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VERBAND/480: BUND zieht Natur- und Umweltschutzbilanz 2011 (BUND SH)


BUND Landesverband Schleswig-Holstein e.V. - Kiel, 30. Dezember 2011

BUND zieht Natur- und Umweltschutzbilanz 2011


"Naturschutz ja, aber nur, wenn er Wirtschaft und Landwirtschaft nicht stört", so setzte die Koalition nach Ansicht des BUND Schleswig-Holstein ihre Umwelt- und Naturschutzpolitik fort. "Die Landesregierung bleibt weiterhin ohne Antwort auf den fortschreitenden Verbrauch natürlicher Ressourcen und den Artenschwund", bewertete die BUND-Landesvorsitzende Sybille Macht-Baumgarten das zurückliegende Jahr. Das Land setze seinen Schwerpunkt beim Naturschutz weiterhin auf Freiwilligkeit. Doch weder Umwelt- und Naturschutzvorgaben aus Brüssel noch der Wunsch der Bürger nach einer intakten Umwelt seien damit umzusetzen.

Der Flächenverbrauch für Siedlung und Verkehr habe sich mit täglich über 4 Hektar fortgesetzt, der Verlust an Lebensräumen für Flora und Fauna ebenso, damit auch der Verlust an biologischer Vielfalt. Bestehende Gewässerbelastungen infolge intensiver Landwirtschaft würden mit Rücksicht auf die Agrarlobby kleingeredet. Die Energiewende werde nur halbherzig angegangen. Wiederum wurden Umwelt und Natur betreffende Landesgesetze unter dem Deckmantel "Deregulierung und Entbürokratisierung" wirtschafts- und nutzerfreundlich zusammen gestrichen, so der Umweltverband.

Nach dem abenteuerlichen Kurswechsel bei der Atompolitik auf Bundesebene sei nach langen Jahren des Widerstandes in Schleswig- Holstein endlich erreicht, dass die Atomkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel endgültig vom Netz gegangen seien und der Rückbau bevorstehe. Der Druckwasserreaktor Brokdorf werde spätestens 2012 abgeschaltet.

Verhindert werden müsse jetzt, dass der Atomausstieg auf Kosten des Klimaschutzes geschehe. So dürfe in Schleswig-Holstein kein neues Kohlekraftwerk gebaut werden. Gegen das geplante Steinkohlekraftwerk in Brunsbüttel hoffe der BUND aufgrund seiner zusammen mit der Deutschen Umwelthilfe eingereichten Klage auf ein das Kraftwerk ablehnendes Richterurteil. Vielmehr müsse nun alles getan werden, um die Potentiale beim Ausbau der Windenergie zu nutzen. Die von der Landesregierung angestrebten 1,5 Prozent seien niedrig angesetzt und sollten deshalb schnellst möglichst erreicht werden. Der BUND werde darauf drängen, dass beim Umbau der Energiewirtschaft die Interessen von Anwohnern sowie von Natur und Landschaft einbezogen würden.

Ein wichtiger Erfolg für Schleswig-Holstein sei die Verhinderung des Gesetzes zur unterirdischen Verpressung des Klimagases Kohlendioxid (CCS) gewesen. Der Bundesrat hatte den CCS-Gesetzentwurf und so auch die vorgesehene Länderklausel gestoppt. Der BUND begrüßte diese Entscheidung, war doch die Länderklausel, entgegen den Darstellungen der Landesregierung, juristisch nicht haltbar bzw. ohne Durchschlagkraft. Ein Schleswig-Holsteinweiter gesetzlicher Ausschluss der Kohlendioxidspeicherung sei durch das CCS-Gesetz nicht möglich. Damit konnte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen sein Versprechen CCS mit diesem Gesetz auf schleswig-holsteinischem Gebiet zu verhindern, gegenüber einer besorgten Bevölkerung nicht halten.

Ohne Konzept blieb die Landesregierung gegenüber dem ausufernden Maisanbau. Die Maisanbaufläche sei in 2011 um weitere 11 Prozent auf nunmehr 194.400 Hektar oder landesweit 29 Prozent der Ackerfläche angestiegen. Im nördlichen Schleswig-Holstein nehme der Maisanteil schon über 50 Prozent an den Gemeindeflächen ein, bei der Ackerfläche betrage der Anteil regional sogar über 80 Prozent. Dies habe fatale Folgen für die biologische Vielfalt, den Zustand der Gewässer und beeinträchtige das Landschaftsbild erheblich. "Den Maisanbauflächen werden keine effektiven Grenzen gesetzt, gleichzeitig wird der Öko-Landbau kaputt gespart", kritisiert BUND-Landesgeschäftsführerin Dr. Ina Walenda.

Die Streichung der Fördermittel für den Öko-Landbau in den Vorjahren mache sich jetzt bemerkbar: In 2011 sank erstmals die Anzahl der schleswig-holsteinischen Öko-Betriebe und erstmals nahm zudem die Öko-Anbaufläche ab. Damit nimmt die Landesregierung in Kauf, dass der stetig wachsende Bedarf an Bio-Lebensmitteln zukünftig mehr und mehr aus dem benachbarten Ausland bedient werde. Dagegen hatte Dänemark jüngst beschlossen, seine Öko-Bauern erheblich besser zu fördern, um die Öko-Anbauflächen und Absatzmärkte deutlich auszuweiten. Das Kaputtsparen des Öko-Landbaus sei auch deshalb unsinnig, weil das Land lediglich 18 Prozent der Fördersumme selbst aufbringen müsse. Über 80 Prozent der Fördermittel hingegen würden von Bundesregierung und EU kofinanziert.

Weiter kritisiert der BUND, dass Landwirtschaftsministerin Rumpf bei der Agrarreform zurück rudere. Selbst für magere 7 Prozent für ökologische Vorrangflächen auf den Betrieben will sie sich auf EU-Ebene nicht mehr einsetzen. Das sei eine Kampfansage an den Naturschutz, sei doch der Erhalt von strukturbildenden Landschaftselementen wie Bäumen, Knicks, Feldgehölzen und Kleingewässern und von extensiv bewirtschafteten Flächen essentiell zur Schaffung von Biotopvernetzungen und damit dem Schutz der Artenvielfalt. Längst seien die gravierenden Auswirkungen von zu viel Freiwilligkeit in der Landwirtschaft deutlich sichtbar. Die zunehmende Monotonie der Kulturlandschaft sorge bereits für anhaltende und massive Proteste in der Bevölkerung.

Darüber hinaus sei eine Ökologisierung der Landwirtschaft notwendig, weil das Land verpflichtet sei EG-Richtlinien umzusetzen: Mit einer großflächig intensiven Landnutzung ohne ökologische Pufferzonen seien weder die Umsetzung der europäischen Vorgaben zum Erhalt der Biodiversität noch die Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie und der EG-Meeresstrategie-Richtlinie möglich. Die Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie bis zum Jahr 2015 nehme das Land bereits als gescheitert hin. Zu hohe Nährstoffbelastungen in den Gewässern durch intensive Landwirtschaft, eine sich fortsetzende Konzentration der Tierhaltung mit mehr Gülle und eine Landesregierung die dem keine Grenzen setzt, seien die Ursachen. Die fehlende Trendwende beim Gewässerschutz belege auch der in 2011 erneut gestiegene Absatz von Mineraldüngern in Schleswig-Holstein, der allein bei Stickstoffdüngern laut statistischem Bundesamt um beachtliche 9 Prozent zunahm.

Erfreut ist der BUND darüber, dass es in 2011 keinen kommerziellen Anbau und keinen Freiland-Versuchanbau mit gentechnisch veränderten Organismen in Schleswig-Holstein gab. Enttäuscht zeigte sich der Verband allerdings über die gentechnikfreundliche Haltung der Landesregierung: Obwohl das Europa-Parlament im Juli mit großer Mehrheit beschlossen hatte, den EU-Staaten weitreichende Möglichkeiten einzuräumen, Gentechnik auf ihrem Gebiet zu verhindern, machte diese davon keinen Gebrauch. "Statt Schleswig-Holstein nun zur gentechnikfreien Region zu erklären, wird weiterhin Gen-Forschung an der Kieler Universität unterstützt", beklagt der BUND Schleswig-Holstein.

Beim Meersschutz zeigte sich der BUND enttäuscht, dass vom Land keine Signale gegen die geplanten Erkundungsbohrungen zur Ölförderung im Wattenmeer ausgingen. Die weitere Ausbeutung des Meeres mit allen damit verbundenen Risiken vor unserer Küste dürfe nicht akzeptiert werden. Dazu wurde ein nahezu regelungsfreies Landesfischereigesetz geschaffen.

Landeswaldgesetz und Landesjagdgesetz wurden einseitig nutzerfreundlich novelliert. Völlig unzeitgemäß für ein modernes Jagdgesetz bliebe Bleimunition erlaubt. Bleivergiftungen von Wasservögeln und Greifvögeln wie Seeadler und Rotmilan würden in Kauf genommen. Beim Waldgesetz wurden - dies im internationalen Jahr der Wälder - u. a. die Grundsätze der guten fachlichen Praxis zugunsten wirtschaftlicher Interessen eingeschränkt. Und das obwohl wegen einer gestiegenen Brennholznachfrage auf dem Wald ein nie da gewesener Nutzungsdruck laste. Vorschriften zum Schutzwald, zum Vorverkaufsrecht des Landes und zur Vorlage eines Waldberichtes wurden einfach gestrichen. Deutlicher könne eine Landesregierung kaum zeigen, wie wenig ihr die Natur wert ist.

Für den Umweltverband selbst endete das Jahr erfreulich: Mit 16 BUND-Landesverbänden und rund 480.000 Mitgliedern, Förderern und Spendern ist der BUND bundesweit die größte förderal strukturierte Umweltorganisation. Die Mitgliederzahl wuchs in 2011 um 5 Prozent. Auch der Landesverband Schleswig-Holstein legte um 4 Prozent zu.


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Quelle:
Presseinformation Nr. 37, 30.12.2011
Herausgeber: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.
BUND Landesverband Schleswig-Holstein
Lerchenstr. 22, 24103 Kiel
Tel.: 0431/66060-0, Fax: 0431/66060-33
E-mail: bund-sh@bund-sh.de
Internet: www.bund-sh.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Dezember 2011