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CHEMIE/323: EU-Pestizid-Regeln? Tricksen und großzügig auslegen! (DNR EU)


Deutscher Naturschutzring (DNR)
Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände
EU-Koordination

EU-News - Mittwoch, 04. April 2012 / Chemie & Nanotechnologie

EU-Pestizid-Regeln? Tricksen und großzügig auslegen!



Eine neue Studie des Pestizid-Netzwerks-Europa (PAN-Europe) zeigt, wie EU-Mitgliedstaaten und die Generaldirektion Gesundheit der EU-Kommission (DG SANCO) Regeln drehen und wenden, so dass letztlich auch verbotene Pflanzenschutzmittel wieder zugelassen werden können.

Alles beruhe auf einem System der Wiedervorlage (Resubmission) bei großen Datenlücken: solange nicht ausreichend viele Informationen für eine Risikobewertung beziehungsweise die Gefährlichkeit von bestimmten Pestiziden vorliegen, können diese nicht endgültig verboten werden. Bei Stichproben fand PAN-Europe heraus, das in acht von zehn Fällen eine Bewertung aus Verbraucherschutzsicht nicht möglich war, weil nicht genug Daten vorlagen. Beim Pestizid Bromuconazol gebe es eine ganze Handvoll Datenlücken, was aber als akzeptabel angesehen werde. Laut Pestizid-Richtlinie 91/414 müssen aber alle Toxizitätsstudien durchgeführt werden, Datenlücken sind nicht gestattet.

Solange Pestizide nicht verboten sind, können sie auch bei Zweifeln über ihre Sicherheit noch jahrelang auf dem Markt bleiben - oder die Industrie bekommt die Gelegenheit, Stoffe "freiwillig zurückziehen". PAN-Europe vermutet, dass dieser "Handel" mit der Industrie aus einer Mischung aus Angst vor einer Flut von Gerichtsverfahren und dem politischen Willen, die Bewertungsverfahren erst zu beenden, erwachsen ist. Das Wiedervorlageverfahren betreffe über 80 Wirkstoffe und lähme das Bewertungssystem der DG SANCO und der Lebensmittelbehörde EFSA seit inzwischen drei Jahren.

Ein weiteres Studienergebnis ist, dass kein Mitgliedstaat jemals ein Pestizid verbieten würde, nur weil Umweltrisiken bestünden. Obwohl in sieben von zehn Fälle hohe Umweltrisiken bestanden, tat das einer Genehmigung dieser Pestizide keinen Abbruch. PAN-Europe erhob massive Vorwürfe: der dringend notwendige Prozess der Erneuerung des Pestizidzulassungssystems werde verschleppt, die Zulassungsbehörden vernachlässigten sträflich ihre Aufgabe, Mensch und Umwelt vor Gefahren zu schützen und statt weniger seien inzwischen mehr Pestizide auf dem Markt. Die Risikobewertung müsse dringend reformiert werden. [jg]

Pressemitteilung von PAN-Europe
http://www.pan-europe.info/News/PR/120403.html

Studie
http://www.pan-europe.info/Resources/Reports/PAN%20Europe%20-%202012%20-%20Twisting%20and%20bending%20the%20rules.pdf

Hans Muilerman, Pesticide Action Network Europe,
Tel: +316 558 072 55, E-mail: hans[at]pan-europe.info

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Quelle:
EU-News, 04.04.2012
Deutscher Naturschutzring e.V. (DNR)
EU-Koordination
Marienstraße 19-20, 10117 Berlin
E-Mail: eu-info@dnr.de
Internet: www.eu-koordination.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. April 2012