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VERBAND/372: 100-jährige Erfolgsgeschichte - Landesbund für Vogelschutz in Bayern (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 11/2009

Eine 100-jährige Erfolgsgeschichte: Der Landesbund für Vogelschutz in Bayern

Von Andreas von Lindeiner


Der Landesbund für Vogelschutz in Bayern e. V. (LBV) feiert im Jahr 2009 sein 100-jähriges Bestehen. Aus der bayerischen und deutschen Naturschutzszene ist der LBV, heute ein moderner Natur- und Artenschutzverband, mit seinen Beschäftigten und einem Heer an ehrenamtlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen nicht mehr wegzudenken. Ohne die Arbeit des LBV hätte Bayern in den vergangenen Jahrzehnten viel von seiner biologischen Vielfalt verloren. Anlässlich des Jubiläums stellt uns Andreas von Lindeiner den Verband und seine Hauptaktivitäten vor.


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Bayern ist mit etwa 70000 km2 das größte deutsche Bundesland. Der größte Teil seiner Fläche liegt in Höhen zwischen 300 und 600 m über NN. Als einziges Bundesland hat Bayern einen Anteil an den Alpen, in denen auch der höchste Berg Deutschlands, die Zugspitze (2962 m) liegt. 34,2% Bayerns sind von Wald bedeckt, deutlich mehr Fläche als im übrigen Bundesgebiet (Bundesdurchschnitt 29,2%). Trotz der großen Voralpenseen liegt der Anteil der Gewässerflächen an der Landesfläche hingegen mit 1,8% unter dem Bundesdurchschnitt von 2,2%.

Die Donau, die Bayern von West nach Ost durchquert, prägt mit ihren Nebenflüssen Iller, Lech, Altmühl, Regen, Isar und Inn weite Teile des Landes. Entlang der Flüsse sind einerseits großflächige Schwemmlandschaften mit Niedermooren, andererseits - vor allem im fränkischen Jura - tief eingeschnittene Täler mit steilen Felswänden entstanden.

In Nordbayern hat der Main in vergleichbarer Weise weite Teile der Landschaft geformt. Allerdings ist dieser Fluss im niederschlagsarmen Norden des Landes das einzige größere Fließgewässer.

Mit seiner hohen landschaftlichen und topografischen Vielfalt bietet Bayern Lebensraum für 187 regelmäßige Brutvogelarten (Deutschland insgesamt: 305). Einige in unseren Breiten auf Hoch- und alpine Lagen spezialisierte Arten, wie Alpenbraunelle, Steinadler oder Weißrückenspecht, kommen nur in Bayern vor, andere haben hier einen großen Verbreitungsschwerpunkt, z. B. Raufußhühner, Flussuferläufer oder Gänsesäger.



Eine 100-jährige Geschichte

Der Landesbund für Vogelschutz in Bayern wurde im Jahr 1909 als reiner Vogelschutzverband gegründet. Mittlerweile umfasst das stark erweiterte thematische Spektrum auch die Bereiche Landschaftsökologie und Umweltbildung. Nach wie vor stellt jedoch Vogelschutz für viele Verbandsmitglieder vor Ort einen Aktivitätsschwerpunkt dar. Wesentliche "Meilensteine" der LBV-Naturschutzarbeit werden im Folgenden vorgestellt.



Vogelschutzgebiete in Bayern

Die inhaltliche Klammer um die meisten Vogelschutzprogramme und - projekte bildet die EU-Vogelschutzrichtlinie. Bereits in den 1970er Jahren haben LBV-Experten sich intensiv an der Entwicklung von Kriterien zur Ausweisung von Vogelschutzgebieten beteiligt. In den 1980er Jahren brachten namhafte Vogelkundler unter Federführung des LBV dann eine erste Liste mit 25 bayerischen IBAs (= Important Bird Areas, für Vögel wichtige Gebiete) heraus. Feuchtgebiete und Gewässer waren mit 20 IBAs deutlich überrepräsentiert, wahrscheinlich ein Spiegelbild der Aktivitäten der meisten Vogelkundler.

Im Rahmen der Erstellung des bayerischen Brutvogelatlas, dessen Datengrundlage überwiegend von ehrenamtlichen LBV-Mitarbeitern geliefert wurde, erfolgte eine flächenhafte Erfassung der Vögel in Bayern. Diese Kartierung ergänzte viele regionale Erfassungen und Monitorings. Besonders in den großen Waldgebieten und Kulturlandschaften Nordbayerns gab es kontinuierlich neue Erkenntnisse. So konnte 2004 ein aktualisiertes IBA-Verzeichnis für Bayern veröffentlicht werden, das 46 Gebiete mit einem Anteil von 11,5 % der Landesfläche Bayerns beinhaltet. Damit wurde eine ganz wesentliche Grundlage für die Meldung von Vogelschutzgebieten (Special Protection Areas/SPAs) auf 7,7% der Landesfläche durch die bayerische Staatsregierung vorgelegt.

Der LBV ist über seine vor allem ehren-, aber auch hauptamtlich tätigen regionalen Mitarbeiter an den "Runden Tischen" beteiligt, die nach und nach für die Erstellung von Managementplänen eingerichtet werden. Einige Lebensraumtypen, z. B. Wald und Grünland, werden auf großer Fläche nicht so bewirtschaftet, dass Vögel dort einen geeigneten Lebensraum vorfinden und ausreichend Bruterfolg haben. Nach wie vor fehlen vielfach wirkungsvolle Schutzgebietsverordnungen um Störungen der Arten zu verhindern. Auf diesem Sektor bleibt auch für den LBV noch eine Menge zu tun, um für alle Vogelarten einen günstigen Erhaltungszustand zu erreichen.


Ehrenamtliche Kartierungen - eine Säule der Naturschutzarbeit

Eine Stärke des LBV sind seine zahlreichen Mitarbeiter auch in ländlichen Gebieten. Durch ihr Engagement ist es möglich, landesweite Erfassungsprogramme durchzuführen. Hier ist v. a. das bundesweite, vom Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) koordinierte Monitoring-Programm "Vögel der Normallandschaft" zu nennen, das die Datengrundlage z. B. für den Statusbericht "Vögel in Deutschland" liefert. Aber auch bei der Wasservogelzählung, beim Wiesenbrütermonitoring oder bei der Kormoranschlafplatzzählung, die schon seit mehr als zwanzig Jahren durchgeführt werden, sind Hunderte von LBV-Mitarbeitern im Einsatz. Ein Fazit aus diesem großen Engagement ist: Nur mit fundierten Daten können verlässliche Aussagen zum Zustand der Populationen oder von Gebieten gewonnen, kann die Erheblichkeit eines Eingriffs bewertet oder können Managementpläne für SPAs erstellt werden. Für die Wiesenbrüter wird, auf den Erfahrungen der letzen Monitoringdurchläufe fußend, aktuell an einer Agenda zum Schutz des Lebensraumes dieser stark bedrohten Vogelgilde gearbeitet. Die Gründung des bayerischen Vertragsnaturschutzprogrammes ging 1983 übrigens auf einen Wiesenbrütermanagementplan im Haarmoos (Landkreis Berchtesgadener Land) zurück, in dem der LBV mittlerweile ca. 50 Hektar Land angekauft hat.



Flächenankauf

Flächenkauf ist ein wichtiges Element der LBV-Arbeit. Der Verband besitzt in ganz Bayern ca. 2500 Hektar Biotopflächen: über 1800 Hektar davon sind Eigentum, ca. 700 Hektar angepachtet. Diese Flächen gelten als Brennpunkte der Artenvielfalt, sie werden vom LBV erhalten, weiterentwickelt und vergrößert.

Zur Erweiterung und Pflege seiner Schutzgebiete hat der LBV vor mehr als 20 Jahren den Arche Noah Fond ins Leben gerufen. Mit seiner Hilfe sowie mit Unterstützung des Bayerischen Naturschutzfonds wurden nicht nur Einzelflächen, sondern auch größere, zusammenhängende Gebiete erworben. Hierzu gehören neben Wiesen in Flussauen und Gebirgen auch Moore, Teiche und Weiher, Kulturlandschaft mit Äckern, Hecken und Trockenrasen sowie Wälder. Das größte zusammenhängende LBV-Schutzgebiet ist seit diesem Jahr der Rainer Wald in Niederbayern mit ca. 230 Hektar.



Artenhilfsprogramme und andere Großprojekte

Naturschutzmaßnahmen müssen einerseits zielgerichtet sein, andererseits aber auch nach außen "verkauft" werden können. Insofern werden die Zielarten von LBV-Projekten danach ausgewählt, welcher Gefährdungssituation sie ausgesetzt sind, wie gut sie sich als Flaggschiffarten für einen Lebensraum eignen und ob sie geeignet sind, für das Anliegen in der Öffentlichkeit oder auch bei einer betroffenen Nutzergruppe Unterstützung zu finden.

Für eine ganze Reihe von Vogelarten führt der LBV bereits seit vielen Jahren Artenhilfsprogramme (AHPs) im Auftrag des Bayerischen Landesamtes für Umwelt durch. Das AHP Wanderfalke läuft bereits seit 25 Jahren, ein Jahr weniger das AHP Weißstorch. Gerade im Rahmen dieser beiden AHPs hat der LBV mit artangepassten Strategien dafür gesorgt, dass diese Arten nach einem echten Bestandstief nun in einem viel günstigeren Erhaltungszustand sind. Im Rahmen der Programme haben ehrenamtliche Horstbetreuung und Bewachung, Monitoring, Öffentlichkeitsarbeit und Lebensraumgestaltung sowie Optimierung des Nistplatzangebots zu einer erfreulichen Bestandserholung und somit zu einem Erfolg des Naturschutzes geführt.

Weitere Hilfsprogramme folgten: Steinadler in den Alpen in Partnerschaft mit der Vogelschutzwarte in Garmisch-Partenkirchen und dem Nationalpark Berchtesgaden, Uhu für mehrere Schwerpunktvorkommen Bayerns, Wiesenweihe zunächst in Mainfranken, dann in ganz Bayern, Ortolan und Feldvögel in Unterfranken (siehe S. 419-425 und 426-431). Generell wird versucht, auf kooperativem Weg - vor allem mit den Landnutzern - Schutzmaßnahmen umzusetzen. Dies können z. B. auch zeitlich begrenzte Einschränkungen des Klettersports in Brutfelsen von Uhu und Wanderfalke sein, die einvernehmlich mit Kletterverbänden beschlossen werden. So konnte zumindest in einigen Gebieten dafür gesorgt werden, dass der z. T. geringe Bruterfolg der Arten wieder anstieg.

Die EU hat für besonders gefährdete Vogelarten bzw. Arten und Lebensräume der Natura 2000-Richtlinien das spezielle Förderprogramm LIFE aufgelegt. Der LBV hat dieses Förderinstrument oder seine Vorgänger schon seit Mitte der 1980er Jahre in mittlerweile sieben Vorhaben erfolgreich genutzt, so in den Projekten Schutz von Feuchtwiesen in den Donauauen bei Pfatter, Programm zum Schutz des Weißstorchs in Bayern und Maßnahmen zur Bestandsförderung der Großen Rohrdommel in fischereiwirtschaftlich genutzten Teichgebieten Bayerns. Ein Projekt zur Renaturierung von europaweit prioritären Kalktuffquellen folgte, ein weiteres zur Optimierung des Lebensraums der seltenen Libellenart Keiljungfer wird im Jahr 2010 anlaufen.

Auch das Bundesamt für Naturschutz ist mit seinen Förderprogrammen ein Partner des LBV, so z. B. bei der Renaturierung der Schwarzachaue und des Donaumooses sowie für ein Projekt zum Schutz der Wiesenvögel mit der Leitart Wachtelkönig, für dessen bundesweite Koordination der LBV verantwortlich war.

Solche Großprojekte sind besonders gut geeignet, Geländearbeiten in relevantem Ausmaß durchzuführen, wirksame Schutzkonzepte zu entwickeln sowie in den Projektgebieten und oft auch darüber hinaus öffentliche Aufmerksamkeit für das betreffende Schutzanliegen zu erzielen.



Partnerschaft und Netzwerke

Die Zusammenarbeit mit Partnern und die Diskussion mit Skeptikern oder Gegnern sind bei vielen komplexen Themen, z. B. Natura 2000, Landwirtschaft oder die Behandlung sogenannter "Problemarten", ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg. Deshalb arbeitet der LBV auf nationaler Ebene eng mit dem Naturschutzbund Deutschland (NABU) zusammen. Auch der Deutsche Rat für Vogelschutz (DRV), in dem der LBV an führender Position mitarbeitet, greift die Umsetzung der Vogelschutzrichtlinie immer wieder auf, um ein koordiniertes Vorgehen der Vogelschutzverbände in Deutschland zu gewährleisten. Zudem gibt es mit BirdLife International und dessen nationalen Partnern (v. a. RSPB in Großbritannien, SVS in der Schweiz) eine gute Zusammenarbeit. Auf Landesebene hat sich die Kooperation vor allem mit dem Bund Naturschutz (BN) oder der Ornithologischen Gesellschaft Bayern (OG) bewährt, so beispielsweise beim Waldbündnis Bayern oder bei der Erstellung eines Managementkonzeptes für das europaweit besonders für die Schwimmvogelmauser bedeutsame Ismaninger Teichgebiet.

Besonders vor Ort ist die vernetzte Zusammenarbeit mit allen Interessensvertretern wichtig. Deshalb ist der LBV mit Förderung des Europäischen Sozialfonds (ESF) schon seit vielen Jahren Träger von insgesamt sieben Gebietsbetreuern am Ammersee im Fünfseenland, am Altmühlsee, in der Agrarlandschaft bei Würzburg, im Allgäu und im Gebiet der voralpinen Moore, der oberen Isar und des Karwendels. Hier gilt es mit den Landnutzern einen angemessenen Ausgleich der verschiedenen Interessen zu finden, Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben und insbesondere Schutz vor meist unbeabsichtigten Störungen durch Besucher zu erwirken. In diesem Kontext hat sich der LBV mit Erfolg z. B. für Wasservogel-Ruhezonen an den Seen und für Besucherlenkungsmaßnahmen im Gebirge eingesetzt.



Konfliktmanagement

Der Umgang mit Konflikten stellt im Naturschutz häufig einen Arbeitsschwerpunkt dar. Die Präsenz des LBV in zahlreichen Gremien hilft, dem Naturschutz bei Entscheidungen Gehör zu verschaffen. Hierzu zählen die Naturschutzbeiräte auf allen Ebenen, z. B. die Beiräte von Nationalparken und der Naturschutzakademie sowie das Wasserforum, um nur einige zu nennen.

Viele Themen werden auch öffentlich intensiv diskutiert, ohne dass ausreichend fachliche Grundlagen vorlägen. Der LBV hat sich deshalb gerade im Konfliktfeld "Fisch fressende Vogelarten" schon seit Langem um Versachlichung bemüht. So organisiert der LBV seit zwanzig Jahren die landesweiten Schlafplatzzählungen, wobei an vielen Stellen von Vogelkundlern und Fischern gemeinsam gezählt wird. Zusammen mit dem Landesfischereiverband (LFV) hat der LBV erfolgreich Überspannungen von Karpfenteichen erprobt. Im Auftrag der Staatsregierung wurde in einem Gemeinschaftsprojekt von LBV, BN und LFV das Artenhilfsprogramm Äsche durchgeführt. Gemeinsam wollen Fachberatung für Fischerei, Bezirksfischereiverband und Teichgenossenschaft Oberfranken mit dem Landkreis Bayreuth und dem LBV Möglichkeiten aufzeigen, wie Naturschutz (Fische, Amphibien und Libellen als Leitarten) und Fischerei die Artenvielfalt verbessern und gleichzeitig die Nutzung beibehalten können.

1999 wurde das Fischereirecht für einen ca. 6,5 km langen Flussabschnitt des Schwarzen Regen zwischen Regen und Teisnach im Bayerischen Wald u. a. mit finanzieller Unterstützung des Bayerischen Naturschutzfonds gekauft. Mit dieser Hilfe waren jedoch auch Auflagen verbunden. Das im Förderbescheid formulierte Ziel, "einen nahezu störungsfreien, naturnahen Mittelgebirgsflussabschnitt nutzungsfrei zu sichern und soweit möglichst zu verbessern sowie als Referenzstrecke für ökologische Forschungen vorzuhalten", ist selbstverständlich in unserem Sinne. Dieser Flussabschnitt weist tatsächlich einen autochthonen Fischbestand in einer natürlichen Arten- und Alterszusammensetzung auf - und das trotz der Anwesenheit von Fressfeinden wie Fischotter oder Gänsesäger. Das "Geheimnis" ist die natürliche Strukturvielfalt des Gewässers. Der Schwarze Regen dient somit auch in der Diskussion um fischfressende Vogelarten als Vorbild dafür, wie ein natürliches Fließgewässer aussehen sollte.



Naturschutz in der Kulturlandschaft

Eine Strategie des LBV ist, durch die Bündelung verschiedener Aktivitäten in einem Naturraum mehr Aufmerksamkeit zu erzeugen. Damit können deutlich mehr Erfolge bei der Umsetzung von Naturschutzzielen erreicht werden. Ein solches Gebiet ist der Großraum Würzburg mit seinen hervorragenden Ackerböden und intensiver Landwirtschaft. Dort laufen seit 1994 Maßnahmen zum Schutz der Wiesenweihe, die in ein eigenes Artenhilfsprogramm mündeten. Im Jahr 2003 wurde mit Hilfe des ESF die Stelle eines Gebietsbetreuers für diese Agrarlandschaft geschaffen. Naturschutz stößt in einer intensiv genutzten Agrarlandschaft wie in Mainfranken oft auf Vorbehalte. Um Vorurteile zu beseitigen, müssen sich die Beteiligten kennen und miteinander kommunizieren. Vermittlung ist daher eine wichtige Aufgabe des Gebietsbetreuers um Wiesenweihe, Ortolan und Feldhamster besser schützen zu können. Der Ortolan ist seit 2006 Flaggschiffart eines vom LBV umgesetzten AHP "Feldvögel" in Mainfranken.

Seit einigen Jahren versucht der LBV in verschiedenen Regionen die sogenannten "Feldlerchen-Fenster" zu erproben und zu propagieren. Feldlerchenfenster können relativ problemlos in den normalen Betriebsablauf integriert werden und so einen Beitrag zur Sicherung der biologischen Vielfalt in der intensiv genutzten Agrarlandschaft bieten (s. FALKE 2009, H. 8).

In einem weiteren Projekt überprüft der LBV gemeinsam mit zwei Partnern die Wirksamkeit verschiedener bereits realisierter Schutzmaßnahmen im unterfränkischen Verbreitungszentrum des Feldhamsters zwischen Würzburg und Schweinfurt. Auf Basis der Ergebnisse sollen Handlungsanweisungen für künftige Schutzmaßnahmen erarbeitet werden. Das im Mai 2007 angelaufene und zunächst auf eine Laufzeit von drei Jahren ausgelegte Vorhaben "Evaluierung und Konkretisierung von Methoden zur Vermeidung und Kompensation von Eingriffen und zur Förderung von Feldhamster-Populationen" wird von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), von der Gregor-Louisoder-Stiftung und vom Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) gefördert. Durch umfangreiche Beobachtung, Telemetrie und Markierung der Tiere können so wichtige Informationen u. a. zur Eignung von Lebensräumen und der Qualität von Ausgleichsmaßnahmen gewonnen werden.

Aber auch in anderen Regionen Bayerns stellt der LBV den Naturschutz in der Kulturlandschaft unter das Motto "Schutz durch Nutzung".

2005 wurde das Großprojekt "Harraser Leite/Lange Berge und Bruchschollenkuppen" erfolgreich beendet. Seit 1998 wurde im nördlichen Landkreis Coburg der Erhalt, die Entwicklung und die Wiederherstellung eines großräumigen Biotopverbundes von Trockenstandorten zwischen den Thüringer Muschelkalkplatten und dem Frankenjura angestrebt. Zudem wurde in einem Teilprojekt, das sich mit dem Erhalt der Vielfalt von Ackerwildkräutern und der Sicherung alter, vom Aussterben bedrohter Kultursorten befasste, u. a. Emmer, Einkorn und Linsen, eine neue Heimat gegeben. In enger Zusammenarbeit mit dem Landschaftspflegeverband Coburg wurden im Gesamtgebiet über 250 Hektar entbuscht, gemäht, bepflanzt oder mit Heusaat belegt. In den vier wertvollsten Kerngebieten, etwa am sogenannten "Bockstadter Weg", konnten weitgehend zusammenhängende Flächen von teilweise über 22 Hektar für die Umsetzung der Projektziele gewonnen werden.

Einen wichtigen Beitrag zum dauerhaften Erhalt von Grünlandflächen leistet die Umsetzung des Projektes Standortgerechte Landschaftspflege von ökologisch wertvollen Flächen mit Rotvieh im Oberpfälzer Wald. Auch hier schafft der LBV die Grundlage für das Überleben von Offenlandarten und -lebensgemeinschaften. In einem modellhaften Vorhaben sollen die Ziele des Naturschutzes mit dem Aufbau alternativer Nutzungssysteme in der Landwirtschaft und dem Erhalt einer vom Aussterben bedrohten Haustierrasse verknüpft werden. Ziel ist es, die reine Landschaftspflege zu minimieren und eine Entwicklung zu einer verträglichen, nachhaltigen Nutzung mit geschlossenen Stoffkreisläufen anzustoßen.

In den Alpen läuft seit 2003 ein vom LBV initiiertes und vom Bayerischen Naturschutzfonds bezuschusstes Beweidungsprojekt am Einödsberg im Allgäu mit dem Ziel, die Veränderungen der Vegetation und der bodenbewohnenden Wirbellosenfauna im Zuge einer Nutzungsumstellung von intensiver Schaf- auf Rinderbeweidung zu erfassen und zu beschreiben. Die Beurteilung der Erosionsgefahr unter den nutzungsspezifischen und bodenbiologischen Bedingungen wird nach der Zusammenführung der botanischen und zoologischen Ergebnisse möglich sein. Es werden Empfehlungen für eine angemessene Weideführung erarbeitet. Die Ergebnisse sind von grundlegender Bedeutung und sollen auf andere Gebiete der Alpen mit vergleichbarer Nutzungssituation übertragen werden.


Quellschutz in Bayern - ein Markenzeichen des LBV

Im Bereich der Landschaftsökologie ist der Quellschutz zu einem wichtigen Schwerpunkt der LBV-Arbeit geworden. Bereits frühzeitig haben wir auf die gravierende negative Beeinträchtigung von Quellgewässern hingewiesen und schon Anfang der 1990er Jahre ein bayernweites Programm zum Schutz von Quellen gefordert. Im Jahr 2001 startete das bayerische Umweltministerium - angestoßen durch die Vorarbeiten des LBV - das Aktionsprogramm Quellen in Bayern. Um eine hohe Akzeptanz zu erreichen, wurde eine interdisziplinäre Projektgruppe unter Federführung des Bayerischen Landesamtes für Umwelt (LfU) gegründet, in der u. a. Vertreter aus Land- und Forstwirtschaft sowie aus der Wasserwirtschaft mitwirkten. Ein wesentliches Ziel war dabei die Erarbeitung einer dreibändigen Handlungsanleitung für den Quellschutz in Bayern mit einer abgestimmten Erhebungsmethodik für Bayern, inklusive Bewertungsverfahren und Maßnahmenkatalog. Die im Rahmen des Aktionsprogramms Quellen erarbeiteten Grundlagen werden seit Februar 2009 im Projekt Quellschutz in Bayern umgesetzt. Wir haben uns das ehrgeizige Ziel gesetzt, 50 Quellschutzmaßnahmen auch wirklich zur Umsetzungsreife zu bringen.

Nach einer langen Anlaufphase wurde im September 2003 das europaweit einmalige LIFE-Natur-Projekt Optimierung der Kalktuffquellen und des Umfelds in der Frankenalb genehmigt. Mit dem EU-Finanzierungsinstrument LIFE-Natur und der Förderung durch den Bayerischen Naturschutzfonds konnte der LBV dieses Vorhaben umsetzen. An über 50 Quellen zwischen Hersbruck und Treuchtlingen wurden ökologische Verbesserungsmaßnahmen realisiert und Beeinträchtigungen beseitigt. Ende 2007 wurde das Projekt erfolgreich abgeschlossen.

Parallel dazu gab es bereits in der Vergangenheit mehrere Projekte, die in Zusammenarbeit mit den bayerischen Staatsforsten umgesetzt wurden. Diese Kooperation wurde 2007 mit dem neuen Projekt Quellschutz im Staatsforst verstärkt: In drei Pilotgebieten wurden Quellen kartiert und Maßnahmenvorschläge erarbeitet, die jetzt in die Umsetzung gehen sollen.



Sicherung der biologischen Vielfalt

Ohne den LBV und seine Aktiven wäre die bayerische Landschaft sicher um einige Arten ärmer. Nicht nur durch die beispielhaft genannten Schutzprogramme, sondern auch durch ein breites Angebot an Exkursionen, Seminaren und weiteren Bildungsveranstaltungen hat der LBV landesweit mit seinem Netz an Kreisgruppen und Umweltbildungseinrichtungen einen wichtigen Beitrag zur Bewusstseinsbildung in Sachen Naturschutz geleistet. Auch Mitmachaktionen, wie "Stunde der Garten- bzw. Wintervögel" und die Meldung von Ankunftsdaten des Kuckucks erfreuen sich großer Beliebtheit und tragen dazu bei, Verständnis für den Schutz der Vögel und ihrer Lebensräume zu wecken. Ohne das Fachwissen und den Einsatz der LBV-Vogelkundler wären Projekte wie der "Brutvogelatlas Bayern" oder ein Monitoring der "Vögel der Normallandschaft" nicht möglich. Ihrem Wissen und ihrem Einsatz ist es auch zu verdanken, dass ein weitgehend zufriedenstellendes Netz an Vogelschutzgebieten in Bayern an die EU gemeldet werden konnte. Der LBV wird als sachlicher, fachkompetenter Verband geschätzt, der sich auch in Konfliktfällen durchaus kompromissbereit und pragmatisch an der Findung von Lösungen beteiligt. Der Verband ist im Ernstfall auch bereit, vehement und ggf. mit juristischen Mitteln für seine Anliegen zu streiten, alleine oder mit Partnern. Alle Projekte, Flächenkäufe, Umweltbildungsmaßnahmen und öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen dienen letztlich einem Ziel: die biologische Vielfalt in Bayern zu sichern.


Dr. Andreas von Lindeiner ist Biologe und arbeitet seit 16 Jahren als Artenschutzreferent des Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV). Seit 2008 ist er Präsident des Deutschen Rates für Vogelschutz (DRV).


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Die Vogelschutzrichtlinie der EU trat 1979 in Kraft und regelt den Schutz der wildlebenden Vogelarten und ihrer Lebensräume in der Europäischen Union.

Die Fauna-Flora-Habitat-(FFH-)Richtlinie ist eine Naturschutz-Richtlinie der Europäischen Union, die 1992 in Kraft trat. Sie dient dem Schutz gefährdeter Lebensraumtypen bzw. Pflanzen- und Tierarten (ohne Vögel).

IBA: Important Bird Areas, von den nationalen BirdLife-Partnern abgegrenzte und zusammengestellte Gebiete mit bedeutenden Vogelvorkommen.

SPA: Special Protection Area, von den EU-Mitgliedstaaten im Sinne der EU-Vogelschutzrichtlinie gemeldete Vogelschutzgebiete.

Natura 2000: europaweites Schutzgebietsnetz auf Basis der FFH- und Vogelschutzrichtlinie.

LIFE: Förderprogramm der EU für Umwelt- und
Naturschutzprojekte.


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 11/2009
56. Jahrgang, November 2009, S. 410-418
AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim
Tel.: 06766/903 141; Fax: 06766/903 320
E-Mail: falke@aula-verlag.de
Internet: www.falke-journal.de

Erscheinungsweise: monatlich
Einzelhelftpreis: 4,80 Euro
Das Jahresabonnement für 12 Hefte ist im In-
und Ausland für 49,- Euro zzgl. Porto erhältlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Dezember 2009