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FRAGEN/020: Endlagersuche - Das bleibt eine Black Box (Gorleben Rundschau)


Gorleben Rundschau XI-XII/2019 - 42. Jahrgang, Ausgabe 1072
Wir sind die Wenden: Energie · Klima · Mobilität · Gesellschaft

Endlagersuche
"Das bleibt eine Black Box!"

Interview mit der Grünen-Politikerin Miriam Staudte


Politik
Die atompolitische Sprecherin der Grünen im niedersächsischen Landtag hat viel Kritik am Verfahren der neuen Endlagersuche. Auch den Entwurf für die Sicherheitsanforderungen bemängelt Miriam Staudte. Andreas Conradt sprach mit ihr am Rande der Alternativen Statuskonferenz der Anti-Atom-Bewegung.


Seit Kurzem liegt der Entwurf für die Sicherheitsanforderungen an ein künftiges Atommülllager vor. Daumen hoch oder runter?

Es gibt einen ganz grundsätzlichen Webfehler bei den Sicherheitsanforderungen: Sie konterkarieren das vergleichende Verfahren, das das Standortauswahlgesetz vorgibt. Man hat einfach auf die alten Sicherheitsanforderungen aufgesattelt und das Prinzip des Vergleichs an keiner Stelle aufgenommen. Dabei müssten die Sicherheitsanforderungen eigentlich an die vergleichende Standortsuche angepasst werden.

Welche Bedeutung haben die Sicherheitsanforderungen?

Sie sind wichtig, weil sie im ganzen Verfahren immer wieder herangezogen werden, um die potenziellen Standorte daran zu messen.

Gibt es darüber hinaus Kritik an dem Entwurf?

Ein weiterer Fehler ist die Behandlung des Restrisikos: Es wird in wahrscheinliche, unwahrscheinliche und hypothetische Entwicklungen unterschieden, wobei die beiden letzten nicht mit den gleichen Anforderungen belegt werden sollen. Eigentlich müsste man aber durch Tschernobyl und Fukushima gelernt haben, dass ein 'Restrisiko' kein Konzept ist, an dem man sich orientieren kann. Schon gar nicht, wenn das menschliche Eindringen in den Einlagerungsbereich - zum Beispiel durch Rohstoffsuche - als hypothetisch eingestuft wird. Das ist absurd.

Warum?

Weil unter Salzstöcken häufig Gasvorkommen zu finden sind, ist die Gefahr menschlichen Eindringens dort viel größer als bei einer Granitformation. Wenn es diese Unterschiede gibt, kann man die Sicherheitsanforderungen nicht überall gleich formulieren. Eigentlich müsste man für die drei denkbaren Wirtsgesteine unterschiedliche Anforderungen aufstellen. Ohnehin wäre es dringend geboten, erstmal Standorte innerhalb desselben Wirtsgesteins miteinander zu vergleichen, und erst dann den jeweils besten Standort in Ton, Salz und Granit gegenüberzustellen und diese zu vergleichen.

Warum wird stattdessen so lasch verfahren?

Ich glaube, dass die Akteure das StandAG und dessen Forderungen überhaupt nicht verinnerlicht haben. Stattdessen wollen ganz viele an den alten Mechanismen festhalten.

Wer genau?

Das ist ja gerade das Problem: Man weiß nicht, wer an den Sicherheitsanforderungen gearbeitet hat. Das bleibt eine Black Box.

Könnte das in einem Jahr auch mit dem Zwischenbericht so sein? Dann sollen ja erstmals Regionen benannt werden, die für die Errichtung eines Endlagers potenziell in Frage kommen.

Ja. Eigentlich müsste man die Benennung der Teilgebiete aussetzen, solange es kein Geologie-Daten-Gesetz gibt. Das aber will das BfE nicht! Uns ist zwar ein lernendes Verfahren versprochen worden, tatsächlich bekommen wir aber ein galoppierendes Verfahren. Das allergrößte Ziel ist es, den Zeitplan einzuhalten.

Ohne das Gesetz können Daten von privaten Firmen nicht veröffentlicht werden, was wiederum Transparenz im Verfahren erschwert. Ist nicht das Bestreben der Unternehmen verständlich, Geo-Daten, die sie auf eigene Kosten und aus wirtschaftlichem Interesse erhoben haben, geheim zu halten?

Betriebswirtschaftlich ist das nachvollziehbar, aber da muss eine Gewichtung der Interessen stattfinden. Im Übrigen gibt es ja immer eine Schutzfrist, in denen das Unternehmen, das die Daten erhoben hat, die alleinigen Rechte zum Abbau von Rohstoffen hat.

Wie wird man mit Regionen verfahren, von denen überhaupt keine Daten vorliegen?

Da gibt es eigentlich nur eine Antwort: Die Daten müssen erhoben werden, um in der ganzen Bundesrepublik die gleiche Ausgangssituation zu haben. Bislang ist geplant, diese Regionen auch nach der Benennung von Teilgebieten im nächsten Jahr im Verfahren zu belassen. Das kann man machen, solange es um die Ausschlusskriterien geht. Aber bei einem Vergleich der Mindestanforderungen würden Regionen ohne Daten automatisch rausfallen.

Ist im Angesicht der komplexen Thematik, die sich über viele Fachgebiete erstreckt, eine nennenswerte Beteiligung von Laien überhaupt zu leisten?

Meine Erfahrung ist, dass Laien, die sich engagiert in eine Thematik einarbeiten, über kurz oder lang auch mit Fachleuten auf Augenhöhe diskutieren können. Oft sind sie ja auch viel länger mit dem Thema beschäftigt als Fachleute, die mal schnell in eine andere Behörde wechseln und dann thematisch etwas völlig anderes bearbeiten. Es war immer ein Sicherheitsgewinn, wenn Vorgehen und Daten von Bürgerinnen und Bürgern misstrauisch begutachtet wurden. Aber das braucht Zeit! Eine Frist zur Stellungnahme von nur drei Monaten, wie sie für die Fachkonferenz Teilgebiete nach der Veröffentlichung des Zwischenberichts nächsten Herbst vorgesehen ist, ist natürlich absurd.

Nicht gerade eine vertrauensfördernde Maßnahme?

Nein. Obwohl man darum ja gerade so bemüht ist: Auf den Infoveranstaltungen des BfE wurde immer wieder gesagt: 'Wir brauchen Vertrauen!' Das ist aber eine falsche Forderung. Man braucht Beteiligung.

Bei all der Kritik: Ist die neue Endlagersuche noch zu retten?

Es ist beunruhigend, dass einzelne Bundesländer sich schon ausgeklinkt haben und mitteilen, bei ihnen gebe es keine geeigneten Regionen. Wenn das Standortauswahlgesetz überhaupt eine Chance auf ein Ergebnis haben soll, dann muss es in der Umsetzung eher verbessert werden und nicht verschlechtert. Nur sehe ich diese Verbesserungen im Moment nicht.


Glossar
(Quelle: BUND)

Ausschlusskriterien
Gebiete, die großräumigen Vertikalbewegungen und Einflüsse aus gegenwärtiger oder früherer bergbaulicher Tätigkeit unterliegen oder Regionen mit aktiven Störungszonen, seismischer oder vulkanischer Aktivität oder in denen junges Grundwasser vorkommen, werden ausgeschlossen.

Mindestanforderungen
Damit Regionen als Standort für die Lagerung des hochradioaktiven Abfalls in Frage kommen können müssen folgende Mindestanforderungen gelten: Die Gebirgsdurchlässigkeit muss gering sein, dies soll gewährleisten, dass kein Wasser eindringt. Die Mächtigkeit des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs muss mindestens 100 Meter betragen. Die minimale Teufe des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs muss mindestens 300 Meter unter der Erde liegen. Die Fläche muss ausreichend groß für ein Endlager sein. Und schließlich muss die Barrierewirkung erhalten sein.

Abwägungskriterien
Die Abwägungskriterien beziehen sich zum einen auf geowissenschaftliche und zum anderen auf planungswissenschaftliche Kriterien. Anhand der geowissenschaftlichen Kriterien sollen die Standorte vergleichend beurteilt und festgestellt werden, ob eine geologisch günstige Gesamtsituation für ein Atommüll-Lager vorliegt. Bei den planungswissenschaftlichen Kriterien werden Faktoren wie Abstand zur Wohnbebauung, Emissionen, Überschwemmungsgebiete, Kulturgüter oder Bodenschätze einbezogen.

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Quelle:
Gorleben Rundschau - November/Dezember 2019, Seite 18-19
Lizenz: CC BY NC SA
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Februar 2020

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