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GEFAHR/068: Abwärmeeinleitung AKW Philippsburg - "Kein Problem für den Lachs!" (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 961 vom 17. Dez. 2010 30. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Abwärmeeinleitung AKW Philippsburg: "Kein Problem für den Lachs!"


Wie es denn sein könne, dass der Oberrhein vor dem Atomkraftwerk Philippsburg als Cyprinidengewässer aufgrund einer Uraltgewässerschutzrichtlinie aus den 70er Jahren ausgewiesen sei, wollten irritierte Teilnehmer des Erörterungstermins zur Verlängerung der wasserrechtlichen Erlaubnis für das Atomkraftwerk am 16. Sept. 2010 wissen. Denn bekanntlich würden sich im Oberrhein inzwischen nicht nur cyprinidenartige "Warmwasserfische" wie der Barsch tummeln, sondern auch "Kaltwasserfische" wie der Lachs und andere Großsalmoniden. Wenn ein Gewässer von Cypriniden besiedelt ist, darf es nach der alten EG-Fischgewässerrichtlinie durch Kühlwassereinleitungen bis zu 28 Grad Celsius "aufgeheizt" werden. Für Salmonidengewässer liegt der Grenzwert aber schon bei 21,5 Grad.

Aufwandernde Sommerlachse ("Jakobslachse") scheinen nach jetzigem Erkenntnisstand bei 25 Grad ihre Aufwärtswanderung im Rhein einzustellen. Die Meinung der Einsprecher: Wenn das für Cyprinidengewässer zulässige Limit von 28 Grad am Oberrhein weiterhin als Richtschnur für Abwärmeeinleitungen gelten würde, dann würde der Oberrhein als Wärmebarriere gegenüber aufstiegswilligen Salmoniden fungieren. Der Lachs hätte dann beispielsweise große Schwierigkeiten, wegen des lauwarmen Rheins seine gut gekühlten Laichgewässer in den Schwarzwald- und Vogesenflüssen zu erreichen. Tenor der EnBW als Betreiberin von Philippsburg und der Genehmigungsbehörden: Macht nix, denn "der Oberrhein ist behörderlicherseits als Cyprinidengewässer eingestuft". Basta!

Auch der Einwand, dass man eine Abwärmeeinleitung nicht isoliert von allen anderen Kühlwassereinleitungen entlang des Oberrheins beurteilen könne, fruchtete nur wenig (siehe RUNDBR. 941/3-4, 929/1-2). Zwar gebe es für die Wasserbehörden ein Gesamtbewirtschaftungsermessen. Das sei aber durch die Ausweisung des Oberrheins als Cyprinidengewässer mit einer Temperaturbegrenzung bis 28 Grad ziemlich eingeengt - zumal der Vergleich zum ehemals kühlwasserunbeeinflussten Oberrhein kaum noch möglich sei - denn: "Unbelastete Vergleichsstrecken sind im Rhein vermutlich nicht mehr vorhanden."

Allerdings monierten nicht nur die Einsprecher, sondern auch die Fischereiabteilung des Regierungspräsidiums Karlsruhe, dass die Summationseffekte zahlreicher Abwärmeeinleitungen "unberücksichtigt" blieben. Und weiter: "Eine abgesicherte gutachterliche Auseinandersetzung hierzu fehle weitgehend, vor allem in Hinblick auf die gesamte Wärmebelastung des Rheins (Dauerbelastung) und nicht nur auf Maximalwerte bezogen."

Die Genehmigungsbehörden bequemten sich daraufhin, anzukündigen, dass vorgesehen sei, die wasserrechtliche Erlaubnis unter einen Widerrufsvorbehalt zu stellen. Sollten sich neue Erkenntnisse über die ökologieschädigenden Wirkungen der Abwärmeeinleitung ergeben, könnten "zu einem späteren Zeitpunkt auch strengere Anforderungen festgelegt" werden (vgl. 929/2) Der Vorbehalt gelte auch, wenn sich späterhin die Anforderungen von EU, Bund oder Land verschärfen sollten (vgl. auch 728/4).


Kühlwasserentnahme: "Kein naturschutzrechtlicher Eingriff"

Bemerkenswert waren die Ausführungen der EnBW als Betreiberin des Atomkraftwerkes Philippsburg zu den naturschutzrechtlichen Aspekten der Kühlwasserentnahme und der Abwärmeeinleitung. Im Gegensatz zu den Einsprechern vertrat die EnBW die Auffassung, dass "mit der Kühlwasserentnahme und Wiedereinleitung einhergehende Verringerung der Individuenzahl von Arten kein Eingriff nach § 14 BNatSchG" (siehe Kasten auf S. 2) verbunden sei. Somit unterliege der Tod von Millionen von Jungfischen in den Rechen- und Siebbandreinigungsanlagen des Kühlwassereinlaufs "auch nicht der naturschutzrechtlichen Einfriffsregelung". Dies begründete die EnBW damit, dass § 14 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) auf "Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen" abhebe. Aber sowohl die Kühlwasserentnahme als auch die Wiedereinleitung des erwärmten Kühlwassers würden nachvollziehbar "keine Veränderung der Gestalt von Grundflächen" verursachen. Da diese Rechtsauffassung auch vom Landratsamt Karlsruhe als Erörterungsbehörde geteilt wurde, ergab sich für die EnBW keine gesetzlich begründete Notwendigkeit zu Kompensationsmaßnahmen für Eingriffe in den Naturhaushalt nach § 14 BNatSchG. Gleichwohl erklärte sich die EnBW großzügig bereit "außerhalb des Wasserrechtsverfahrens" Schutzmaßnahmen in benachbarten FFH-Gebieten zu finanzieren.

§ 14 Eingriffe in Natur und Landschaft

(1) Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können.


Kühlwasserdampf aus dem AKW: "Ganz, ganz wenige Legionellen"

Die Einsprecher gegen die Erneuerung der wasserrechtlichen Erlaubnis für das AKW hatten u.a. kritisiert, dass die Freisetzung von Legionellen aus dem Kühlturm des Atomkraftwerkes Philippsburg in der Umweltverträglichkeitsprüfung nicht diskutiert worden sei. Auch das Gesundheitsamt des Landratsamtes Karlsruhe kritisierte auf dem Erörterungstermin am 16. Sept. 2010, dass bei einer Verdunstung von 700 Litern Wasser pro Sekunde bei Kühlturmablaufbetrieb "eventuell mit Krankheitserregern kontaminierter Dampf in die Umgebung abgegeben" werden könnte.

Ähnlich wie die Einsprecher verwies auch das Gesundheitsamt auf den folgenschweren Legionellenausbruch aus einer Naßkühlanlage in Ulm im Jan. 2010: "Aus Sicht des Gesundheitsamtes sind in dieser Hinsicht die Antragsunterlagen unvollständig und sollten durch entsprechende Aussagen und Untersuchungsergebnisse ergänzt werden." Die EnBW stellte auf dem Erörterungstermin hierzu klar, dass die Untersuchungen zur Bewertung des Infektionsrisikos durch Legionellen in Kühlkreisläufen von Großkraftwerken Entwarnung gegeben hätten - allerdings nur dann, wenn sich in den Kühltürmen kein Biofilm ansiedeln würde. Deshalb würden die Kühltürme des AKW Philippsburg jedes Jahr in der Revision auf Beläge kontrolliert und ggf. gereinigt. Bei Kontrolluntersuchungen von Wasserproben aus dem Kühlturm von Block 1 des AKW Philippsburg seien die Grenzwerte für Legionellen in Kühlwasserkreisläufen weit unterschritten worden.


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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 961/2010
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. März 2011