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ABFALL/035: Müllkippen im Gazastreifen überfüllt - Blockade behindert Abfallentsorgung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. April 2013

Nahost: Müllkippen im Gazastreifen überfüllt - Blockade behindert Abfallentsorgung

von Eva Bartlett


Bild: © Emad Badwan/IPS

Die Vereinten Nationen helfen, Gaza-Stadt vom Müll zu befreien
Bild: © Emad Badwan/IPS

Gaza-Stadt, 4. April (IPS) - "In den letzten fünf Jahren haben wir den Abfall auf traditionelle Weise entsorgt - mit Eselskarren", berichtet Abdel Rahem Abul Kumboz, der in der Stadtverwaltung von Gaza für Gesundheit und Umwelt zuständig ist. Allein Gaza-Stadt produziert täglich 700 Tonnen Müll, die von 250 Eselskarren abtransportiert werden.

Doch selbst mit dieser alternativen Form der Müllabfuhr wäre es im Gazastreifen beinahe vorbei gewesen. Die Zuschüsse für die Abfallsammler waren Ende Februar ausgelaufen, und frühestens im Juni ist wieder mit Geld zu rechnen.

Doch Hamada al-Bayari vom Büro der Vereinten Nationen zur Koordinierung der humanitären Hilfe (OCHA) zufolge ist die italienische Nichtregierungsorganisation 'Cooperazione Internazionale' (Coopi) in die Bresche gesprungen. Sie hat mit Spendengeldern den Mülltransport bis Juni sichergestellt.

Auch wenn diese kritische Klippe erst einmal umschifft werden konnte, ist das Abfallproblem im Gazastreifen noch lange nicht gelöst. Mülldeponien quellen über, Transportfahrzeuge funktionieren nicht, giftige Rückstände sickern ins Grundwasser, und für die Lagerung gefährlicher Abfälle gibt es keine ausreichenden Sicherheitsvorkehrungen.

Kumboz macht die anhaltende Belagerung des Gazastreifens für das Abfallproblem im Gazastreifen verantwortlich. Alle Bereiche der Müllentsorgung seien in den vergangenen sechs Jahren von der Blockade betroffen gewesen, so der Behördenvertreter. Denn Israel verhindert die Einfuhr vieler wichtiger Güter wie Baumaterialien, Müllwagen und Ersatzteile.


Viele Müllwagen nicht einsatzfähig

Gaza-Stadt besitzt 75 Müllfahrzeuge, von denen laut Kumboz "mehr als die Hälfte völlig unbrauchbar sind". Die übrigen seien seit 15 Jahren im Einsatz und müssten dringend repariert werden. Aufgrund der Blockade seien die notwendigen Ersatzteile jedoch nicht erhältlich. Manche Materialien würden durch Tunnel aus Ägypten in den Gazastreifen geschmuggelt, seien aber teuer und nicht immer verfügbar.

Als größtes Problem sieht Kumboz die Überfüllung der Müllhalden. Neue Deponien konnten bisher nicht gebaut werden, weil Israel die Baumaterialien nicht durchlässt. Außerdem greife Israel regelmäßig die Grenzgebiete an, in denen sich die größten Abfalllager befänden. Alle drei großen Deponien liegen in der Nähe der so genannten Grünen Linie, die den Gazastreifen von Israel trennt.

Im Februar 2011 stellte die Weltbank fest, dass die drei großen Müllkippen "ihr maximales Fassungsvermögen erreicht haben". Die Lage habe sich durch die israelischen Angriffe weiter verschärft, heißt es. Die Trümmer zerstörter Häuser seien teils mit gefährlichen Rückständen belastet.

Auf den Müllhalden lagert auch giftiger Asbest, der beim Bau von Dächern verwendet und nach den Bombenangriffen im Schutt gefunden wurde. Auch Chemikalien und andere giftige Bombenrückstände sowie toxische Abfälle aus Krankenhäusern und Chemiemüll wurden im Gazastreifen entdeckt, wie aus einem Bericht hervorgeht, den das UN-Umweltprogramm UNEP im September 2009 veröffentlicht hatte.

Während der israelischen Angriffe auf den Gazastreifen im Winter 2008/2009 funktionierten die Müllverbrennungsanlagen wegen der Stromausfälle nicht. "Auf allen Mülldeponien wurden wahllos gefährliche Abfälle, beispielsweise aus Hospitälern, abgeladen", heißt es in der UNEP-Studie.


Totes Nutzvieh und giftiger Schutt

Hinzu kommen 35.750 Rinder, Schafe und Ziegen sowie mehr als eine Million Vögel und Hühner, die bei den Attacken getötet wurden und im Gazastreifen nicht angemessen entsorgt werden konnten. Die achttägigen Militärangriffe im November führten dazu, dass sich die Schuttberge immer höher auftürmten. Die Weltbank kam 2012 zu dem Schluss, dass nur die Müllkippe Deir-al-Balah nach akzeptablen sanitären Standards gebaut wurde.

Am 5. Januar dieses Jahr beschoss die israelische Armee einen Müllwagen der Deponie Beit Hanoun. Das Palästinensische Zentrum für Menschenrechte (PCHR) berichtete, dass der Laster 150 Meter von der Grenze entfernt angegriffen worden war. Ein Arbeiter sei durch einen Geschosssplitter am Kopf verletzt worden.

"Ein großer Teil von Beit Hanoun gehört zum Grenzgebiet. Die israelische Armee dringt oft hier ein, um ihre Bomben abzufeuern. Das schafft Probleme bei der Entsorgung fester Abfälle", sagt Sufyan Hamad, der Leiter der Verwaltung im Norden von Gaza-Stadt.

Auf einer Luftaufnahme von der Region zeigt Hamad den Standort der Mülldeponie. "Wir können nicht dorthin, weil uns die Israelis nur bis 300 Meter an die Grenze heranlassen." Dabei sieht der im November geschlossene Waffenstillstand vor, dass sich die Palästinenser der Grenze bis auf 100 Meter nähern können. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.unocha.org/
http://www.coopi.org/en/home/
http://unispal.un.org/UNISPAL.NSF/0/C4C0F3782109A5798525783A0071FBFC
http://siteresources.worldbank.org/INTWESTBANKGAZA/Resources/WorldBankAHLCreportMarch2012.pdf
http://www.ipsnews.net/2013/03/the-siege-is-rubbish/

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IPS-Tagesdienst vom 4. April 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. April 2013