Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INDUSTRIE

ENERGIE/1343: Carbon Capture and Storage - Aber wohin mit dem CO2? (Solarzeitalter)


Solarzeitalter 3/2009
Politik, Kultur und Ökonomie Erneuerbarer Energien

Carbon Capture and Storage: Aber wohin mit dem CO2?

Von Ulf Bossel


Einleitung

Mit den drei Buchstaben CCS soll die Energiewelt verändert werden [1, 2, 3, 4]. Carbon Capture and Storage beherrscht die Diskussion zur zukünftigen Stromversorgung mit Kohle. Würde das bei der Kohleverbrennung entstehende Kohlendioxid vom Rauchgas getrennt und entsorgt, würde Kohle zu einem sauberen Energieträger - so das Wunschdenken. Von "clean coal" ist die Rede, von der Nachrüstung aller Kohlekraftwerke mit CO2-Abscheidern, vom sauberen Kohlestrom für die nächsten Generationen und, wie sollte es anders sein, von riesigen Investitionen in eine "nachhaltige" Zukunft.

Der Autor dieses Beitrags hat als Ingenieur nicht die geringsten Zweifel, dass sich CO2 durch geeignete Verfahren bei der Kohleverstromung separieren lässt. Man kann Kohle vergasen und das CO2 vom Kohlegas trennen, bevor dieses einer Gasturbine zugeführt wird. Man kann die Kohle aber auch mit Luft oder reinem Sauerstoff verbrennen und das entstehende CO2 hinter dem Kessel dem Rauchgas entnehmen. Diese Verfahren und andere Prozesse werden derzeit an vielen Orten studiert, entwickelt, optimiert und in Pilotanlagen erprobt.

Mit der CO2-Abscheidung ist das Problem jedoch noch nicht gelöst, denn es sind keine brauchbaren Optionen für eine bleibende Entsorgung des abgeschiedenen Klimagases erkennbar. Aufgrund physikalischer Tatsachen dürfte es auch nicht möglich sein, grössere Mengen CO2 sicher und zu erschwinglichen Kosten bis in alle Ewigkeit zu entsorgen.


Anforderungen an die CO2-Entsorgung

Während die Strahlung radioaktiver Abfälle mit der Zeit abklingt und die heute gefährlichen Reststoffe "nur" für einen bestimmten Zeitraum (man spricht von 25.000 Jahren) sicher gelagert werden müssen, bleibt CO2 für alle Zeiten ein Klimakiller. Man muss es also dauerhaft sicher entsorgen. Es ist deshalb irreführend, von Carbon Capture and Storage zu sprechen, denn "Storage" beschreibt eine vorübergehende Lagerung, was im Falle von CO2 nicht in Betracht gezogen werden darf. Bei einer vorübergehenden Lagerung des Klimakillers wird die heute vermiedene Klimaerwärmung zeitlich verschoben dann erfolgen, wenn das gespeicherte Gas wieder in die Atmosphäre gelangt. Jede verantwortungsbewusste

CO2-Lagerung erfordert eine permanente Betreuung der Lagerstätten. Auch dürfte es kaum möglich sein, alle CO2-Depots vor künstlich herbeigeführten oder natürlich auftretenden geologischen Veränderungen zu schützen.

Man hat einige grosse Aquifer-Regionen, CCS-Befürworter sprechen von "Saline Formations", entdeckt (z.B. das Sleipner Feld von der Nordsee bis zur Ukraine) und schwärmt von einem Riesengeschäft für die Stromwirtschaft und der Schaffung von zig-tausend neuen Arbeitplätzen [5, 6, 7]. Leider sind diese unterirdischen Felder mit Salzwasser gefüllt, das ins Meer oder an die Oberfläche verdrängt werden muss, um Platz für die CO2-Lagerung zu schaffen. Aber wo Wasser entweicht, wird das Klimagas folgen. Als Ziel für die CO2-Leckage aus den unterirdischen Lagerstätten nennen die CCS-Befürworter eine Obergrenze von 1% in 1.000 Jahren. Da das unterirdische Speichervolumen nicht durch überirdische Ländergrenzen definiert werden kann, bleibt offen, wer im Falle einer Leckage Massnahmen zu ergreifen hat und wer für Schäden gerade steht. Schon in wenigen Jahren wird man nicht mehr wissen, wer das zum Beispiel in Weissrussland entweichende CO2 wann und wo in der Nordsee eingespeist hat. Auch stellt die ständige und flächendeckende Überwachung des gesamten Territoriums über der riesigen CO2-Blase ein schier unlösbares Problem dar. Wieder wird eine Technik entwickelt, bevor die Endlagerung und alle damit zusammenhängenden wichtige politische, juristische oder haftungsrelevante Fragen geklärt worden sind. Zum Glück wird CCS-Kohlestrom voraussichtlich so teuer sein, dass er sich nicht gegen Strom von amortisierten Wind- oder Solaranlagen behaupten kann.

Die Möglichkeit katastrophaler Unfälle kann keinesfalls ausgeschlossen werden. Kohlendioxid ist nicht giftig, aber das farb- und geruchlose Gas verdrängt den Sauerstoff bei der Atmung. Ein CO2-Gehalt in der Luft von nur 5% führt zur Bewusstlosigkeit, ein Anteil von 8% innerhalb kurzer Zeit zum Tode. Am 21. August 1986 sind vom Nyos See in Kamerun spontan rund 1,6 Millionen Tonnen CO2 vulkanischen Ursprungs an die Oberfläche gelangt, die vorher in 200 m Tiefe im Wasser gebunden waren. Da CO2 schwerer ist als Luft, hat sich das Gas als Bodenschicht verbreitet. 1.700 Menschen und Tausende von Tieren fanden in bis zu 27 km Entfernung den Tod [8]. Oder, aufgrund eines technischen Fehlers leerte sich am 16. August 2008 beim Brand in einer Lackfabrik in Mönchengladbach der für Löschzwecke angelegte CO2-Vorrat vollständig. 107 Menschen wurden verletzt, 19 kamen ins Krankenhaus, drei mussten wiederbelebt werden. Die Motoren eines Löschfahrzeugs blieb wegen Sauerstoffmangels stehen. Die drei Feuerwehrleute verliessen das Fahrzeug und fielen sofort in Ohnmacht. Die CO2-Wolke wurde dann von zwei Hubschraubern weggeblasen und verteilt [9]. Beide Vorkommnisse geben einen Vorgeschmack darauf, was passieren würde, wenn ein mit 100 Millionen Tonnen unter hohem Druck gefülltes unterirdisches Reservoir aufgrund natürlicher Ereignisse (z.B. Erdbeben) oder menschlicher Eingriffe (z.B. Tiefenbohrung für geothermische Kraftwerke) ins Freie gelangen und sich als Bodenblase über riesige Flächen verteilen würde. Die Menschen hätten keine Chance, sich selbst oder andere zu retten. Nicht nur würde die Atemluft fehlen, sondern auch alle üblichen Rettungsgeräte würden in der CO2-reichen Atmosphäre versagen. Weltweit ist kein Katastrophendienst auf solche Ereignisse vorbereitet.

Die sichere Entsorgung von CO2 ist also nicht nur ein technisches Problem. Sie verlangt auch ein hohes Mass an ethischer Verantwortung. Im Vergleich zur permanenten Entsorgung riesiger Mengen des Klimakillers CO2 ist die für "nur" 25.000 Jahre angesetzte Entsorgung relativ geringer Mengen radioaktiver Stoffe "peanuts". Aber auch diese Entsorgung ist immer noch ein ungelöstes Problem. Die Frage bleibt, ob die CCS-Diskussion derzeit verantwortungsbewusst geführt wird.

Was gibt uns die Kraft zu glauben, dass wir detaillierte Informationen über CO2-Lagerstätten abrufbar und verbindlich an 1.000 nachfolgende Generationen vermitteln können? Selbst die vor 15 Jahren auf einer Floppy Disk gespeicherten Daten sind heute nicht mehr lesbar, weil sich Soft- und Hardware der Datenverarbeitung verändert haben. Es ist schwer vorstellbar, dass Information über CO2-Depots in zehn Generationen noch zugänglich sind und von unseren dann lebenden Nachkommen mit angemessener Sorgfalt beachtet werden.


Quantifizierung der anfallenden CO2-Mengen

Bei der CCS-Diskussion wird das Mengenproblem fast nie angesprochen. Man setzt stillschweigend voraus, dass man die anfallenden CO2-Mengen ebenso einfach beseitigen kann wie die anderen in Kohlekraftwerken erzeugten Umweltgifte, etwa Feinstaub, Schwefel- oder Stickoxide. Gegenüber der CO2-Entsorgung sind diese Stoffmengen jedoch fast vernachlässigbar klein, wie die folgenden Zahlen belegen.

Kohlendioxid ist mit Sauerstoff verbrannter Kohlenstoff und hat die chemische Formel CO2. Unter normalen Bedingungen ist der Stoff gasförmig und etwa 1,5 mal schwerer als Luft. In höherer Konzentration bildet das Gas deshalb eine Schicht in Bodennähe, also im Bereich des menschlichen Lebens. Bei tiefen Temperaturen gefriert CO2 ("Trockeneis"). Bis zur kritischen Temperatur (31,0°C) kann man es durch Kompression verflüssigen. Oberhalb der kritischen Temperatur (überkritischer Zustand) bleibt es ein Gas, das bei hohen Drücken (man spricht von 200 bar) gefördert und gelagert werden soll. Bei der vorliegenden Arbeit können die projektbezogenen Drücke und Temperaturen nicht berücksichtigt werden. Für die Umrechnung von Gewicht (Masse) auf Volumen wird deshalb die Dichte (0.464 t/m3) am kritischen Punkt (31,0°C, 73,7 bar) verwendet.

Bei der Verbrennung von einer Tonne Kohlenstoff entstehen 3,67 Tonnen Kohlendioxid. Deshalb sollen die CO2-Mengen grob abgeschätzt werden, die bei der Netzeinspeisung von 1 GW (1 Gigawatt = 1 Million kW) von einem modernen Steinkohlekraftwerk mit und ohne CCS entstehen. Exakte Analysen können jedoch nur projektbezogen durchgeführt werden, weil Dinge wie die Eigenschaften der verwendeten Kohle, Transportwege, Wirkungsgrade der Anlagen ohne und mit CCS, Energieaufwand für die CO2-Entsorgung usw. berücksichtigt werden müssen.

Zur groben Abschätzung der zu entsorgenden CO2-Mengen wird für ein modernes Steinkohlekraftwerk ohne CCS 45% als elektrischer Wirkungsgrad angenommen. Mit CO2-Abscheidung verringert sich dieser Wirkungsgrad um 9 bis 11 Prozentpunkte [1]. Für CCS-Steinkohlekraftwerke wird deshalb mit 35% gerechnet. Für beide Kraftwerkstypen werden für die Brennstoffversorgung vom Kohleflöz bis zur Kesselanlage 10% oder 0,1 GW zur Nennleistung addiert. Der Energiebedarf für die CO2-Entsorgung wird in Tabelle 1 mit einem Zuschlag zur Nennleistung von ebenfalls 10% berücksichtigt. In Tabelle 3 wird dieser Anteil auf realistischere 20% und 30% erhöht. Für die Versorgung und Entsorgung des betrachteten Kraftwerks benötigte Fremdenergie wird vereinfachend in anderen Kraftwerken gleicher Art erzeugt. Man rechnet, dass bei Anwendung der CCS-Technik drei konventionelle Kraftwerke durch vier CCS-Anlagen ersetzt werden müssen.

Unabhängig von der Herkunft des Kohlenstoffs und vom Oxidationsprozess gilt die chemische Formel C + O2 = CO2. Aus 12 kg Kohlenstoff und 32 kg Sauerstoff werden 44 kg Kohlendioxid. Ein Kilogramm Kohlenstoff wird zu 3,67 kg CO2. Beim Verbrennen von einer Tonne hochwertige Kohle, C-Gehalt 90%, entstehen etwa 3,3 Tonnen CO2, die für alle Ewigkeit sicher entsorgt werden sollen. Bezogen auf den CO2-Zustand im kritischen Punkt werden aus einem Kubikmeter Steinkohle (Dichte 1,5 t/m3, C-Gehalt = 90%) etwa 10,67 m3 CO2 (Dichte 0,464 t/m3). Für die Endlagerung des CO2 wird fast zwölf mal mehr Volumen benötigt als durch den Kohleabbau geschaffen wird. Ähnliches gilt auch für Erdöl. Die geleerten Erdöllagerstätten können nur ein Bruchteil des bei der Erdölverbrennung entstehenden CO2 aufnehmen.

In Tabelle 1 werden die wesentlichen Zahlen für ein modernes Steinkohlekraftwerk ohne und mit CCS ermittelt. Beide Kraftwerke speisen eine elektrische Leistung von 1 GW ins Netz.




Dimensionen
ohne CCS
mit CCS
Stromlieferung ans Netz
GW
1
1
Strombedarf für Kohleversorgung
GW
0,1
0,1
CCS-Strombedarf für CO2-Entsorgung
GW
-
0,1
Gesamt-Stromproduktion
GW
1,1
1,2
Verfügbarkeit des Kraftwerks
%
90
90
Betriebsstunden pro Jahr
h/a
7.884
7.884
Jahres-Stromerzeugung
TWh/a
8,672
9,461
Davon Stromlieferung ins Netz
TWh/a
7.884
7.884
Elektrischer Wirkungsgrad
%
45
35
Wärmebedarf Stromerzeugung
TWh/a
19,272
27,031
Heizwert der Steinkohle
MWh/to
8,3
8,3
Verbrannte Kohlemenge
Mto/a
2,322
3,257
Kohlenstoffgehalt der Kohle
%
90
90
Verbrannter Kohlenstoff
MtoC/a
2,090
2,931
kg CO2 zu kg C
-
3,67
3,67
Erzeugte CO2-Menge
MtoCO2/a
7,663
10,748
Spezifische CO2-Erzeugung
gCO2/kWh
972
1,363
CO2-Faktor für 10% CCS-Strombedarf
-
1
1,40

Tabelle 1: Vergleich der CO2-Produktion für moderne Steinkohlekraftwerke ohne und mit Carbon Capture and Storage


Für die in Kraftwerken eingesetzte Steinkohle guter Qualität kann man mit einem Heizwert von 8.33 kWh/kg rechnen. In einem modernen Kohlekraftwerk können aus einem Kilogramm Steinkohle etwa 3,75 kWh Strom gewonnen werden. Dabei entstehen etwa 3,3 kg CO2, also etwa 892 g CO2 pro erzeugte kWh. Dazu kommt ein mit 10% angesetzter Zuschlag für den Energieaufwand für Kohleförderung und -transport zum Kraftwerk. Bei Verwendung von Importkohle aus Übersee dürfte dieser Zuschlag viel zu niedrig sein. Für ein Steinkohlekraftwerk ohne CCS kann man mit einer Bruttobelastung von 972 g CO2/kWh rechnen.

Für das moderne Kraftwerk mit CCS liegt die CO2-Erzeugung wegen des niedrigeren Wirkungsgrades der Stromerzeugung und des zusätzlichen Energiebedarfs für die CO2-Entsorgung bei 1.363 g CO2/kWh. Bei einer vollständigen CO2-Entsorgung müssen für ein 1 GW-CCS-Kraftwerk jährlich etwa 10,75 Millionen Tonnen des Klimagases sicher deponiert werden. Auch für den Energiebedarf zur CO2-Entsorgung wurden lediglich 10% der Kraftwerksleistung angesetzt. Bei langen Transportwegen könnte dieser Zuschlag auch 30% betragen.

Kraftwerke werden jedoch für Laufzeiten von 50 Jahren geplant. Auch denkt man an die Nachrüstung von bestehenden Anlagen mit CCS-Technologie. Für Deutschland ist eine kumulierte Gesamtleistung von 30 GW CCS-Stromerzeugung denkbar. In Tabelle 2 sind die sich aufgrund dieser Annahmen ergebenden Mengen zu finden.



Dimensionen
ohne CCS
mit CCS
Lebensdauer der Kraftwerke
a
50
50
Gesamte CO2-Erzeugung pro GW
MtoCO2
363
537
Kraftwerksleistung in der BRD
-
30
30
CO2, alle Anlagen, 50 Jahre
GtoCO2
11,495
16,122
dto. in Tonnen CO2
toCO2
11.495.000.000
16.122.000.000
CO2-Dichte am kritischen Punkt
toCO2/m3
0,464
0,464
Zu entsorgendes CO2-Fl.-Volumen
m3CO2
-
34.746.000.000
dto. in km3 CO2
km3CO2
-
34,75

Tabelle 2: Für 30 GW Steinkohlekraftwerke mit einer Laufzeit von 50 Jahren


Die in 50 Jahren bei 30 GW CCS-Leistung anfallende CO2-Mengen belaufen sich bei vollständiger Entsorgung auf über 16 Gigatonnen CO2 mit einem Flüssig-Volumen im kritischen Zustand von fast 35 Milliarden Kubikmetern. Man plant jedoch die CO2-Lagerung unter überkritischen Bedingungen. Da sowohl Temperatur als auch Druck über den kritischen Werten liegen, dürften sich die ermittelten Volumina nur unwesentlich von den für kritische Bedingungen ermittelten Grösse unterscheiden.




ohne CCS
mit CCS
mit CCS
mit CCS
Zusatzleistung für CCS

0%
10%
20%
30%
CO2-Abscheiderate:





0%                    
gCO2/kWh
972
1.363
1.477
1.591
Vergleich zu "ohne CCS"
gCO2/kWh

+391
+505
+619
20%                   
gCO2/kWh
972
1.091
1.182
1.272
Vergleich zu "ohne CCS"
gCO2/kWh

+119
+210
+300
40%                   
gCO2/kWh
972
818
886
954
Vergleich zu "ohne CCS"
gCO2/kWh

-154
-88
-18
60%                   
gCO2/kWh
972
545
591
636
Vergleich zu "ohne CCS"
gCO2/kWh

-427
-381
-336
80%                   
gCO2/kWh
972
273
295
318
Vergleich zu "ohne CCS"
gCO2/kWh

-699
-677
-654
100%                  
gCO2/kWh
972
0
0
0
Vergleich zu "ohne CCS"
gCO2/kWh

-972
-972
-972

Tabelle 3: Spezifische CO2-Emissionen für unterschiedlichen Strombedarf für die CO2-Entsorgung


Diese Werte sind für einen Energiebedarf für die CO2-Entsorgung von 10% der ins Netz gespeisten Leistung, also für Kompression, Transport in Pipelines über längere Distanzen, Verpressung in Endlager, Überwachung, graue Energie für Bau der Anlagen usw. berechnet worden. Die für diese Schritte benötigte Energie muss jedoch anlagenspezifisch von Fall zu Fall ermittelt werden. Es ist denkbar, dass der Energiebedarf für die CO2-Entsorgung bei 20 oder 30% der eingespeisten Nennleistung liegt. Auch lässt sich mit vertretbarem Aufwand offenbar nicht alles CO2 sauber abscheiden. Abscheidungsraten von 70- 80% werden diskutiert [2]. Die Auswirkungen eines erhöhten Energiebedarfs für die CO2-Entsorgung auf die spezifische CO2-Belastung von Netzstrom sind in Tabelle 3 für unterschiedliche Abscheidungsraten parametrisch dargestellt.

Aufgrund des verminderten Wirkungsgrades von CCS-Kraftwerken und des zusätzlichen Energiebedarfs für die CO2-Entsorgung wird für die Abscheidung des Klimagases mehr Steinkohle verbrannt und folglich auch mehr CO2 erzeugt als bei konventioneller Stromerzeugung. Am Kesselaustritt liegen die Werte ohne CCS bei 972 g CO2/kWh. Bei CCS-Kraftwerken steigt dieser Wert auf 1.363 g CO2/kWh bei 10%, 1.477 g CO2/kWh bei 20% und 1.591 g CO2/kWh bei 30% Energiebedarf für die Entsorgung. Diese Zusammenhänge sind in Abbildung 1 dargestellt.

Abbildung 1: CO<sub />2</sub>-Emissionen für Strom aus Steinkohlekraftwerken ohne und mit CCS und unterschiedlichem Strombedarf für die CO<sub>2</sub>-Entsorgung

Abbildung 1: CO2-Emissionen für Strom aus Steinkohlekraftwerken ohne
und mit CCS und unterschiedlichem Strombedarf für die CO2-Entsorgung

Erst bei vollständiger Abscheidung des Klimagases wird der Kohlestrom "sauber". Bei niedrigen Abscheidungsraten bringt die CCS-Technik keine Vorteile, denn 30-40% des Klimagases müssen sicher entsorgt werden, bevor man die spezifischen Belastungen des normalen Kraftwerks wieder erreicht hat. Bei einer Entsorgungsrate von 70% ist der CCS-Strom immer noch mit etwa 450 g CO2/kWh stark belastet. Im Vergleich zu Strom aus erneuerbaren Quellen bleibt Kohlestrom unter diesen Bedingungen auch mit CCS "schmutzig". Die Qualität von Windstrom kann nur bei einer fast vollständigen CO2-Abscheidung und Entsorgung erreicht werden. Dies dürfte jedoch sehr aufwändig und mit hohen Kosten verbunden sein.

Die CCS-Strategie ist mit rationeller Energienutzung kaum vereinbar. Schon deshalb sollten alle CCS-Programme ernsthaft hinterfragt werden. Die Energieversorgung kann nur mit effizienten Lösungen langfristig sicher gestellt werden. Für die CO2-freie Stromerzeugung stehen mit Windkraft und Photovoltaik schon heute bewährte Technologien zur Verfügung, von denen die meisten nach Amortisation der Anlagenkosten Strom zu günstigeren Tarifen liefern können als die mit CCS ausgestatteten Kohlekraftwerke.


Sichere Entsorgung des CO2

Aus physikalischen Gründen ist höchst zweifelhaft, ob das abgeschiedene Kohlendioxid jemals sicher gelagert werden kann. Diese Bedenken sollen nun erörtert werden.

In allen Fällen muss das Klimagas vom Kraftwerk zum Endlager transportiert werden. Angesichts der zuvor genannten Mengen ist dies nicht nur ein technisches, sondern auch ein logistisches Problem, denn die zu entsorgende CO2-Menge wiegt mehr als dreimal so viel und besitzt ein fast elf mal grösseres Volumen als die vom Kraftwerk benötigte Kohlemenge. Der Standort des Kraftwerks sollte sich also möglichst in der Nähe der CO2-Entsorgung befinden, was neue Stromnetze bedingt. Für viele der bereits bestehenden Kohlekraftwerke dürfte die CCS-Umrüstung scheitern, weil keine brauchbaren Entsorgungsstellen in Kraftwerksnähe zu finden sind.

Die von einem CCS-Kraftwerk mit 1 GW elektrischer Leistung abzuführenden CO2-Mengen sind keinesfalls trivial. Für das in Tabelle 1 untersuchte CCS-Beispiel ergibt sich eine Entsorgungsmenge von etwa 10,7 Mto CO2/a oder 1.227 Tonnen CO2 pro Stunde, bzw. 340 kg CO2 pro Sekunde. Tabelle 4 enthält die wesentlichen Daten von CO2. Am kritischen Punkt, der als Referenzpunkt für die Berechnungen dient, besitzt CO2 bei einer Temperatur von 31.0°C, einem Druck von 73,9 bar und eine Dichte von 464 kg/m3 [10]. Man müsste also einen Volumenstrom von über 2.644 m3/h, bzw. 0.735 m3/s bei Drücken über 75 bar kontrolliert entsorgen. Dies ist machbar, aber mit erheblichem technischen und energetischen Aufwand verbunden. Bei 30 CCS-Kraftwerken würde man die 30-fache CO2-Menge über mehrere Routen zu unterschiedlichen Einspeisestationen transportieren, denn für eine umfassende Gesamtentsorgung fehlen geeignete Lagerstätten.




Temperatur (°C)

Druck (bar)

Dichte (kg/m3)
(CO2 flüssig)
Sättigungslinie
0
34.5
915

10
45.8
854

20
57,2
785
Kritischer Punkt
31.0
73.9
464

Tabelle 4: Thermodynamische Daten von CO2 [11]


Nun folgt das eigentliche Problem, nämlich eine für alle Zeiten sichere Endlagerung der riesigen, in 50 Betriebsjahren anfallenden CO2-Mengen zu finden. In der öffentlichen Diskussion denkt man an handhabbare Mengen, die sich irgendwie "verstecken" lassen. Man vergleicht die CO2-Abscheidung mit der Entschwefelung oder Entstickung von Abgasen. Bei Carbon Capture and Storage geht es jedoch um einige Milliarden Tonnen CO2, die während der 50-jährigen Betriebszeit von vielen CCS-Steinkohlekraftwerken erzeugt werden und sicher für alle Ewigkeit entsorgt werden müssen.


Möglichkeiten der CO2-Lagerung

Für die permanente Entsorgung des abgeschiedenen CO2 werden unterschiedliche Möglichkeiten erörtert, von denen einige von der Art her, andere wegen der anfallenden Mengen für eine permanente CO2-Entsorgung ungeeignet sind.


1. Wiederverwertung des CO2

Durch Wiederverwertung, gleich welcher Art, wird CO2 nur vorübergehend gebunden, nicht aber permanent entsorgt. Der dem Kohlendioxid beim Recycling entnommene Kohlenstoff wird früher oder später wieder als CO2 an die Umgebung abgeführt, wie die folgenden Beispiele zeigen.

Bei der Verwendung des abgeschiedenen CO2 zur Herstellung sprudelnder Getränke wird das Klimagas nur kurzfristig in Wasser gelöst, denn nach dem Trinken des Sprudelwassers wird das geschluckte CO2 wieder herausgerülpst. Auch können nur geringe Mengen des in Kraftwerken erzeugten CO2 verwendet werden. Mit dem von einem einzigen 1GW-CCS-Steinkohlekraftwerk täglich erzeugten CO2 könnte man für jeden Einwohner Deutschlands 174 Liter Sprudelwasser herstellen.

Auch durch eine Verwendung des CO2 zur Wachstumsförderung von Biomasse wird das Klimagas nicht dauerhaft gebunden, denn Biomasse wird später direkt oder indirekt als Energiequelle genutzt. Dabei wird der im biologischen Brenn- oder Kraftstoff gebundene Kohlenstoff wieder als CO2 freigesetzt. Beim Einsatz der Biomasse als Baumaterial mag sich der Freisetzungsprozess um Jahrhunderte verzögern. Der in einem Holzhaus gespeicherte Kohlenstoff wird wieder zu CO2, wenn das Haus durch Feuer vernichtet, wenn bei einem Abbruch das Bauholz als Brennmaterial genutzt oder wenn es der natürlichen Verrottung überlassen wird.

Am wenigsten sinnvoll ist die Verwendung des CO2 zur künstlichen Erzeugung von Methan, Methanol oder anderen synthetischen Energieträgern. Bei der Verbrennung der synthetisch erzeugten Energieträger wird der chemisch gebundene Kohlenstoff wieder als CO2 emittiert und kann als Klimakiller wirken. Auch aus energetischer Sicht sind alle Bemühungen purer Unsinn, aus dem durch Verbrennung fossiler Energieträger entstandenen CO2 zusammen mit künstlich erzeugtem Wasserstoff wieder Energieträger der ursprünglichen Art zu machen. Es braucht mehr Energie, um aus CO2 und Wasser Methan herzustellen, als durch Verbrennung des synthetischen Brenngases zu gewinnen ist.

Die drei Beispiele zeigen exemplarisch, dass man das Problem der CO2-Entsorgung nicht durch dessen Wiederverwertung lösen kann. Für die permanente Lagerung des Treibhausgases werden andere Verfahren genannt, die im Folgenden besprochen werden sollen. Indes kann keiner der folgenden Vorschläge zur Verwirklichung empfohlen werden.


2. Permanente chemische Bindung des CO2

Die Vorstellung, die Natur könnte aus dem unterirdisch gelagerten CO2 durch chemische Reaktionen in kurzer Zeit und mit hoher Geschwindigkeit stabile Verbindungen schaffen, ist absurd. Man wundert sich, dass namhafte Experten [5] solche Reaktionen ernsthaft in Erwägung ziehen. Chemische Bindungen sollen deshalb zuerst widerlegt werden, denn die wesentlichen Merkmale von chemischen Reaktionen lassen sich dabei exemplarisch darstellen.

Wie alle Oxyde ist auch CO2 eine energetisch tote Verbindung. Bei der Verbrennung ist dem Kohlenstoff alle Energie entzogen worden. CO2 ist auf dem Nullpunkt der Energieskala angelangt. Das Gas hat kein Energiepotential mehr, um von sich aus mit anderen Stoffen chemisch zu reagieren. Auch die für die Endlagerung des CO2 vorgesehenen Lagerstätten bestehen aus chemisch totem Material. Das CO2 bleibt also CO2, denn es gibt mit wenigen Ausnahmen keine Möglichkeiten für eine spontane, also exotherme Reaktion mit anderen Stoffen. Die chemische Verbindung von CO2 mit anderen energetisch toten Stoffen kann nur durch Zuführung von Energie auf hohem Niveau verändert werden. Dafür wird etwa ebensoviel Energie benötigt, wie zuvor bei der Kohleverbrennung gewonnen worden war. Es ist irreführend, wenn Kalkgestein CaCO3 für die CO2-Bindung genannt wird, denn im Untergrund findet man weder das dafür benötigte Kalzium, noch die für die Reaktion benötigte Wärme auf hohem Temperaturniveau.

Ein Teil des eingeleiteten CO2 kann bei den in den Lagertiefen herrschenden Temperaturen ganz langsam mit Wasser zu Kohlensäure reagieren: CO2 + H2O = H2CO3. Wegen der geringen Reaktionskinetik ist dieser Prozess für die Endlagerung der grossen CO2-Massenströme ungeeignet. Modellrechnungen zufolge dauert der Umwandlungsprozess etwa 1.000 Jahre [7].


3. Lösung des CO2 im Grundwasser

Kohlendioxid geht mit Wasser in Lösung. Die Löslichkeit steigt mit dem Druck und fällt mit der Temperatur. Bei 0°C und atmosphärischem Druck können etwa 3,3 g CO2 pro Liter Wasser gelöst werden. Bei 40°C sind es weniger als 1 Gramm. Wird der Druck bei dieser Temperatur auf 10 bar erhöht, steigt die Wasserlöslichkeit wieder auf fast 4 Gramm CO2 pro Liter an, Tabelle 5. Diese Abhängigkeit von Druck und Temperatur birgt jedoch Gefahren. CO2 entweicht der Lösung, wenn der Druck sinkt oder die Temperatur steigt. Eine sichere und permanente Entsorgung des CO2 ist also nur dann gewährleistet, wenn Druck und Temperatur des bindenden Wassers für alle Zeiten unverändert bleiben. Vermutlich ist das verheerende CO2-Unglück am Nyos-See durch die Störung dieses heiklen Gleichgewichts verursacht worden.


Temperatur
  °C
   0
  10
  20
  30
  40
  50
Löslichkeit
gCO2/L
3,346
2,318
1,688
1,257
0,973
0,761

Tabelle 5: Löslichkeit von CO2 in Wasser [13] (gCO2 in 1 L Wasser bei p = 760 mm Hg)


Für stehendes Grundwasser stabile Verhältnisse zu erwarten ist anmassend. Auch fliessen die unterirdischen Wassermassen und können Stellen erreichen, an denen andere Bedingungen herrschen als am Ort der CO2-Einführung. Das gelöste CO2 würde dann freigesetzt und in die Atmosphäre entweichen. Auch wäre das Grundwasser wegen des CO2-Gehaltes ("Sprudelwasser") nicht mehr als Trinkwasser zu gebrauchen.

Ferner ergibt sich auch in diesem Fall ein Mengenproblem. Für jede entsorgte Tonne CO2 muss im Untergrund eine bestimmte Menge Wasser zur Verfügung stehen. Die unterirdischen Wassermengen in der Nähe eines CCS-Kraftwerks würden kaum ausreichen, um das in 50 Betriebsjahren anfallende CO2 permanent zu binden. Bei einer Lösungsrate von 3 Gramm CO2 je Liter Wasser benötigt ein einziges in Tabelle 1 beschriebenes CCS-Kraftwerk von 1 GW elektrischer Leistung und 50 Jahre Lebensdauer ein Grundwasservolumen von 254 Kubikkilometern. Das entspricht einem Würfel mit einer Kantenlänge von etwa 6,4 km.

Die Lösung des CO2 in stillen Grundwasserschichten kann deshalb allenfalls eine begleitende Wirkung haben, aber keine befriedigende Lösung für die permanente Entsorgung des Klimakillers bieten, denn mit zunehmendem Wasserbedarf werden die heute noch stillen Grundwasserreserven schon bald zur Versorgung durstiger Menschen genutzt werden müssen.


4. Befüllung von unterirdischen Hohlräumen mit CO2

Die Endlagerung in natürlichen oder durch Abbau von Salz, Erdgas oder Erdöl geschaffenen Hohlräumen wird oft als Problemlösung genannt. Man zitiert die guten Erfahrungen mit dem Einsatz von Salzkavernen als Druckluftspeichern oder als Vorratsräume für Erdgas oder Erdöl. Für diese Art der kurzfristigen Lagerung flüssiger oder gasförmiger Güter ist eine brauchbare Technik vorhanden. Man hat die Abdichtung der Kavernen, sowie deren Befüllung und Entleerung im Griff.

Aus mehreren Gründen lässt sich die Erfahrung mit solchen Kurzzeitspeichern nicht auf die Anforderungen für eine dauernde und sichere Endlagerung von CO2 übertragen. Da ist in erster Linie wieder das Mengenproblem. Die bekannten Druckluftspeicher werden täglich gefüllt und entleert. Ihr Fassungsvermögen ist vergleichbar mit dem täglichen CO2-Ausstoss eines einzigen 1 GW-CCS-Kraftwerks. In wenigen Tagen wäre ein solcher Speicher gefüllt. Dann müssten andere Kavernen gefüllt werden. In kurzer Zeit wären alle verfügbaren Speichervolumina genutzt. Für die permanente Entsorgung des während 50 Jahren von einem einzigen 1 GW-CCS-Kraftwerk erzeugten CO2 bietet der Untergrund keine Kavernen der benötigten Grösse. Aufgrund seiner physikalischen Eigenschaften wird das CO2 wahrscheinlich immer im überkritischen Zustand gefördert und gelagert. Unter diesen Bedingungen nimmt eine Tonne CO2 ein Volumen von etwa 7,9 m3 ein.


5. Verpressen von CO2 in Aquiferen

Aquifere sind unterirdische, mit Wasser gefüllte Schichten oder Kanalsysteme. Diese in bestimmten geologischen Formationen zu findenden Räume sind in der Regel mit Salzwasser gefüllte poröse Schichten. CCS-Geologen bezeichnen diese als "Saline Formations". Vermutlich ist das Wasser von den Ozeanen her in die Hohlräume eingedrungen und könnte in den meisten Fällen auch wieder dorthin entweichen. Die kartographisch schwer zu erfassenden Wasserblasen sind deshalb keine in sich geschlossenen Volumina, sondern Teil eines irdischen Wassersystems. Es wird ernsthaft erwogen, solche Aquifere zur Endlagerung von CO2 zu verwenden. Dabei ist jedoch Folgendes zu bedenken.

Die zuvor diskutierte Löslichkeit des CO2 in Wasser ist vernachlässigbar klein. Beim Befüllen der Aquifere mit überkritischem CO2 wird deshalb Salzwasser durch das nicht lösbare, überkritische Kohlendioxid verdrängt. Dies ist jedoch nur bei "offenen" Aquiferen möglich, wenn das verdrängte Wasser das Kavernensystem irgendwo verlassen kann. Bei "geschlossenen" Aquiferen ist die Einlagerung grösserer CO2-Mengen nicht möglich, weil Wasser ein inkompressibles Medium ist. CO2 kann also nur in offene Aquifere gepumpt werden.

Dort kann es aber nicht permanent und sicher gelagert werden, denn mit dem verdrängten Wasser kann auch das verpresste CO2 entweichen. Aufgrund dessen geringerer Dichte wird es sich über dem Wasser ablagern und so bevorzugten Zugang zu den natürlichen Strömungskanälen finden, über die das Salzwasser mit der überirdischen Welt kommuniziert. Das CO2 wird solche Aquifere früher oder später verlassen und in die Atmosphäre gelangen, wo es mit zeitlicher Verzögerung wieder zur Klimaerwärmung beiträgt. Aquifere, auch wenn deren Grösse für Jahrzehnte ausreichen sollte, bieten keine Möglichkeit für eine sichere Endlagerung des abgeschiedenen CO2 für alle Ewigkeit. Dieser Umstand wird in der britischen Studie [5] nicht gebührend gewürdigt.


6. Versenken des CO2 in tiefe Schichten der Ozeane

Die Versenkung von flüssigem CO2 in tiefen Meeresschichten wird ebenfalls ernsthaft erwogen. Dabei wird auch die Bildung von Gashydraten betrachtet. Unter höheren Drücken bildet das CO2 mit Wasser einen Hydrationskomplex in Form eines Dodekaeders mit 18 Wassermolekülen, wobei jedes CO2-Sauerstoffatom über Wasserstoffbrücken mit 3 Wassermolekülen verbunden ist [12]. Sie bilden dann praktisch einen Feststoff, der sich am Meeresboden ablagert. Ob sich dieser Prozess für die gesicherte Endlagerung von CO2 eignet ist noch nicht erwiesen. Vor allem dürften die Reaktionsraten für diese endotherme Reaktion wegen der fehlenden Energiezufuhr sehr gering sein. An jedem Einleitungspunkt kann man also pro Zeiteinheit immer nur kleinere Mengen CO2 chemisch binden.

Viel stärker dürfte der folgende physikalische Effekt wirken. Das CO2 wird sicherlich im überkritischen Zustand als überhitzter Dampf in die tiefen Wasserschichten gepumpt. Unter diesen Bedingungen ist das CO2 wesentlich leichter als Wasser. Wenn das zugeführte Klimagas vom Druckrohr ins Wasser geleitet wird, setzt sofort der Auftriebeffekt ein. Die Flüssigkeit beginnt zu steigen und verdampft, wenn der Wasserdruck die Sättigungslinie des CO2 unterschritten hat. Danach sprudelt das Gas ungehindert an die Oberfläche und ist dort, wo man es eigentlich nicht haben wollte, nämlich als Klimakiller in der Atmosphäre.

Auch die Versenkung des CO2 in den Tiefen der Ozeane scheint für eine permanente Entsorgung grösserer Mengen des Klimagases ungeeignet zu sein.


Zusammenfassung

Bei der Diskussion um die Abscheidung und Entsorgung von CO2 scheint das Vorstellungsvermögen zu fehlen, um welch riesige Mengen es sich handelt. Man vergisst, dass bei der Verbrennung von einer Tonne Steinkohle mehr als drei Tonnen des Klimagases entstehen. Ferner wird nur selten über den zusätzlichen Kohlebedarf gesprochen, der aufgrund des schlechteren elektrischen Wirkungsgrades der CCS-Kraftwerke und durch den Energieaufwand für die CO2-Entsorgung entsteht. Mit der Carbon Capture und Storage-Technologie erhöht sich die CO2-Erzeugung im Kraftwerk gegenüber der konventionellen, modernen Kohleverstromung ohne CCS um mindestens 40%. Erst für Abscheidungsraten von etwa 40% kann die CCS-Technologie ökologische Vorteile bringen. Bei den heute für möglich gehaltenen Abscheidungsraten von 80% ist Strom aus CCS-Kraftwerken mit etwa 300 g CO2/kWh immer noch viel schmutziger als Strom von Windkraft- oder Photovoltaikanlagen (etwa 10 g CO2/kWh).

Alle untersuchten Möglichkeiten zur Speicherung des bei der Kohleverstromung anfallenden Kohlendioxids sind aus physikalischen Gründen entweder nicht realisierbar oder versprechen keine sichere Entsorgung des Klimagases für alle Zeiten. Elementare Gesetze der Physik und Chemie stehen der Verwirklichung vieler Speicheroptionen entgegen, von denen einige hier nicht besprochen werden konnten. Es erstaunt, dass die Frage der sicheren Endlagerung nicht zu Anfang der CCS-Diskussion untersucht worden ist. Wahrscheinlich ist viel Zeit und Geld mit der Entwicklung von Techniken vertan worden, mit denen man CO2 abscheiden, aber nicht entsorgen kann.

Allerdings kann der Autor nicht ausschliessen, Lösungsmöglichkeiten übersehen oder sich in einigen Punkten geirrt zu haben. Deshalb soll die vorgelegte Analyse als Diskussionsgrundlage dienen und Beteiligte zur Überprüfung der Ergebnisse veranlassen. Die Zahlen hängen von den verwendeten Annahmen ab. Aber auch für andere Wirkungsgrade, Kohlesorten, Laufzeiten, Gesamtleistung aller CCS-Kraftwerke usw. bleiben die physikalischen Zusammenhänge erhalten. Wenn man CO2 nicht sicher entsorgen kann, werden alle für die anfallenden CO2-Mengen entwickelten Abscheidungsprozesse bedeutungslos.

Aufgrund der schlechteren Wirkungsgrade der CCS-Kraftwerke und der für die Entsorgung benötigten Energie wird man drei konventionelle Kohlekraftwerke durch vier CCS-Anlagen ersetzen müssen [7]. Von einer rationellen Energienutzung kann keine Rede mehr sein..

Die vorgelegten Zahlen belegen, dass man die Idee der "sauberen Kohle" nicht weiter verfolgen sollte, gleich ob man die CO2-Abscheidung mit der Verstromung von Kohle, Erdöl oder Erdgas verbindet. Auch wird Strom von CCS-Kraftwerken wesentlich teurer sein als Strom aus konventionellen Kohlekraftwerken. Die angestrebte Inbetriebnahme der ersten CCS-Anlagen im Jahr 2020 kommt zu spät. Wegen des rasanten Ausbaus der Stromgewinnung aus erneuerbaren Quellen und der günstigen Stromlieferungen von amortisierten Wind- und Solaranlagen kann die CCS-Technik nie wirtschaftlich attraktiv werden. Für die Kohlewirtschaft und die Kraftwerksbetreiber ergeben sich keine sicheren Möglichkeiten für gewinnbringende Investitionen. Die CCS-Idee lässt sich aus heutiger Sicht aus technischen und wirtschaftlichen Gründen kaum verwirklichen.

Auch kann die CCS-Technologie nicht als "Übergangslösung" dienen, denn in einer nachhaltig gestalteten Zukunft wird Energie aus versiegenden fossilen und mineralischen Vorräten durch Energie aus erneuerbaren Quellen ersetzt werden müssen. Die Technik für den physikalisch vorgegebenen Wandel ist heute bereits entwickelt und kommerziell verfügbar. Gebraucht werden Energiespeicher für Strom, leistungsfähige Stromübertragungssysteme, intelligentes Netzmanagement usw. Weshalb also wird die Vergangenheit mit aufwändigen CCS-Entwicklungen verlängert, wenn die Zukunft bereits begonnen hat?


Literaturverzeichnis

[1] Tobias Jackenhövel, CCS-Projekte im Aufwind, BWK 6, 2009, VDI Verlag
[2] CO2-Abscheidung und - Lagerung (CCS) in Deutschland, Gabriela von Goerne, Germanwatch e.V., Bonn, ISBN 978-939845-46-8, April 2009 http://www.germanwatch.org/rio/ccs04e.pdf
[3] Carbon Dioxide Capture and Storage - CCS, Lasse Wallquist und Mischa Werner, ETH - Institut für Environmental Decisions, Zürich, November 2008 http://www.carma.ethz.ch/box_feeder/bafu_report08
[4] CO2-Abscheidung und -Speicherung, Wikipedia
http://de.wikipedia.org/wiki/CO%E2%82%82-Abscheidung_und_-Speicherung
[5] Diverse eigene Veröffentlichungen und Presseberichte über Präsentationen von Mike Stephenson (British Geological Service) in den Monaten September und Oktober 2009
[6] Carbon Capture and Storage: How black can green be? Stuart Haszeldine Science, 325, 1647-1652, September 2009
[7] CO2 Storage Capacity Estimation and Site Selection, Vortrag von Prof. John Kaldi, Australian School of Petroleum, Adelaide, ETH Zürich am 15.10.2009
[8] Nyos-See, http://de.wikipedia.org/wiki/Nyos-See
[9] Feuer in Lackfabrik: CO2-Wolke entweicht in Mönchengladbach http://www.wdr.de/themen/panorama/unfall07/moenchengladbach_chemieunfall/index.jhtml
[10] Kohlenstoffdioxid, Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Kohlenstoffdioxid
[11] Handbook of Chemistry and Physics, 44th Edition, The Chemical Rubber Publishing Company, 1962
[12] CO2, ein essentieller Naturstoff, Ernst-Georg Beck http://www.egbeck.de/treibhaus/CO2.htm
[13] Carbon Dioxide Solubility in Water, J. C. Baird http://jcbmac.chem.brown.edu/myl/hen/carbondioxideHenry.html


Ulf Bossel
Ph.D. (UC Berkeley), Dipl. Masch. Ing. ETH
European Fuel Cell Forum
Morgenacherstrasse 2F
CH-5452 Oberrohrdorf / Schweiz
forum@efcf.com


*


Quelle:
Solarzeitalter 3/2009, 21. Jahrgang, Seite 20-28
Politik, Kultur und Ökonomie Erneuerbarer Energien
Vom Autor korrigiert und ergänzt am 30. Oktober 2009
Redaktion: EUROSOLAR e.V.
Europäische Vereinigung für Erneuerbare Energien
Kaiser-Friedrich-Straße 11, 53113 Bonn
Tel. 0228/36 23 73 und 36 23 75, Fax 0228/36 12 79 und 36 12 13
E-Mail: info@eurosolar.org
Internet: www.eurosolar.org

Erscheinungsweise: vierteljährlich
Jahresabonnement: 20,- Euro zuzüglich Porto.
Für Mitglieder von EUROSOLAR im Beitrag enthalten


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. November 2009