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BUCH/282: Grüner Kapitalismus - Krise, Klimawandel und kein Ende des Wachstums (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 155 - April/Mai 2010
Die Berliner Umweltzeitung

Grüner Kapitalismus
Krise, Klimawandel und kein Ende des Wachstums

Von Jochen Mühlbauer


Stephan Kaufmann und Tadzio Müller untersuchen in der vorliegenden empirischen Studie "Grüner Kapitalismus" die Realität der bisherigen Politik ökologischer Modernisierung. Sie zeigen die strategischen Konzepte der unterschiedlichen Kräfte eines grünen Kapitalismus und entwickeln eine Kritik des kapitalistischen "Green New Deal". Es werden Perspektiven der Klimagerechtigkeit und der solidarischen Transformation bis hin zu einer möglicherweise notwendigen "Schrumpfungsökonomie" diskutiert.

Beide Autoren argumentieren, dass der gegenwärtige Kapitalismus gleich von mehreren Krisen geplagt wird: einer Legitimationskrise der Herrschenden, einer tiefen Krise des Neoliberalismus sowie der Energie- und Klimakrise. Letztere ist Teil einer umfassenden "Biokrise", die durch den unüberwindbaren Antagonismus zwischen dem zu endlosem Wachstum verdammten Kapitalismus und unseren natürlichen Lebensgrundlagen verursacht wird.

Der Wirtschaftswissenschaftler Stephan Kaufmann, seit 1998 Wirtschaftsredakteur der Berliner Zeitung, analysiert im Kapitel "Nachhaltigkeit - Die neue Harmonie von Ökonomie und Ökologie", unter welchen Bedingungen der kapitalistische Staat zum Klimaschutz bereit ist. Nach Ansicht von Kauffmann wägt die Politik bei ihren Entscheidungen zwischen den verschiedenen Faktoren der Nachhaltigkeit ab, ob Klimaschutzmaßnahmen billiger sind als die Folgekosten des Klimawandels und ob diese Schritte die Versorgungssicherheit mit preiswerter Energie erhöhen. Nicht zuletzt, ob sich mit den Ökotechnologien ein Geschäft machen lässt.

Denn politisches Entscheidungskriterium für Maßnahmen des Klimaschutzes sind weder Mensch und Natur, noch die technische Machbarkeit, sondern die Frage der Rentabilität für den nationalen Wirtschaftsstandort. So führt das Menschheitsproblem "Klimawandel" zu harten Auseinandersetzungen der konkurrierenden Nationalstaaten um die künftige Verteilung von Kosten und Nutzen der globalen Erwärmung. Der Politologe Tadzio Müller - aktiv in der Bewegung für Klimagerechtigkeit, bei "gegenstromberlin" und im internationalen Netzwerk "Climate Justice Action" - erläutert im vierten Kapitel seine These, dass der der grüne Kapitalismus für die herrschende Klasse zu einem neuen hegemonialen Projekt werden könnte. Dieses würde aber durch eine Fortsetzung des umweltzerstörenden Wachstums, die zunehmende Verarmung breiter Teile der Arbeiterschaft und einen autoritären Staat geprägt sein.

Deshalb wendet sich der langjährige Klimacamp-Aktivist Müller klar gegen jene Stimmen in der linken Bewegung, die für eine Einmischung in die Green-New-Deal-Debatte werben. Gerade wegen der Schwäche der emanzipatorischen Kräfte und der Wucht der Krisen sei etwas ganz anderes nötig: die Artikulation gegensätzlicher Positionen, also ein Bruch und der Neuanfang.

Er skizziert im Sinne einer "sozialökologischen Transformation" Gegenentwürfe zum grünen Kapitalismus. So beinhaltet das Konzept der Klimagerechtigkeit für Müller Vorstellungen einer "Schrumpfungsökonomie" und die Notwendigkeit, auch Gewerkschaften und Beschäftigte in einen grundsätzlichen Veränderungsprozess miteinzubeziehen. Das Stichwort hierfür lautet "just transition - gerechter Übergang".

Insgesamt haben Kaufmann und Müller mit "Grüner Kapitalismus" ein Buch veröffentlicht, das zu einem Standardwerk der kritischen Auseinandersetzung mit dem Ökokapitalismus werden könnte. Denn die Diskussion über die Wege aus der weltweiten Krise ist noch lange nicht entschieden.

Stephan Kaufmann, Tadzio Müller
Grüner Kapitalismus
Krise, Klimawandel und kein Ende des Wachstums
Karl Dietz Verlag, Berlin 2009
272 Seiten, 19,90 Euro
ISBN 978-3-320-02211-2


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Quelle:
DER RABE RALF - 21. Jahrgang, Nr. 155, April/Mai 2010, S. 27
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de

Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: 10 Euro/halbes Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Mai 2010