschichte von Stuttgart 21" bezeichnete DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch, dass die Bahn AG Baufahrzeuge und Maschinen anscheinend ohne Dieselrußpartikelfilter einsetzen will und so offenbar wissentlich die Gesundheit von Arbeitnehmern auf der Baustelle gefährde.

"Die Deutsche Bahn AG spart auf Kosten der Gesundheit von Menschen auf der Baustelle, auf Kosten der Bewohner Stuttgarts und auf Kosten des Klimas", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Die DB AG ist laut Planfeststellungsbeschluss verpflichtet, ausschließlich schadstoffarme Baufahrzeuge und Maschinen nach dem Stand der Technik beim Großprojekt Stuttgart 21 zuzulassen. Der Planfeststellungsbeschluss für das Bauvorhaben schreibt der Deutschen Bahn AG eindeutig vor, "im Rahmen der Ausschreibung und Vergabe von Bauleistungen sicherzustellen, dass nur schadstoffarme Fahrzeuge und Maschinen nach dem Stand der Technik zum Einsatz kommen." Genau diese Anforderung fehlt jedoch scheinbar in den Ausschreibungen für Auftragnehmer. Unter den allgemein zugänglichen Zuschlagskriterien für Bauunternehmen unter DB-Bekanntmachungen im Internet fordert die DB AG jedenfalls keinerlei ökologische Anforderungen wie z.B. Rußpartikelfilter zur Luftreinhaltung, sondern nennt nur das "wirtschaftlich günstigste Angebot" als ausschlaggebend für eine Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn AG (www.das-neue-herz-europas.de/bekanntmachungen/default.aspx)

"Die Dieselrußemissionen der Baumaschinen und Baustellenfahrzeuge werden die Luftqualität in Stuttgart mit noch mehr Dieselruß und Feinstaub verschlechtern und damit das Klima sowie die Gesundheit der Bürger belasten", sagte Dr. Axel Friedrich, Verkehrsexperte und Berater der Deutschen Umwelthilfe e.V. Die Luftqualität in Stuttgart sei bereits schlecht, wie die immer wieder kehrenden Überschreitungen der Grenzwerte für Luftschadstoffe zeigen. Bis Montag dieser Woche (12. Juli 2010) wurden die EU-Grenzwerte für besonders feinen Feinstaub (PM10) bereits 68 Mal überschritten. Der Wert von 50 µg/m3 (Mikrogramm pro Kubikmeter) darf jedoch höchstens an 35 Tagen im Jahr überschritten werden. Die Feinstaubgrenzwerte an der Messstelle Neckartor in unmittelbarer Nähe der geplanten Baustelle wurden im vergangenen Jahr 112 Mal überschritten - so oft wie an keiner anderen Messstelle in Deutschland.

Friedrich forderte eine "radikale Verminderung der Dieselrußemissionen" und erinnerte daran, dass führende Klimaforscher wie James Hansen vom NASA Goddard Institute for Space Studies die Rußpartikelemissionen aus Dieselmotoren, Kaminen und Feuerstellen für 20 bis 50 Prozent des Temperaturerhöhungen vor allem in der Arktis verantwortlich mache. Die Bevölkerung in Stuttgart leide nachweislich unter den hohen Feinstaub- und Rußpartikelkonzentrationen in der Atemluft. Die Rußpartikel aus unvollständig verbranntem Dieselkraftstoff treiben jedoch auch den Klimawandel voran. Die feinen Rußpartikel werden von den Luftströmungen der Nordhalbkugel insbesondere in die Arktis und auf die Gletscher der Hochgebirge getragen, gehen dort auf den Schnee- und Eismassen nieder und verhindern die natürliche Abstrahlung der Sonnenstrahlen von den eigentlich weißen Eisfeldern (sogenannter Albedo-Effekt). Die Dieselrußemissionen aus dem Auto- und Nutzfahrzeugeverkehr in Europa sind daher direkt für die Gletscherschmelze in der Arktis und im Hochgebirge verantwortlich.

Feinstaub sei jedoch nicht nur klimarelevant, sondern habe vor allem auch negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Professor Dr. Dr. Erich Wichmann vom Institut für Epidemiologie am Helmholtz- Zentrum München habe die Auswirkungen von Luftschadstoffen auf die Menschen erforscht und die Wirkung von Partikeln auf Lunge und Herzkreislaufsystem nachgewiesen. Die Klein- und Kleinstpartikel lösen beim Menschen verstärkt Allergien, Asthmaanfälle und Bronchitis aus. Außerdem steigt das Risiko für Herzinfarkt und Krebs bei höherer Feinstaubbelastung an. Professor Wichmann habe schon vor Jahren gezeigt, dass das Lungenkrebsrisiko bei Fahrern von Erdbewegungs- und Baumaschinen um das 2-3-fache erhöht ist.

"Die Deutsche Bahn AG handelt völlig unverantwortlich, wenn sie Baumaschinen ohne Rußfilter einsetzt und so die Dieselrußbelastungen in Stuttgart noch erhöht", sagte Dr. Axel Friedrich. Er forderte die Bahn auf, dafür zu sorgen, dass auf der geplanten Baustelle Stuttgart 21 ausschließlich Baumaschinen mit Partikelfilter zum Einsatz kommen, um die klimatischen Folgen und gesundheitlichen Belastungen zu verringern. Denn: "Baumaschinen sind wegen der langen Laufzeiten, hohen Belastungen und großem Dieselverbrauch für rund 30 Prozent der innerstädtischen Rußemissionen verantwortlich."


Hintergrund: "Rußfrei fürs Klima!"

Die Kampagne "Rußfrei fürs Klima!" setzt sich für eine drastische Verringerung der Dieselruß-Emissionen ein. Im Bündnis "Rußfrei fürs Klima!" arbeiten die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH), der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Naturschutzbund Deutschland (NABU) und der Verkehrsclub Deutschland (VCD) zusammen, um die Rußpartikel aus Dieselmotoren zu reduzieren und den Klimaschutz voranzutreiben. Denn insbesondere Rußpartikel sind eine wesentliche Ursache für das Abschmelzen der Hochgebirgsgletscher in Europa, Asien und Amerika und für das Schmelzen der Arktis. Rußpartikel entstehen in Europa vornehmlich aus der unvollständigen Verbrennung von Dieselkraftstoff, in weiten Teilen Asiens ist zudem die Verbrennung von Holz und das Abfackeln landwirtschaftlicher Flächen eine bedeutende Rußquelle.

Eine Studie der EHZ Zürich zeigt, dass die Schweizer Gletscher seit den 1990er Jahren um zwölf Prozent geschrumpft sind. Ebenso dramatisch sei die Situation im Himalaya, vor allem in Nepal, wo bis 2035 die Gletscher- und Eisfelder vollständig verschwunden sein könnten. Die Gletscherschmelze habe insbesondere in Asien ernste Konsequenzen für die Menschen. Das tibetische Eisplateau zusammen mit dem Himalaya, dem Hindukusch und den umliegenden Bergregionen stellt das wichtigste Wasserreservoir für Asien dar. Die Gletscher speisen nicht nur den Gelben Fluss, sondern ebenso Jangtse, Mekong sowie die Flusssysteme Ganges und Indus mit davon abzweigenden Satlej, Yamuna, Ghaghara und Brahmaputra. Durch die starke Gletscherschmelze steigen die Wasserpegel der Seen und Flüsse in der Region, was zu katastrophalen Überschwemmungen führt, auf die Dürren folgen. Dadurch werden die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen in der Region zerstört sowie die Ökosysteme wie Fluss- und Waldlandschaften vernichtet. Die Klimawirkung von Black Carbon hat inzwischen Einzug in die internationale Klimadiskussion gehalten. Die UN-Kyoto-Nachfolgekonferenz und auch das UN-Umweltprogramm (UNEP) befassen sich mit den kurzlebigen klimaschädigenden Stoffen.


Hintergrundinformationen
zu "(Ruß-)Emissionen bei Baumaschinen" können Sie unter http://www.russfrei-fuersklima.de/fileadmin/user_upload/PDFs/HiGrund_BauMasch_091105.pdf herunterladen.


*


Quelle:
DUH-Pressemitteilung, 16.07.2010
Deutsche Umwelthilfe e.V.
Fritz-Reichle-Ring 4, 78315 Radolfzell
Tel.: 0 77 32/99 95-0, Fax: 0 77 32/99 95-77
E-Mail: info@duh.de
Internet: www.duh.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juli 2010