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ROHSTOFFE/041: Elektroauto - ein Ökowolf im Schafspelz? (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 173 - März/April 2013
Die Berliner Umweltzeitung

Elektroauto - ein Ökowolf im Schafspelz?
Wachsender Rohstoffbedarf für Elektromobilität - große Entwicklungs- und Umweltgefahren drohen

von Peter Fuchs und Nora Rohde



Noch ist es Zukunftsmusik, doch falls es langfristig wirklich zum massenhaften Einsatz von Elektroautos kommt, wird damit ein enormer Rohstoffbedarf einhergehen. Bei einigen Stoffen ist dieser sogar höher als in der alten fossilen Autoindustrie. Der Verein PowerShift nennt im folgenden Beitrag exemplarisch einige der Probleme im globalen Rohstoffgeschäft. Ein zweiter Artikel in der nächsten Ausgabe wird Ansätze für sozial-ökologische Reformen der Rohstoffpolitik aufzeigen.

Der erste große Hype um das Elektroauto ist längst vorbei. Auf den Straßen der Republik fahren nur wenige Tausende dieser Fahrzeuge. Doch interessierte Kreise sprechen weiterhin vom Ziel, bis 2020 eine Million in Deutschland zugelassene Elektro- und Hybridfahrzeuge zu erreichen. Im Laufe des Jahres 2013 wollen deutsche Autofirmen wie Daimler, VW und BMW ihrer internationalen Konkurrenz folgen und mehrere neue Elektroauto-Modelle auf den Markt bringen. Auch in Berlin wird weiter kräftig am Thema gearbeitet: So lud am 11. März 2013 die Berliner Agentur für Elektromobilität zur "Hauptstadtkonferenz Elektromobilität 2013" unter dem Titel: "Das Internationale Schaufenster Berlin-Brandenburg nimmt Fahrt auf" ein. Der Berliner Senat beschloss am 12. März 2013 die Mitfinanzierung von insgesamt bis zu elf Projekten zur Elektromobilität in den Ländern Berlin und Brandenburg. Von den bis zu 20,1 Millionen Euro Fördermitteln trägt Berlin rund 18 Millionen Euro und Brandenburg rund 2 Millionen Euro bei.

Ökologisch und ökonomisch kann der Ausbau der Elektromobilität durchaus sinnvoll sein. Allerdings gilt dies nur dann, wenn es

  • erstens nicht um den Aufbau eines riesigen Fuhrparks privater Elektroautos geht, sondern vor allem um den ÖPNV, den (E-)Rad- und Lastverkehr sowie um neue ökologische Verkehrssysteme,
  • wenn zweitens die Elektrofahrzeuge mit wirklichem Ökostrom, statt mit dem Dreckstrom aus fossilen Großkraftwerken 'betankt' werden,
  • und wenn drittens nicht nur an CO2-Emissionen, sondern von Anfang an auch an den Rohstoffverbrauch für die Elektromobilität gedacht und dieser sozial-ökologisch umgestaltet wird.

Aluminium, Seltene Erden, Lithium

Für die Herstellung von Elektroautos werden besonders metallische Rohstoffe wie Kupfer und Aluminium in größerem Umfang benötigt als für die Produktion von konventionellen Fahrzeugen. Die alternativen Antriebstechniken brauchen außerdem große Mengen an kritischen Rohstoffen wie zum Beispiel Seltene Erden und Lithium, die bisher alle nur im außereuropäischen Ausland gewonnen werden. Bereits jetzt ist die globale Rohstoffnachfrage auf einem historischen Höhepunkt, bedingt vor allem durch den Rohstoffhunger des reichen Nordens. Die Autoindustrie trägt dabei als einer der größten industriellen Endverbraucher metallischer Rohstoffe einen gehörigen Anteil. Das "Premium der Premiumfahrzeuge" deutscher Autobauer bedeutet ressourcenpolitisch meistens noch: besonders groß, besonders schwer, besonders rohstoffhungrig und CO2-intensiv.

Viele Gewinnungs- und Verarbeitungsprozesse von Metallen sind mit schweren Umweltbelastungen verbunden. Bei der Raffination von Bauxit zu Aluminiumoxid, aus dem später reines Aluminium gewonnen wird, entstehen zum Beispiel enorme Mengen an Rotschlamm, der hohe Konzentrationen an giftigem Blei, Cadmium und Chrom enthält. Der Rotschlamm wird in Auffangbecken aufbewahrt. Wenn diese Becken überlaufen, wird die Umgebung - Boden, Grund- und Oberflächenwasser - vergiftet.

Dies geschah erst 2010 in Westungarn. In Folge des Bruchs des Kolontár-Damms starben 10 Menschen und über 150 wurden verletzt. Auch beim Abbau und der Weiterverarbeitung von Kupfer und anderen Metallen werden giftige Chemikalien eingesetzt. Auf Grund mangelnder Sicherheitsvorschriften bezüglich des Umgangs mit diesen Stoffen und ihrer Entsorgung werden Umweltschäden provoziert, unter denen vor allem die lokale Bevölkerung zu leiden hat.


Kupfer, an dem Blut klebt

In Entwicklungsländern prägen zudem häufig soziale Probleme und Menschenrechtsverletzungen das Bergbaugeschäft. So zum Beispiel in Peru, einem wichtigen Bezugsland für Kupfer: Bergbaugebiete werden dort systematisch ausgeweitet. Nicht selten müssen Anwohner ihr angestammtes Land verlassen - häufig ohne eine angemessene Entschädigung. Zwangsumsiedlungen gehören zum Alltag. Auch indigene Gruppen, die ihr Land als kulturelles Gut betrachten, werden vertrieben und so ihrer Traditionen und ihrer Lebensgrundlage beraubt.

Die betroffene Bevölkerung leistet dagegen Widerstand. Zahlreiche Gemeinden organisieren Abstimmungen und Kundgebungen, die der Regierung und den Konzernen zeigen sollen, dass Bergbauaktivitäten nicht erwünscht sind. Cristobal Barrios Tarrillo, ein Aktivist, dessen Gemeinde mit einer Mehrheit von 95 Prozent das Bergbauproject Cañariaco im Department Lambayeque ablehnte, schildert das Problem: "Wir haben deutlich gemacht, dass wir der Rohstoffexploration nicht zustimmen - und auch nicht dem Abbau der Rohstoffe. Wir möchten, dass sich das Unternehmen zurückzieht. Aber das wird es erst tun, wenn die Zentralregierung Position bezieht und ihre Genehmigung zurückzieht, so dass die Arbeiten am Cañariaco-Projekt aufhören".(*) Die Betroffenen können in Peru jedoch nicht auf Unterstützung durch ihre Regierung hoffen. Das Recht der Bevölkerung auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit wird systematisch verletzt. Proteste werden häufig gewaltsam unterdrückt, Aktivisten bedroht, verleumdet und sogar ermordet.

(*) Mines and Communities: Peru: Blockade at Cañariaco Norte project, 11.12.2012;
online: www.minesandcommunities.org/article.php?a=12047

Weitere Informationen:
http://power-shift.de
www.kampagne-bergwerk-peru.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
Widerstand gegen Bergbau.
Foto: Eyes on Rights - www.flickr.com
Elektromobilität in Berlin.
Foto: Denis Bocquet - www.flickr.com

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Quelle:
DER RABE RALF - 23. Jahrgang, Nr. 173 - März/April 2013, Seite 22
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
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Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juni 2013