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FRAGEN/004: Zwischenlagerung - Nicht beliebig lang (Gorleben Rundschau)


Gorleben Rundschau - IX-X/2018, 40. Jahrgang, Ausgabe 1068
Wir sind die Wenden: Energie · Klima · Mobilität · Gesellschaft

Zwischenlagerung - Nicht beliebig lang
Die Machbarkeit einer Zwischenlagerung über 40 Jahre hinaus ist damals nicht geprüft worden

Gespräch Wolfgang Ehmke mit Michael Sailer


Risiko
Die Suche nach einem Endlager für hochradioaktiven Atommüll wurde gerade neu gestartet. Das Standortauswahlgesetz (StandAG) enthält ehrgeizige zeitliche Vorgaben. So soll ein Endlager, sei es in Gorleben oder anderswo, 2050 den Betrieb aufnehmen. Wolfgang Ehmke sprach mit dem Nuklearexperten Michael Sailer über die aktuellen Probleme, die eine verlängerte Zwischenlagerung mit sich bringt.


ist die Fertigstellung eines "Endlagers" bis 2050 überhaupt realistisch?

Michael Sailer: Die Endlagersuche ist ein aufwändiger Prozess, der auch seine Zeit braucht. Dies ergibt sich einerseits aus den Vorgaben für die wissenschaftlichen Erkundungen und Auswertungen. Zum anderen sind im StandAG - dem Gesetz, in dem die Endlagersuche geregelt wird - in den drei vorgesehenen Stufen umfangreiche Überprüfungsverfahren und Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren vorgesehen. Wenn das Endlager 2050 in Betrieb genommen werden soll, geht das nur, wenn das Verfahren unverzüglich aufgenommen wird und andauernd stringent weiterbetrieben wird. Der Startschuss zur Endlagersuche ist ja unlängst gegeben worden, derzeit werden auch eifrig Daten gesammelt und ausgewertet. Aus meiner Sicht ist es extrem wichtig, dass der vorgesehene Prozess permanent mit der erforderlichen Geschwindigkeit und Intensität weiter betrieben wird. Sonst ist die Zeit schnell um, ohne dass sich was ergeben hat. Aus meiner Sicht sollten alle, die an einer gerechten Endlagersuche und an einem wissenschaftlich sauberen Entscheidungsprozess interessiert sind, sich intensiv darum kümmern, dass der Prozess schnell genug vorwärts geht. Anderenfalls bleiben die Atomabfälle entweder auf unabsehbare Zeit in den Zwischenlagern, was wegen der technischen Alterung und wegen möglicher gesellschaftlicher Änderungen zu gefährlichen Zuständen führt. Oder es erfolgt eine plötzliche schnell-schnell-Entscheidung für einen Endlagerstandort, bei dem nicht die Sicherheit im Vordergrund steht. Beides wäre in Anbetracht des Gefährdungspotenzials fatal.

Die Zwischenlagergenehmigungen sind auf 40 Jahre befristet. Für Gorleben und Ahaus laufen sie 2034 und 2036 aus. Der Einlagerbetrieb für dann 1900 Castorbehälter würde wahrscheinlich 30 Jahre dauern, zwischenzeitlich laufen die Genehmigungen aus. Der Präsident des Bundesamtes für Entsorgungssicherheit (BfE), Wolfram König, sagt, dass die 40 Jahre damals eine Art Beruhigungspille für die Kommunen gewesen seien. Sie sollten zeigen, dass keine Dauerlager entstünden, tatsächlich aber seien die Lager weit über 40 Jahre hinaus sicher. Warum ärgert Sie diese Aussage?

Sailer: Technisch ist klar, dass sich Dinge im Lauf der Zeit verschlechtern, die einzige Frage ist, wie schnell. Deshalb bleiben die Brennelemente in den Lagerbehältern nicht beliebig lang stabil, die Dichtungen und die Dichtheitsüberwachung altern zwangsläufig. Es ist in all den Genehmigungsverfahren nur geprüft worden, ob alles voraussichtlich 40 Jahre hält. Eine technisch saubere Prüfung für Zeiten über die 40 Jahre hinaus ist nicht erfolgt. Das wissen alle, die an der Prüfung beteiligt waren. Auch die Reaktorsicherheitskommission, in der ich damals war, hat ihre finale Stellungnahme nur für 40 Jahre abgegeben. Wer sagt, die Lager seien länger sicher, kann sich auf keine ernsthafte Sicherheitsprüfung stützen, die dies belegen würde.

Welche Forschung ist nötig?

Sailer: Belastbare Erkenntnisse zum Langzeitsicherheitsverhalten der Dichtung und der Dichtheitsüberwachung sind genauso erforderlich wie zur Entwicklung der Stabilität der Brennelemente. Voraussagen über Langzeitverhalten können nur sehr begrenzt durch Hochskalieren von Kurzzeiterfahrung gemacht werden. Was wir brauchen, ist eine andauernde Forschung begleitend zum tatsächlichen Alterungsprozess. Aus meiner Sicht können wir erst nach Prüfung von tatsächlich 30 oder 35 Jahren gelagerten Behältern und Brennelementen verlässliche sicherheitstechnische Prognosen über die Zeit nach 40 Jahren machen.


Glauben Sie, dass die baugleichen Lager in Ahaus und Gorleben in die Verlängerung gehen können?

Sailer: Das kann nur eine integrale Sicherheitsüberprüfung unter Einbeziehung der Alterung ergeben. Ich bin ein bisschen vorsichtig bei dem Vergleich von bloßen Wanddicken. Eine Aussage zum tatsächlichen Sicherheitszustand ist damit kaum möglich.


Michael Sailer
ist Diplom-Ingenieur für Technische Chemie und anerkannter Nuklearexperte. Er ist Sprecher der Geschäftsführung des Öko-Instituts e.V. und Vorsitzender der Entsorgungskommission. Darüber hinaus war Sailer Mitglied des Scientific & Technical Committee von EURATOM, der Reaktorsicherheitskommission und Vertreter der Wissenschaft in der Endlagerkommission.

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Quelle:
Gorleben Rundschau - September/Oktober 2018, Seite 12
Lizenz: CC BY NC SA
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. September 2018

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