NATURSCHUTZ heute - Sommer 2021
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.
Wohin fließt das Wasser - und welchen Wert hat ein Wald?
von Annika Natus
Etwa 250.000 Hektar Wald in Deutschland sind massiv geschädigt. eine wesentliche Ursache ist Trockenstress. Naturschützer*innen und Forstleuten ist längst klar: Um die Wälder im Klimanotstand widerstandsfähiger zu machen, muss Wasser zurück in die Wälder. Doch vielerorts geschieht noch genau das Gegenteil.
Theodor Storm hat den Wald einst so bedichtet:
"Dann war ein Bach, ein Wall zu überspringen;
Dann noch ein Steg, und vor mir lag der Wald (...).
Und dort im Walle schimmerte der Bruch,
Durch den ich meinen Pfad nahm ins Gehege.
Schon streckten dort gleich Säulen der Kapelle
Ans Laubgewölb die Tannenstämme sich;
Dann war's erreicht, und wie an Kirchenschwelle
Umschauerte die Schattenkühle mich."
Jetzt, 170 Jahre später, bliebe dem Dichter wohl ein weniger erhabener Eindruck. Er würde trockenen Fußes durch Bachbetten schlurfen und fände Schatten oft nur noch zwischen haushohen Stapeln von "Schadholz". Allerdings war schon das Bild in Storms Gedicht romantisiert. Auch zu seiner Zeit glichen Wälder eher Wüsten, geplündert für den Energiebedarf der wachsenden Industrie. Damals etablierte sich die "nachhaltige" Bewirtschaftung. Der Forst sollte dauerhaft stabil sein, um produktiv zu bleiben. Großflächig wurde vielerorts mit Fichten und Kiefern aufgeforstet.
Zurzeit lichten sich diese Forstgebiete dramatisch. Nur noch jeder fünfte Baum in Deutschland ist in einem guten Zustand. Der Dürremonitor warnt vor dem vierten Dürrejahr in Folge. Trockenstress macht Bäume anfälliger für Insekten- und Pilzbefall und erhöht die Gefahr von Bränden. So erleben wir zurzeit ein Waldsterben im Teufelskreis von Klimastress und Wassermangel.
"Wald und Offenland stehen in enger Wechselwirkung."
Die Gräben alter Zeiten - Indessen wirkt im Boden der Geist
der Vergangenheit weiter: Entwässerungsgräben, die Landschaften für
den Acker- und Waldbau nutzbar machten. Ein Großteil entstand etwa zu
Lebzeiten Storms. Doch noch bis in die 1990er Jahre war es üblich,
Wälder und Wiesen zu ent- oder bewässern, um sie zu bewirtschaften.
Sensibilisierte Naturschutzbehörden sowie Wasser- und Bodenverbände
bemühen sich, den Landschaftswasserhaushalt wieder zu stabilisieren.
Gräben werden geschlossen, Moore und ehemals feuchte Waldgebiete
wieder vernässt.
NABU-Vizepräsidentin Nicole Spundh engagiert sich in der
Arbeitsgemeinschaft Wasser im NABU Brandenburg und kennt solche
Wiedervernässungen aus der Praxis. "Der Landschaftswasserhaushalt ist
ein komplexes System", sagt die Naturschützerin. Vermehrte
Trockenheit, längere Vegetationsperioden, die Art, wie das Umland
genutzt und bewässert werde, gewisse Monokulturen - dies alles wirke
sich auch auf die Bodenfeuchte in den Wäldern aus. Gräben zu
verschließen sei ausgesprochen wichtig, reiche alleine aber oft nicht
mehr aus.
Auf keinen Fall aber dürften Entwässerungen heute noch leichtfertig
genehmigt oder subventioniert werden, kritisiert Spundh:
"Grundwasserentnahmen in einem Riesenumfang werden für die
Landwirtschaft weiterhin erlaubt. In den zugrunde liegenden Gutachten
werden großräumige Zusammenhänge oft nicht beachtet."
Anfang Texteinschub
Wasser im Wald
Der NABU fordert den konsequenten Waldumbau
Deutschlands Wälder sind in einem schlechten Zustand. Die sich
verschlimmernde Klimakrise sorgt für immer mehr Trockenheit und
Extremwetterlagen. Die zukünftige Bundesregierung muss sich der
Herausforderung stellen und durch gezielte Förderung und Vorgaben
unsere Wälder widerstandsfähiger und naturnäher machen. Dazu brauchen
wir einen neuen rechtlichen Rahmen und eine neue Förderpolitik.
Mehr Infos: www.NABU.de/Bundestagswahl
Ende Texteinschub
Vernetztes Denken für vernetzte Systeme - Andreas Bolte, der das Thünen-Institut für Waldökologie in Eberswalde leitet, erklärt: "Das Bewusstsein dafür, dass Wasser auch außerhalb von Schutzgebieten im Wald gehalten werden muss, hat sich erst innerhalb der letzten 20 bis 30 Jahre entwickelt." Die bundesweit fast überall sinkenden Grundwasserstände betrachtet er mit Sorge. Vernetztes Denken sei jetzt nötig. "Wald und Offenland stehen in enger Wechselwirkung. Die Waldbewirtschaftung und der Waldbau im Klimawandel können nicht mit denselben Maßstäben betrieben werden wie vorher. Wir stehen vor neuen Herausforderungen, und es braucht neue Antworten", sagt er. Diese Antworten sind letztlich nicht nur für den Wald wichtig, sondern auch für sauberes Trinkwasser. Denn auf etwa einem Drittel aller bewaldeten Flächen befinden sich Wasserschutzgebiete und unter mehr als der Hälfte lagern bedeutende Trinkwasserreserven.
Wälder als Quelle von Wassersicherheit - "Die Zukunft der Wälder hängt eng mit unserer Wassersicherheit zusammen", sagt Diana Nenz, Gewässerexpertin beim NABU-Bundesverband. In der Politik sei das noch nicht angekommen. "Wälder sind die Hochleistungsflächen für den Naturhaushalt und eben auch für den Wasserkreislauf", so Nenz. Um den Landschaftswasserhaushalt zu stabilisieren, müssten sie ebenso wie Feuchtgebiete und naturnahe Fließgewässer gestärkt werden. "Der derzeitige Waldumbau berücksichtigt zu wenig den Wasserhaushalt. Als Teil der Auenstruktur an Flüssen ist die Waldrenaturierung von übergeordneter Bedeutung, auch um die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie zu erreichen", sagt die Gewässerexpertin. Die Zeit drängt. Denn Schäden an der Landschaft und am Naturhaushalt können nur sehr langsam behoben werden. "Leider scheint die Politik noch davon auszugehen, dass wir kein Wasserproblem haben", sagt Nenz.
Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten
Abbildungen der Originalpublikation:
- Teichmolch
- Gold-Dickkopffalter und Vierflecklibelle
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Quelle:
Naturschutz heute - Sommer 2021, Seite 16-17
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
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"Naturschutz heute" ist das Mitgliedermagazin
des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) e.V.
und erscheint vierteljährlich. Für Mitglieder
ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 7. Dezember 2021
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