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ENERGIE/1506: Gift in der Luft (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 11 vom 13. März 2015
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Gift in der Luft
Greenpeace warnt: EU fördert schmutzige Energiegewinnung

von Bernd Müller


Deutsche Braunkohlekraftwerke sind besonders schmutzig, stellt die Umweltschutzorganisation Greenpeace wieder einmal in einer Studie fest, und wenn sich die Europäische Union nicht auf strengere Grenzwerte einigen kann, wird es wohl auch weiterhin so bleiben.

In Brüssel werden derzeit neue Grenzwerte für den Schadstoffausstoß von Industrieanlagen diskutiert und sollen ab 2020 gelten. Sollten sich die vorgeschlagenen Limits für Schwefeldioxid, Stickoxide, Feinstaub und Quecksilber durchsetzen, wären sie deutlich höher als in den USA, Japan oder China. Demnach würden die bislang diskutierten EU-Werte 30 Prozent mehr Schwefeldioxid und 80 Prozent mehr Stickoxide erlauben als die entsprechenden Werte in China. Würden die EU-Standards beschlossen, dürften neue Kraftwerke doppelt so viel Feinstaub ausstoßen und fünfmal so viel Schwefeldioxid und Quecksilber wie die effizientesten bestehenden Kraftwerke. Die Bundesregierung müsse sich in Brüssel für ehrgeizige Grenzwerte einsetzen, wenn sie sich für die Interessen der Bürger einsetzen wolle, fordert Greenpeace. "Die Gesundheit der Menschen darf nicht hinter den Interessen der Kohleindustrie zurückbleiben", so Energieexperte Tobias Münchmeyer.

Kohlekraftwerke stoßen nicht nur riesige Mengen klimaschädliches CO2 aus, sie sind auch die größte Quelle gesundheitsschädlichen Schwefeldioxids und Quecksilbers in Europa. Große Mengen von giftigem Arsen, Blei und Cadmium finden sich ebenso in den Abgasen. Der Feinstaub aus den Kohleschloten verschärft Asthma-Erkrankungen, während das Quecksilber im Blut von tausenden von Neugeborenen in Europa gefährliche Werte erreicht. Die Luftverschmutzung durch Kohlekraftwerke hat im Jahr 2010 zu geschätzten 22 300 vorzeitigen Todesfällen in der EU geführt, wie die Universität Stuttgart für eine Greenpeace-Studie 2013 berechnet hat.

Dass die Braunkohle in Europa wegen ihrer offenkundigen Gefahren als Energieträger weniger genutzt wird, scheint derzeit unwahrscheinlich. Forscher des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) warnten deshalb in einer im Februar veröffentlichten Studie vor einer falschen Politik, welche die Braunkohle begünstigt. "Beschränkt sich die Politik darauf, die erneuerbaren Energien in den Markt zu bringen - so wie derzeit in Deutschland -, wird weniger Gas genutzt, während die Nutzung von billiger, aber schmutziger Kohle unverändert hoch bleibt oder sogar zunimmt", schrieben sie.

In ihrer Argumentation betonen sie, dass der Emissionshandel nicht das entscheidende Element im Klimaschutz sein kann. Selbst mit einem niedrigen Preis für Kohlendioxid könnte der Umbau des Energiesystems angestoßen werden. Es müssten nur die richtigen Technologien gefördert werden. PIK-Projektleiter und Ko-Autor Gunnar Luderer kommentiert: "Kluge Technologiepolitik sollte vermeiden, dass zusätzliche emissionsintensive Infrastruktur aufgebaut wird." So treibe ein Ausbau der Kohleverstromung nicht nur die heutigen Emissionen hoch, sondern mache wegen der langen Lebensdauer der Kraftwerke auch künftige Reduktionen schwieriger. Auch der PIK-Chefökonom Ottmar Edenhofer meint: "Ein hoher CO2-Preis wäre ökonomisch zwar effizienter, ist aber nur schwer durchsetzbar." Eine Technologiepolitik verbunden mit einem moderaten CO2-Preis führe zwar zu höheren Kosten, sei dafür aber realistischer.

Ob die Verstromung von Braunkohle auch weiterhin attraktiv für die Konzerne bleibt, wird sich auch daran zeigen, wie hoch die Grenzwerte sämtlicher Schadstoffemissionen sein werden. Je geringer die Limits sind, desto höher werden die Kosten der Braunkohleverstromung und ihre Rentabilität wird deutlich sinken.

Bernd Müller
www.bernd-mueller.org

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 47. Jahrgang, Nr. 11 vom 13. März 2015, Seite 4
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. März 2015

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