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ENERGIE/1421: Schlalach strotzt vor Energie - Ein Besuch bei der "AG Windkraft Schlalach" (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 161 - April/May 2011
Die Berliner Umweltzeitung

Schlalach strotzt vor Energie
Ein Besuch bei der "AG Windkraft Schlalach"

Von Felix Eick


Donnerstag, 3. März, 9 Uhr: Ein FÖJler macht sich auf den Weg in das brandenburgische Dörfchen Schlalach. Ich steige auf mein Fahrrad, während sich Atemdampfschwaden vor Kälte bilden. Die aufgehende Sonne macht mir gute Laune. Ich verlasse Berlin im Südwesten, sodass ich am noch gefrorenen Wannsee vorbeikomme. Auch in der Havel an der Glienicker Brücke treiben noch Eisschollen. Selbst hier auf der Brücke ist es beinahe windstill. Die Möwen kreisen und das Wasser glitzert; ich bekomme richtig Lust auf meine "Reportagereise". In Potsdam biege ich nach links in Richtung Beelitz. Von jetzt an scheint mir die Morgensonne ins Gesicht. Die Strecke ist hügeliger als ich dachte, aber das macht auch die Landschaft reizvoller. Im iPod dudelt "Diversity" von Gentleman, was nun so gar nicht zu den märkischen Wäldern passen mag. Mit der Temperatur steigt auch meine Laune immer mehr. Ich vergleiche das Freiwillige Ökologische Jahr mit den Klischees über den Wehrdienst, somit die Kaserne mit einem Tages-Reportage-Ausflug. Ich beglückwünsche mich selbst.

Mein Ziel rückt näher. Am Abzweig nach Salzbrunn komme ich an einer Straußenfarm vorbei und freue mich über die Eleganz, den Witz und die Würde der Tiere. Und da ist es: das erste Windrad. Die Himmelsrichtung stimmt. Das muss der Schlalacher Windpark sein. Es werden immer mehr. Ich biege ein letztes Mal nach links und fahre nun einige Kilometer direkt auf ein Windrad zu. Das ist eindeutig die richtige Straße, der Weg in die Energiezukunft.

Mir fallen nur zwei Straßen in Schlalach, einem Dorf in der Gemeinde Mühlenfließ, auf: "Straße der Einheit" und "Straße des Friedens". Ich kann mich nicht verfahren.

Ein nett aussehender Mann mit Bart und Brille öffnet mir die Tür. Ich habe nur einmal mit Hartmut Höpfner von der "AG Windkraft Schlalach" telefoniert und mich verabredet; es war sehr unkompliziert und genauso unkompliziert ist er auch selbst.

Sogleich macht er den Vorschlag, mir mit dem Auto den leicht außerhalb liegenden Windpark zu zeigen. So könne ich mir ein Bild und Bilder machen. Schnell stellen sich mir viele Fragen. Im Internet gab es eigentlich nur zwei Artikel zur "Energie-Kommune Dezember 2010". Dementsprechend wenig ist mir bekannt.


Die Entstehung des Windparks

Ich frage Herrn Höpfner, wie es von der ersten Idee zum ersten Windrad kam und man merkt sogleich, dass jetzt eine längere Antwort folgt: "Zunächst wurden die entsprechenden Flächen um Schlalach als Windeignungsgebiet ausgeschrieben. Daraufhin entstand eine recht große Unruhe im Ort, sodass wir uns in der Gemeindevertretung entschieden, eine Einwohnerversammlung einzuberufen und ein Meinungsbild abzufragen. Von den 40 Anwesenden war die deutliche Mehrheit für die Entstehung eines Windeignungsgebietes und deren logische Folgen. Daraufhin gründeten wir die "Arbeitsgruppe Windkraft". Das war Mitte 2002."

Wir fahren nun durch den Windpark und ich bin beeindruckt von der Größe der Anlagen. Herr Höpfner meint, bevor er nun mit der Antwort fortfährt, man könne bei einem Durchmesser von 15 Metern locker in ein Windrad einziehen.

Schwierig sei des Weiteren vor allem die Erstellung eines Flächenmodells gewesen, da es rund 120 Grundstückseigentümer gibt, von denen einige erst "aufgespürt" werden mussten. Er erzählt viel. Ich werde hier nur die allerwichtigsten Eckdaten nennen, denn alles weitere wäre zwar ein tolles Beispiel für deutsche Bürokratie, aber würde den geneigten Leser langweilen.

"Nach vielem Prüfen, Ausweisen, Feststellen und Vorbereiten trafen wir uns im Frühjahr 2003 zur 'Eigentümerversammlung der Grundstücksei Grundstückseigentümerin der Gemarkung Schlalach des Windeignungsgebietes', wo ebenso wie bei den weiteren Treffen der AG Windkraft der Nutzungsvertrag, Betreiberanfragen und das Flächenpachtmodell erarbeitet wurden. Das Flächenpachtmodell sagt aus, dass die gesamten Erträge aus dem Windpark, die an die Pächter fließen, in einen Topf gehen. 80 Prozent werden als Flächenanteil ausgezahlt und 20 Prozent auf die Standorte selbst. Damit sind alle Grundstückseigentümer nach ihrem prozentualen Flächenanteil gerecht an den Erlösen beteiligt".

Mir wird klar, dass das natürlich Akzeptanz bei den Schlalachern schafft. Die gesamte Planungszeit habe es im Grunde keine Bewegung gegen den Windpark gegeben. Es habe immer solche und solche Meinungen gegeben und in der Kneipe werde ja immer viel geredet. Aber die wenigen Einwendungen aus der Nachbargemeinde Deutsch Bork konnten bei sogenannten Erörterungsterminen alle ausgeräumt werden. Hartmut Höpfner redet weiter, ohne dass ich ihm alles aus der Nase ziehen muss; das ist angenehm:

"Die Betreiberanfrage mit Fragebogen wurde letztlich an 29 Firmen verschickt. 19 Betreiberfirmen gaben eine Rückmeldung und mit den vier geeignetsten wurden Einzelgespräche geführt. Auf der zweiten Eigentümerversammlung wurde dann die Enercon GmbH als von der AG Windkraft erwählter Betreiber vorgestellt. Enercon und wir begannen sogleich mit der Arbeit und kümmerten uns um die Eigentümer, Lageplan und Genehmigungsverfahren, welches im Mai 2005 eröffnet wurde. Ein Jahr später kam es zur ersten Teilgenehmigung von 21 Windkraftanlagen. Weil die Technik aber mittlerweile schon weiter fortgeschritten war, entschieden wir uns auf Anraten Enercons hin, vom Typ E70 auf den wesentlich leistungsstärkeren Typ E82 umzudisponieren. Die E82 sind schließlich besser für Schwachwindgebiete geeignet; das rechnet sich! Nach gleichem Prozedere erhielt Schlalach Anfang des Jahres 2008 die erste Teilgenehmigung, sodass endlich 2009 mit den Wegebauarbeiten begonnen werden konnte und heute schon 16 Anlagen installiert sind."

Diese 16 von bald 23 Windkraftanlagen bestaune ich nun. Jede Anlage bringt in der Spitze 2,3 MW Leistung. Ich wundere mich sehr! Von störendem Schattenspiel kann keine Rede sein, was auch mit der Jahreszeit und dem niedrigen Sonnenstand zusammenhängen mag, und von Lärm zu sprechen, tut der Wahrheit Gewalt an. Die Autobahn A9, auf deren Brücke wir stehen, ist um einiges lauter als die 150 Meter hohen Windanlagen.

Wir holpern auf dem besseren Feldweg noch ein Stück weiter bevor wir zurückfahren. Schlalach erscheint mir als Vorzeigekommune auf dem Gebiet der Energieversorgung und Bürgerbeteiligung. Daher frage ich, ob eine Erfahrungs- und Wissensweitergabe zum Beispiel bei interkommunalen Treffen stattfindet und ob es für Schlalach Vorbilder gab und gibt.


Vorbilder für den Windpark Schlalach

Herr Höpfner antwortet etwas zögerlich, dann aber doch bestimmt: "Also kommunizieren tun wir sehr gern! Wir sind aber in kein Netzwerk eingebunden. Vor kurzem stellten wir unser Projekt in Belzig vor, wo man auch verstärkt auf erneuerbare Energien setzen will. Wir begleiten deren Prozess mit unserer Erfahrung. Gleichzeitig versuchen wir stets, auch neue Anregungen für unsere eigene Weiterentwicklung zu bekommen. Unser Vorbild ist im Sinne der Frage die Gemeinde Feldheim, die sich autark mit Energie versorgt. Wir sind auch schon mit der Gemeinde, der in Feldheim federführenden Firma Energiequelle und Enercon im Gespräch, um die Sache vielleicht auch in Schlalach umzusetzen."

Ich bekomme immer mehr das Gefühl, dass ich in das richtige Dorf gefahren bin. Jetzt wollen sie in Schlalach auch noch eine Energieautarkie herstellen. Autarkie bedeutet für mich aber auch die Nutzung anderer Energiequellen. Ich erfahre von meinem Gesprächspartner, dass sich die Agrargenossenschaft Schlalach mit dem Gedanken trägt, eine Biomasseanlage zu errichten. Wasserkraft wäre potenziell auch nutzbar. Hartmut Höpfner zeigt mir noch schnell die Wassermühle, die jedoch stillgelegt ist.


Rolle des Naturschutzes

Natürlich interessiert mich noch, welche Rolle der Naturschutz bei der Planung und Umsetzung des Windparks spielte. Hartmut Höpfners Gesicht verzieht sich kurz:

"Auch deshalb hat sich das Genehmigungsverfahren damals so kompliziert gestaltet. Denn von Seiten der Naturschutzbehörde in Potsdam (LUA) wurden sehr massiv Forderungen gestellt gestellt, die eigentlich nur das Ziel haben konnten, dass sie den Windpark verhindern wollten. Erst waren die Zugvögel gefährdet, was nicht durchzusetzen und nachzuweisen war, und danach dann die Fledermäuse. Aber man hat eben eine Lösung gefunden. Für sieben Anlagen, an die Gräben, Sträucher und Bäume zu dicht heranreichten, bestehen nun Abschaltzeiten, damit die Fledermäuse nicht bei der Jagd gestört werden. Das führt durchaus zu Ertragsverlusten. Zudem muss Enercon ein Monitoring durchführen. Über einige Jahre wird geprüft, wie groß die Verluste an Fledermäusen zu beklagen und ob die Abschaltzeiten wirklich beizubehalten sind."

Wegen des Windparks sind außerdem Ausgleichszahlungen vorgesehen. Hierzu muss Enercon als Betreiber der Naturschutzbehörde Projekte vorlegen; beispielsweise Anpflanzungen und Aufforstungen. Schlalach hat es geschafft, dass die Zahlungen mit einem Gesamtvolumen von einer Million Euro auch in Schlalach bleiben.

Wieder auf dem Hof von Herrn Höpfner angekommen, nimmt das Gespräch bei Kaffee und Keksen mehr einen Interviewcharakter an. Ich bin jetzt erst etwa eine Stunde in Schlalach und habe schon so viel Neues erfahren und gesehen. Nur Dorfbewohner habe ich außer meinem Gesprächspartner noch nicht zu Gesicht bekommen. Ich führe meine Befragung fort. Ich möchte wissen, wie er die Motivation der Bürger und der Gemeinde bewerte, ob sie Überzeugungstäter seien, die aus ökologischen und Klimaschutzgründen auf den Windpark setzen oder ob sie vor allem die finanziellen Vorteile schätzen. Herr Höpfner muss nicht lange überlegen:

"Als erstes spielt bei den Menschen, die ihre Flächen verpachten, die finanzielle Seite eine Rolle. Durch den Windpark erhalten sie ein gutes Zubrot. Diese Einstellung ist ganz normal. In der AG Windkraft gibt es ein aktives Mitglied, das es aus reiner Überzeugung macht und zugleich auch größtenteils der Kopf der Arbeitsgruppe ist. Die AG bildet einen Querschnitt des ganzen Dorfes: Gemeinde, Landwirte, Grundstückseigentümer und Nichteigentümer. Wer keine Flächen hat, der ist logischerweise auch finanziell weniger interessiert."


Profitabel für Bürger und Gemeinde

Daran schließt sich natürlich die Frage für mich an, wie sehr die Bürger und die Gemeinde denn nun wirklich vom Windpark profitieren. In der Summe sei es sehr profitabel für die Bürger und die Gemeinde. Aber das verteile sich natürlich auf die 120 Eigentümer. Es gebe niemanden, der hier in Größenordnungen von 50.000 Euro Pacht einstreiche. Dafür habe die Hälfte des Ortes einen direkten Verdienst durch die Windmüllerei.

Das nenne ich mal eine durchschlagende kommunalpolitische Maßnahme! Auch an die übrigen Schlalacher wurde gedacht:

"Für den Ort Schlalach haben wir zudem eine Stiftung eingerichtet. 0,75 Prozent der Einspeisevergütung fließen in die 'Bürgerstiftung Schlalach', welche Anfang 2010 gegründet wurde. Da war Enercon auch wieder großzügig. Man hat gleich 100.000 Euro zur Verfügung gestellt. Dieser Vorschuss wird über die nächsten Einspeisevergütungen zurückgezahlt. So kann Schlalach die eine oder andere Maßnahme über die Stiftung durchführen. Es muss übrigens auch mal gesagt werden, dass wir sehr zufrieden sind mit unserem Partner Enercon."

Das klingt ja nun alles ganz wunderbar und erfolgreich. Ich möchte noch wissen, ob Hartmut Höpfner jeder Kommune einen eigenen Windpark nach dem Schlalacher Modell mit Bürgerbeteiligung empfehlen würde. Seine Antwort klingt eher skeptisch:

"Empfehlen kann man schon, aber das muss jede Kommune mit sich selbst ausmachen. Ich denke, wir haben ein Modell geschaffen, um den größten Teil der Bürger daran zu beteiligen. Wir haben eine Lösung gefunden und sind zufrieden damit. Es gibt also durchaus die Möglichkeit, so einen Windpark gut umzusetzen."

Als letztes stelle ich noch die Frage, welche Bedeutung in Schlalach der Auszeichnung "Energie-Kommune Dezember 2010", verliehen durch die Agentur für erneuerbare Energien, beigemessen werde.

"Wir waren selbst davon überrascht, dass wir diesen Titel erhielten. Wir haben unser Projekt gar nicht so hoch eingeschätzt. Natürlich ist es keine schlechte Sache, wenn man für seine Leistung, die man über Jahre vollbracht hat, so gewürdigt wird".

Ich bedanke mich für das Gespräch und die vielen Informationen, trinke noch meinen Kaffee aus und trete, im wahrsten Sinne des Wortes, den Heimweg an. Wieder vorbei an den Beelitzer Spargelfeldern, diesmal etwas rasanter, um es noch vor der Dunkelheit und dem Beginn eines Konzertes meiner Freundin nach Berlin zu schaffen. Ich resümiere: Es war ein sehr sportlicher, sonniger, informativer, positiver und erlebnisreicher Tag!

www.unendlich-viel-energie.de/de/detailansicht/article/4/schlalach-ist-energie-kommune-des-monats.html


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
- Hinweg geschafft: Ich verewige mich mit dem Ortsschild
- Stört das? Nein, mich stören die Windräder im Landschaftsbild nicht
- Riesig! Man fühlt sich klein neben diesem Energieträger der Zukunft.
- Nachts sollen sie wegen roter Beleuchtung wie "Weihnachtsbäume" aussehen, sagt Herr Höpfner
Fotos: Felix Eick


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Quelle:
DER RABE RALF - 22. Jahrgang, Nr. 161 - April/Mai 2011
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Mai 2011