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FORSCHUNG/339: Reststoffe haben es in sich - Biomethan und Biokohle für den Zukunftsmarkt (Leibniz)


Leibniz - Journal der Leibniz-Gemeinschaft 4/2009

Reststoffe haben es in sich
Biomethan und Biokohle für den Zukunftsmarkt

Von Ursula Resch-Esser


Energie gewinnen und dabei die CO2-Bilanz verbessern - das ist der Traum manches Energieversorgers. Jan Mumme vom Leibniz-Institut für Agrartechnik Potsdam-Bornim (ATB) möchte diesen Traum wahr machen. Er arbeitet an einem Verfahren, das aus Biomasse Biomethan gewinnt und die verbleibenden Reste in Biokohle umwandelt.


Das Methan - so der Plan - wird in das Erdgasleitungssystem eingespeist und trägt zur nachhaltigen Energieversorgung bei. Biokohle soll vor allem den Boden verbessern. Langfristig im Boden stabil, könnte sie gleichzeitig als Kohlenstoffsenke dienen: Energiegewinnung mit negativer Kohlenstoffbilanz. "Ich habe mir überlegt, wie man noch effizienter Biogas erzeugen kann", erläutert Jan Mumme. Bisher wird nur ein Teil von Stroh, Gülle oder Mais in den Reaktoren in Biogas umgewandelt. Übrig bleiben je nach Ausgangsmaterial bis zu 50 Prozent der organischen Substanz. Diesen Rest möchte der Agraringenieur zu Biokohle umwandeln und so die Effizienz des Prozesses steigern. Sein Konzept hat auch das Bundesforschungsministerium (BMBF) überzeugt: Jan Mumme ist einer der vier Sieger beim Ideenwettbewerb "BioEnergie - neue Wege beschreiten" im Förderprogramm BioEnergie 2021. Gesucht wurden junge Forscher mit neuen Ansätzen zur Nutzung von Biomasse. Mit insgesamt zehn Millionen Euro fördert das BMBF die Nachwuchswissenschaftler. Etwa drei Millionen davon fließen in Jan Mummes Projekt "Anaerobe Konversion von Biomassen zu hochwertigen Energieträgern und Kohlenstoffsenken", kurz APECS. Partner ist das Institut für Bodenkunde der Technischen Universität Berlin. Weitere Kooperationen, vor allem mit der Industrie, sollen im Laufe des fünfjährigen Projektes hinzukommen. "Biokohle ist ein Zukunftsmarkt", kommentiert der 33-jährige Wissenschaftler. "Alle großen Energieversorger haben ihre Augen und Ohren offen."


Mikroorganismen nutzen

"Die meisten Biogasanlagen stehen heute in China, Indien, Afrika und Lateinamerika", berichtet der Agraringenieur, der das 16-köpfige Projektteam leiten wird. "Es handelt sich um einfache Anlagen, in denen Familien die Exkremente ihrer Schweine oder Kühe und eventuell noch Speisereste unter Luftabschluss vergären und dabei Gas zum Kochen gewinnen. Das ist nicht der Ansatz, den wir in Europa verfolgen. Unser Hauptanliegen ist die Industrialisierung des Prozesses." Dazu entwickelt das ATB verschiedene Anlagentypen und untersucht die mikrobiologischen Vorgänge während der Gärung im Reaktor. "Das ist ein sehr komplexer Prozess, der noch nicht vollständig verstanden ist", erläutert Jan Mumme. Eine entscheidende Rolle spielen die Organismen, die am Ende der Abbaukette das Methan erzeugen: entweder aus Kohlendioxid und Wasserstoff oder aus Essigsäure. Vertreter beider Gruppen dieser Mikroorganismen, auch Archaeen genannt, konnten Wissenschaftler des ATB in Biogasreaktoren finden. "Die Archaeen gehören nach Meinung vieler Wissenschaftler zu den ältesten Bewohnern unseres Planeten", sagt Jan Mumme.

Bei einem optimalen Prozess können die Archaeen sehr gut arbeiten, und die Gasproduktion des Reaktors ist stabil. Für die Verarbeitung fester Ausgangsstoffe entwickelte Jan Mumme gemeinsam mit Kollegen am ATB und der Humboldt-Universität zu Berlin den Aufstromreaktor. Die Anlage, die zum Patent angemeldet ist, kommt ohne die sonst übliche Durchmischung des Reaktorinhalts aus. Hierdurch wird Energie eingespart - gleichzeitig können die Mikroorganismen ungestört arbeiten und leistungsfähige Lebensgemeinschaften ausbilden. So kann der Aufstromreaktor bei gleicher Ausnutzung der Biomasse einen zwei- bis dreimal höheren Durchsatz erreichen als übliche Anlagen. Der Aufstromreaktor wurde entwickelt, um feste organische Materialien wie Energiepflanzen, aber auch Reststoffe wie Stallmist oder Stroh zu verarbeiten.

Jan Mumme optimiert mit seinem Team das Aufstromverfahren. Im Rahmen des APECS-Projekts wollen die Wissenschaftler auf die Nutzung von Energiepflanzen verzichten. "Wir nutzen nur Reststoffe, die bei der Nahrungsmittelproduktion oder der Produktion anderer Güter anfallen, beispielsweise Stroh, Gras aus der Landschaftspflege oder tierische Reststoffe", betont Jan Mumme. Ihn interessieren vor allem bislang nicht oder kaum erschlossene faserreiche Reststoffe, die biologisch schlecht abbaubar sind. Sie tragen weniger zur Gasproduktion bei, doch auch deren Gärreste können in Biokohle umgewandelt werden. Was die Natur in Jahrtausenden bis Jahrmillionen erledigt, soll in einem chemisch-technischen Prozess in wenigen Minuten ablaufen. Es ist eine der Herausforderungen von APECS, den biologischen Stoffabbau bei der Biogaserzeugung mit dem thermochemischen Prozess der Umwandlung in Kohle zu verbinden. "Das Spannende wird sein, die jeweiligen Stoff- und Energieströme so zu verknüpfen, dass hinterher im Prinzip kein Abfall entsteht", beschreibt Jan Mumme die Aufgabe.


Biokohle ist wertvoll

Zwei Verfahren der Biokohleerzeugung wollen er und sein Team experimentell und mit Computermodellen analysieren. Die Pyrolyse erzeugt bei hohen Temperaturen und Sauerstoffarmut aus eher trockenen Biomassen Kohle. Die hydrothermale Karbonisierung arbeitet, ähnlich wie ein Dampfkochtopf, bei hohem Druck. Bei diesem Verfahren können auch wässrige Ausgangsmaterialien verarbeitet werden. Beide Prozesse setzen Energie frei, können sich also zumindest in der Theorie energetisch selbst tragen. Struktur und Beschaffenheit der Kohle - und damit sicher auch ihre Beständigkeit im Boden - sind abhängig von den Ausgangsmaterialien und der Prozessführung.

"Biokohle hat Eigenschaften, die zum Teil mit denen fossiler Kohle vergleichbar sind", erklärt Jan Mumme. Sie kann daher auch als Brennstoff in Kohlekraftwerken oder in aufbereiteter Form als Filtermaterial eingesetzt werden, etwa zur Reinigung des in der Anlage erzeugten Biogases. Außerdem eignet sie sich möglicherweise dafür, der Flüssigkeit im Reaktor organische und mineralische Hemmstoffe zu entziehen und so optimale Bedingungen für die Gasproduktion zu erzeugen. Das eigentliche Ziel: Biokohle soll als Bodenverbesserungsmittel eingesetzt werden. Mit einer hohen Speicherfähigkeit für Wasser und Nährstoffe könnte sie die Funktion von natürlichem Humus übernehmen und Böden, die durch Klimawandel und Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion geschädigt wurden, wieder verbessern. Bleibt die Kohle im Boden langfristig stabil, kann sie den Kohlenstoff binden, den die Pflanzen, aus denen die Kohle entstand, zuvor als CO2 der Luft entzogen haben. Biokohle wird zur Kohlenstoffsenke - und damit für den Anwender noch wertvoller. Jan Mumme ist sicher: "Der Wert der Biokohle entsteht nicht nur aus der ertragssteigernden Wirkung im Boden, sondern auch dann, wenn Biokohle in den CO2-Zertifikatehandel einbezogen wird."

Bisher ist Biokohle kein zugelassenes Produkt für die Bodenverbesserung. Viele Fragen sind noch offen: Wie werden Struktur und Stabilität der Biokohle bei der Herstellung beeinflusst? Können durch Biokohle Schadstoffe in den Boden gelangen? Stört sie das Leben der Bodenorganismen? Oder ruft sie sogar einen Abbau von Bodensubstanz hervor? Diesen Fragen wollen die Wissenschaftler von APECS nachgehen. "Wir wollen den Prozess so optimieren, dass die Kohle dauerstabil ist und optimal die Bodenfruchtbarkeit erhöht", fasst Jan Mumme zusammen. Seine Erwartungen sind vielversprechend: Bei der kombinierten Erzeugung von Biomethan und Biokohle können viele verschiedene Eingangsstoffe genutzt werden, und das Produktverhältnis von Biomethan und Biokohle lässt sich dynamisch variieren. Jan Mumme hat ausgerechnet, dass mit seinem Verfahren in Deutschland jährlich bis zu neun Millionen Tonnen Biokohle erzeugt werden könnten. Vorausgesetzt, man verwendet für die kombinierte Biogas-Biokohle-Herstellung ausschließlich landwirtschaftliche Reststoffe. Gleichzeitig würden die Anlagen Biomethan mit einem Energiegehalt von bis zu 270 Petajoule liefern. Die Menge an Biokohle entspricht dabei 0,7 bis 3,4 Prozent des jährlichen CO2-Ausstoßes in Deutschland, während durch das Biomethan drei Prozent des derzeitigen Energieverbrauchs bereitgestellt werden könnten. In Ländern mit geringerer Industrialisierung und höherer landwirtschaftlicher Nutzung dürften die Potenziale noch deutlich größer sein.


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Quelle:
Leibniz - Journal der Leibniz-Gemeinschaft, Nr. 4/2009, Seite 6-7
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. März 2010