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HOLZ/274: Raubbauholz bald mit Gütesiegel? (ARA Magazin)


ARA Magazin 24, 2018/19 - Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz e.V.

Raubbauholz bald mit Gütesiegel?

Ein EU-Abkommen kann den Schmuggel von Holz aus Kambodscha nicht stoppen


ARAs Partnerorganisation in Kambodscha hat zur Zeit vor allem eine Aufgabe: den illegalen Holzeinschlag und den anschließenden Schmuggel nach Vietnam möglichst lückenlos zu dokumentieren. Denn wenn im nächsten Jahr ein Handelsabkommen der EU mit Vietnam in Kraft tritt, soll das Land selber garantieren, dass seine Holzexporte nach Europa aus legalen Quellen stammen.


Bislang müssen europäische Holzimporteure nachweisen, dass die von ihnen eingeführten Waren aus legalen Quellen stammen. So sieht es die EU-Holzhandelsverordnung (EUTR) vor. Das könnte sich ändern, wenn im Januar 2019 das FLEGT-VPA Abkommen mit Vietnam in Kraft tritt (siehe Kasten unten).

2010 haben die einschlägigen Verhandlungen mit der EU begonnen und viele Beobachter sind sich einig, dass dabei wichtige Fortschritte erzielt wurden. Vietnamesische Umwelt- und Menschenrechtsgruppen sind zum ersten Mal an Arbeitsgruppen der Regierung beteiligt worden und seit 2016 ist der Holzeinschlag in den verbliebenen Naturwäldern des Landes verboten. Einen großen Schwachpunkt gibt es allerdings noch: den bislang kaum kontrollierten Schmuggel von größtenteils illegal eingeschlagenem Holz aus den Nachbarländern Kambodscha und Laos.

Gartenmöbelindustrie ohne Holz

Seit die vietnamesische Regierung den Aufbau holzverarbeitender Betriebe massiv unterstützt, ist dieser Sektor zum sechstgrößten weltweit geworden. Für 2017 wird der Wert der exportierten Holzprodukte auf 8 Milliarden Dollar geschätzt. Da der Nachschub aus dem eigenen Land begrenzt ist, wird mindestens 80 Prozent des Holzes importiert. Der größte Teil stammt aus Asien, allein aus Kambodscha sollen es nach Angaben des vietnamesischen Zolls im letzten Jahr über 400.000 m³ gewesen sein.

Hier setzt die Arbeit von ARAs Partnerorganisation CHRTF (Cambodia Human Rights Task Force) an. Ouch Leng und Markus Hardtke verfolgen den zunehmenden Holzeinschlag in Kambodscha schon lange. Aus Hotelzimmern beobachten sie lange Schlangen von LKWs, die in Richtung vietnamesischer Grenze fahren. "Manche kommen direkt aus Schutzgebieten oder Nationalparks," sagt Leng. "Wenn sie die Grenze erreichen, nehmen sie den Fuß kurz vom Gas. Dann geht es weiter, ohne jede Kontrolle."

Für einen Bericht der US-amerikanischen Environmental Investigation Agency (EIA) haben sie das Vorgehen genau dokumentiert. Die Auftraggeber der Holzfäller sind häufig reiche kambodschanische Geschäftsleute mit guten Kontakten zur Regierungspartei und dem Militär. Großzügige Schmiergelder gehen an hochrangige Regierungsmitglieder ebenso wie an Mitarbeiter der Forstbehörde vor Ort. So wird sichergestellt, dass niemand Fragen stellt, wenn in Schutzgebieten die Kettensägen zu hören sind.

Kriminelle aus Kambodscha und Vietnam arbeiten Hand in Hand

Auch auf vietnamesischer Seite laufen die Geschäfte wie geschmiert. Seit in Vietnam der Holzeinschlag in Naturwäldern verboten wurde, findet der Schmuggel aus den Nachbarländern mit offizieller Unterstützung statt. Obwohl 2016 auch in Kambodscha die Ausfuhr von Holz verboten wurde, gelangten in nur fünf Monaten nicht weniger als 300.000 m³ Tropenholz in das Nachbarland.

Dabei wurde es zunächst auf Lagerplätze direkt hinter der Grenze gebracht, die unter der Kontrolle des vietnamesischen Militärs standen. Obwohl keinerlei technische Fähigkeiten notwendig sind, um zu erkennen, dass es sich dabei um illegale Ware handelt, werden von vietnamesischen Behörden alle notwenigen Bescheinigungen ausgestellt, um sie im Land weiterverarbeiten zu können.

Um offizielle "Importquoten" für die Schmuggelware aus Kambodscha zu erhalten, müssen holzverarbeitende Firmen in Vietnam nicht nur über gute Kontakte zu den zuständigen Regierungsstellen verfügen, sondern auch Steuern in Höhe von 45 $ pro m³ bezahlen. Damit beteiligt sich der Staat ganz offiziell an den illegalen Geschäften.

Für die vietnamesischen Holzfirmen kommen noch Schmiergelder dazu, die zwischen Zoll und anderen Behörden aufgeteilt werden, sowie der "Kaufpreis", der an die kambodschanischen Mittelsmänner bezahlt wird.

Trotzdem ein lohnendes Geschäft. "Jeder LKW transportiert Holz im Wert von 30 bis 50.000 Euro," schätzt Leng. "In Vietnam ist es dann das Zehnfache wert." Mit einem Gütesiegel der EU könnte es noch mehr werden.

Illegale Geschäfte stehen einem Gütesiegel im Weg

Sieben kambodschanische Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen haben sich deshalb im Oktober 2018 mit einer gemeinsamen Stellungnahme an die EU gewandt. Sie betonen, dass es sich bei diesen illegalen Grenzgeschäften nicht um technische Details handelt, die in späteren Verhandlungsrunden geklärt werden können. Statt dessen geht es hier um einen groß angelegten Diebstahl von Staatseigentum im Wert von mehreren 100 Millionen Euro pro Jahr. Der Holzeinschlag zerstört nicht nur die Lebensgrundlage der verarmten lokalen Bevölkerung. In den vergangenen Jahren wurden auch mehrere Parkranger, Umweltschützer und Journalisten umgebracht, die gegen den Raubbau vorgegangen sind.

Die öffentliche Duldung oder sogar Förderung eines kontinuierlichen Nachschubs von illegalem Holz aus Kambodscha lässt Zweifel daran aufkommen, ob es die Regierung von Vietnam mit der Umsetzung des Partnerschaftsabkommens ernst meint. Im kommenden Jahr muss Vietnam einen Legalitätsnachweis entwickeln (Timber Legality Assurance System (TLAS)), der nach Tests von der EU offiziell anerkannt werden muss.

Noch hoffen viele, dass sich die Situation unter diesem Druck zum Besseren wendet. Sollte das nicht der Fall sein, kann es nur eine Botschaft geben: Finger weg von Gartenmöbeln aus Vietnam!


FLEGT - EU-Programm gegen illegalen Holzeinschlag

Illegaler Holzeinschlag ist eine der Hauptursachen für die Zerstörung von Wäldern weltweit. Schätzungen zufolge stammen zwischen 16 und 19 Prozent der Holz- und Papierimporte in die Europäische Union aus illegalen Quellen.

Um diese illegalen Holzeinfuhren zu stoppen, hat die Europäische Kommission 2003 den FLEGT-Aktionsplan vorgestellt. FLEGT (Forest Law Enforcement, Governance and Trade) steht für "Rechtsdurchsetzung, Politikgestaltung und Handel im Forstsektor". Kernstücke des Plans sind freiwillige, aber verbindliche Partnerschaftsvereinbarungen (VPA - Voluntary Partnership Agreements) und die EU-Holzhandelsverordnung.

Im Rahmen eines VPA richten die Partnerländer ein Genehmigungs- und Lizenzsystem ein, mit dem sie gewährleisten, dass nur legal eingeschlagenes Holz in die EU ausgeführt wird. Im Gegenzug verzichtet die EU auf Kontrollen im Rahmen der Holzhandelsverordnung.

Ziel dieser Abkommen ist es, in den holzproduzierenden Ländern Reformen zu unterstützen, die den illegalen Holzeinschlag vor Ort eindämmen. Dazu können neue Forstgesetze, bessere Kontrollen und eine Bekämpfung der Korruption gehören. Vertreter von Nichtregierungsorganisationen und lokalen Gemeinschaften müssen in die VPA-Verhandlungen einbezogen werden. Für viele ist dies ein wichtiger Schritt, denn sie fühlen sich zum ersten Mal von ihren Regierungen ernst genommen.

Sechs Länder haben bisher ein VPA unterzeichnet, weitere neun sind in Verhandlungen mit der EU. Nur in Indonesien wurde bereits auch ein System für den Legalitätsnachweis eingerichtet, so dass das Land eigene FLEGT-Lizenzen ausstellen darf.

In Vietnam wird dieser Prozess im kommenden Jahr beginnen. Dann sollen die im VPA vereinbarten Strukturen zu Überwachung der Legalität von Holz aufgebaut und überprüft werden. Dazu kommen Strukturen für Beschwerden und unabhängige Evaluierungen. Hier besteht auch für NGOs noch eine Chance, in den Prozess einzugreifen.


Eine gute Visual Story auf Spiegel Online berichtet ausführlich über die Arbeit der Aktivisten in Kambodscha:

www.spiegel.de/wirtschaft/kambodscha-banden-pluendern-den-regenwald-bald-mit-guetesiegel-der-eu-a-1236189.html

Repeat Offender - Vietnam's persistent trade in illegal timber, EIA 2017:
eia-international.org/report/repeat-offender-vietnams-persistent-trade-illegal-timber

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Quelle:
ARA Magazin 24, 2018/19, Seite 4 - 6
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Januar 2019

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