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CHEMIE/330: EU-Parlament nimmt schwache Seveso-III-Richtlinie an (DNR EU)


Deutscher Naturschutzring (DNR)
Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände
EU-Koordination

EU-News - Donnerstag, 14. Juni 2012 / Chemie & Nanotechnologie

EU-Parlament nimmt schwache Seveso-III-Richtlinie an



Eine "verpasste Gelegenheit" für mehr Gesundheits- und Verbraucherschutz - das ist das Fazit des Europäischen Umweltbüros (EEB) zur neuen Seveso-III-Richtlinie. Die Umweltschützer reagierten enttäuscht auf die formale Annahme des bereits Ende März zwischen den EU-Institutionen ausgehandelten Kompromisses zur Richtlinie zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen.

Nach langen Verhandlungen hat das EU-Parlament heute formal seine Zustimmung zu den ausgehandelten Beschlüssen für die Neufassung der Vorgänger-Ausgabe der Seveso-III-Richtlinie gegeben. Dabei seien, so das EEB, einige gute Verbesserungsideen und konkrete Anforderungen für die Verhütung schwerer Unfälle unter den Tisch gefallen. EU-Mitgliedstaaten und Betreibern bleibe es auch in der Neufassung weiterhin größtenteils selbst überlassen, wie und wann Kontrollen zum Gefahrenpotenzial von Industrieanlagen stattfinden. Progressive Forderungen aus dem EU-Parlament wie die Notwendigkeit, besonders besorgniserregende Substanzen im Rahmen der EU-Chemikalienverordnung REACH zu überprüfen oder die Senkung von Schwellenwerten bestimmter Stoffe einschließlich Nanomaterialien, seien im Laufe der Verhandlungen fallengelassen worden.

Die Mitgliedstaaten hätten außerdem der Forderung nach einer verpflichtenden Orientierung an der besten verfügbaren Technik abgelehnt - und das bei den risikoreichsten Anlagen in ganz Europa, kritisierte das EEB. Trotz des enormen Haushaltsdrucks lehnten die Mitgliedstaaten auch eine direkte Haftung mit obligatorischer Versicherungspflicht für die Betreiber ab. Dies sei ein Verstoß gegen das in der EU geltende Verursacherprinzip.

Als "Hoffnungsschimmer" bezeichneten die Umweltschützer die im Vergleich zur Seveso-II-Richtlinie leichten Fortschritte im Bereich Transparenz, Öffentlichkeitsbeteiligung und Information sowie den Zugang zu Gerichten. Dennoch bestünden weiterhin Risiken durch schwere Unfälle mit gefährlichen Substanzen.

Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) forderte die EU-Kommission auf, Ausnahmeregelungen sorgfältig zu prüfen und der betroffenen Bevölkerung Gelegenheit zu geben, sich dazu zu äußern.

Die Richtlinie, die noch formal durch den EU-Ministerrat abgesegnet werden muss, wurde im Parlamentsplenum mit 593:10:7 Stimmen mit großer Mehrheit angenommen. Betriebe mit hoher Risikostufe sollen nun zumindest einmal im Jahr, als weniger riskant eingestufte Betriebe alle drei Jahre routinemäßig kontrolliert werden. Bei Betriebserweiterungen und der Erstellung von Notfallplänen soll BürgerInnen ein Mitspracherecht gewährt werden. Informationen über die Anlagen sollen in Zukunft auch online verfügbar sein. Berichterstatter für die Seveso-III-Richtlinie war der Ungar János ‘der (Konservative), der inzwischen das Parlament verlassen hat, um seinen Posten als ungarischer Staatspräsident anzunehmen. [jg]

Pressemitteilung (EEB)
http://www.eu-koordination.de/umweltnews/news/chemie/1542-eu-parlament-nimmt-schwache-seveso-iii-richtlinie-an

Pressemitteilung Parlament
http://www.europarl.europa.eu/pdfs/news/expert/infopress/20120613IPR46788/20120613IPR46788_de.pdfs

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Quelle:
EU-News, 14.06.2012
Deutscher Naturschutzring e.V. (DNR)
EU-Koordination
Marienstraße 19-20, 10117 Berlin
E-Mail: eu-info@dnr.de
Internet: www.eu-koordination.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juni 2012