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ABFALL/049: Partikularinteressen bremsen internationale Bemühungen gegen die Plastikverschmutzung (OceanCare)


OceanCare - Medienmitteilung, 15. März 2019

Partikularinteressen bremsen internationale Bemühungen gegen die Plastikverschmutzung


Nairobi, Kenia, 15. März 2019. Bei der 4. Umweltversammlung der Vereinten Nationen (United Nations Environment Assembly UNEA-4) hätten die Mitgliedstaaten des UN-Umweltprogramms Massnahmen gegen die stetige wachsende Plastikmüll-Krise beschliessen sollen, die unsere Gewässer, Ökosysteme und Gesundheit bedroht. Doch sie liessen diese Chance ungenützt.

Den Staatenvertretern bei der UNEA-4 lagen mehrere Resolutionsentwürfe vor, wie die internationalen Anstrengungen gegen die Plastikverschmutzung gesteigert werden könnten. Der erste, von Norwegen, Japan und Sri Lanka eingebrachte Vorschlag zielte darauf ab, die internationale Zusammenarbeit und Koordinierung gegen die Verschmutzung der Meere mit Makro- und Mikroplastik zu stärken. Unter anderem sollte die Möglichkeit eines neuen, international verbindlichen Abkommens in Erwägung gezogen werden. Der zweite Vorschlag seitens Indiens wollte das weltweite Ende des Einwegplastiks auf den Weg bringen.

Trotz der übereinstimmenden Ansicht der Mehrheit der Staaten, dass ambitionierte, weltweite Massnahmen dringend erforderlich sind, die von der Produktion über die Nutzung bis zur Entsorgung von Plastik reichen, gelang es einer kleinen, von den USA angeführten Minderheit, stringente Texte zu blockieren und die Verhandlungen zu verzögern. Mit einer starken Industrielobby im Rücken, die auf mehr als 200 Milliarden Dollar an Investitionen in petrochemische Komplexe für eine massive Steigerung der Plastikproduktion verwies, vereitelten die USA jeden Fortschritt und verwässerten die Resolutionen. Von vielen Ländern, darunter jenen, die am stärksten unter der Plastikverschmutzung leiden, wie die pazifischen Inselstaaten, die Philippinen, Malaysia und Senegal, wurde dies heftig kritisiert. Handlungsorientierte Mitgliedstaaten konnten aber zumindest die Grundelemente retten, auf denen zukünftige Massnahmen aufbauen können und die auf der gemeinsamen Vision beruhen, welche die überwältigende Mehrheit der Staaten in den Diskussionen entwickelt hatte. Das wichtigste ist dabei die Mandatsverlängerung für die Expertenarbeitsgruppe, die durch die UNEA-3 eingerichtet worden war. Zu diesem Mandat zählt die Prüfung technischer und finanzieller Möglichkeiten und ein Bericht über Handlungsoptionen an die UNEA-5 im Februar 2021. Mit dieser Mandatsverlängerung bleibt das Plastikthema zumindest auf der internationalen Agenda und Vorarbeiten für ein künftiges verbindliches Abkommen können weitergehen.

Obwohl das Ergebnis insgesamt enttäuschend ist und kein Fortschritt im nötigen Mass und Tempo erzielt wurde, halten die Staaten an ihrer Absicht fest, die internationale Zusammenarbeit und Koordinierung für Massnahmen gegen die Plastikmüll-Krise weiterzuverfolgen.

David Azoulay, Environmental Health Director, Center for International Environmental Law (CIEL):
"Bei der UNEA-4 versammelte sich die überwältigende Mehrheit der Staaten, um eine Vision zu entwickeln, wie das Plastikthema in Zukunft global geregelt werden kann. Es war sehr bedrückend zu sehen, wie die USA, angetrieben von den Interessen der Petrochemie- und der Fracking-Industrie, die Speerspitze für die Sabotage dieser Vision bildeten. Aber der wachsende Wunsch nach einer besseren globalen Regelung für das Plastikproblem war greifbar und diese UNEA stellte sicher, dass es weiterhin einen Prozess geben wird, auf dem die Staaten einen künftigen globalen Rahmen gegen die Plastikverschmutzung aufbauen können."

Von Hernandez, Global Coordinator, Break Free From Plastic:
"Die Unternehmen sollten den Ruf aus der UNEA-4 hören: Reduktionen werden kommen. Sie sollten daher Zero-Waste-Systeme unterstützen, indem sie keinen nicht behandelbaren Müll erzeugen und die Produkt-Lieferstrukturen ändern, um Plastikverpackungen zu vermeiden. In den kommenden Jahren steht viel gemeinsame Arbeit an, um die politischen und wirtschaftlichen Bedingungen zu schaffen, die auf lokale Bedürfnisse eingehen und auf Wiederverwendung und Nachfüllsystemen basieren."

Christopher Chin, Executive Director of The Center for Oceanic Awareness, Research, and Education (COARE):
"Abfallmanagement ist ein wichtiger Teil, aber bei weitem nicht ausreichen für die Plastikmüll-Sintflut, der wir uns gegenübersehen. Wir können uns aus dem Problem nicht herausrezyklieren. Natürlich sind wir enttäuscht, dass Fortschritte durch ein paar industriegetriebene Mitgliedstaaten erstickt wurden, aber das Ermutigende ist die ansonsten fast einhellige Unterstützung für Massnahmen zur Lösung des Problems an der Quelle und für die Berücksichtigung des gesamten Lebenszyklusses des Plastiks, möglicherweise auch durch einen neuen, rechtlich verbindlichen Rahmen."

Fabienne McLellan, Director International Relations, OceanCare:
"Wir müssen leider feststellen, dass wir vor einem neuerlichen Scheitern stehen, weil einzelne Regierungen eine nationalistische Agenda verfolgen und wirksame Massnahmen verhindern. Das Problem ist leicht zu verstehen, die Datenlage ist gut, während die Blockadehaltung einzelner mächtiger Regierungen unverständlich ist. Die UNEA-4 geht ohne starken Entschluss zu Ende und die Privatwirtschaft bleibt ohne ein starkes Signal. Das ist schade, denn von internationalen Gremien sollten klare Richtlinien ausgehen, wie wir zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft kommen, den gesamten Lebenszyklus berücksichtigen und einen globalen Regelungsrahmen erreichen."

Delphine Lévi Alvarès, Global Alliance for Incinerator Alternatives (GAIA) and Zero Waste Europe:
"Die Notwendigkeit, etwas gegen den Plastikmüll in den Meeren und gegen Einwegplastik zu unternehmen, ist zweifellos ganz oben auf der politischen Agenda angekommen. Zero-Waste-Initiativen auf lokaler Ebene finden breite Anerkennung. Im Detail ist die Schlussresolution zwar schwach, aber den Regierungen stehen Vorbilder zur Verfügung, die sowohl auf der Erzeuger- als auch auf der Verbraucherseite ansetzen, darunter die kürzlich angenommene EU-Richtlinie über Einwegplastik sowie lokale oder nationale Verbote bestimmter Plastikprodukte. Wir begrüssen die Forderung jener Länder und Regionen, die in dieser Debatte einen starken Standpunkt einnahmen, nach ebenso ambitionierten Massnahmen auf globaler Ebene."

Tim Grabiel, Senior Lawyer, Environmental Investigation Agency (EIA):
"Künftige Generationen werden sich viele unbeschreiblichen Problemen gegenübersehen, da der politische Wille fehlt, die Umweltprobleme unserer Zeit frontal anzugehen. Zu dieser Liste müssen wir nicht auch noch den Plastikmüll hinzufügen. Wir bedauern den Mangel an Nachdruck aufgrund einiger böswilliger Akteure, aber sind dadurch ermutigt, dass die Expertengruppe wieder zusammenkommen wird, und erwarten, dass die progressiven Länder dies als Sprungbrett für wirksame Massnahmen bei der nächsten UNEA im Februar 2021 nutzen werden."

Tadesse Amera, CoChair, International Pollutants Elimination Network (IPEN), Ethiopia:
"Während die petrochemische Industrie in den Startlöchern steht, die Plastikproduktion nochmals massiv zu steigern, konnten die Regierungen bei der UNEA-4 diesen Interessen nichts entgegensetzen. Das ist beunruhigend, denn dadurch wird auch die Menge an Plastikmüll zunehmen. Plastik ist toxisch. Toxische Chemikalien, die mit Krebs und vorzeitiger Pubertät bei Kindern in Verbindung gebracht werden, werden für die Plastikherstellung verwendet. Dieses Thema wurde aber im Schlussdokument der UNEA-4 nicht berücksichtigt. Diese toxischen Additive werden später aus dem Plastik freigesetzt und laden den Plastikproduzenten eine toxische Verantwortung auf. Nach Afrika exportierter Plastikmüll sollte an die Verursacher zurückgeschickt werden, um uns vor dessen giftigen Bestandteilen zu schützen. Die Hersteller sollten einer erweiterten Unternehmensverantwortlichkeit unterliegen und sie sollten für die Kosten aufkommen, die aus ihrem toxischen Müllhaufen resultieren. Wo toxische Stoffe hineinkommen, kommen sie auch wieder heraus. Wir können nicht giftiges Plastik rezyklieren und wir können nicht so tun, als wäre das Meeresmüll-Chaos ein Abfallproblem - es ist ein Problem toxischer Produkte."

Jane Patton, Director, No Waste Louisiana:
"Plastik bedeutet Verschmutzung ab der ersten Minute seiner Existenz. Wir müssen die Produktion und Verwendung von Kunststoffen auf breiter Front reduzieren, um die Bevölkerung und die Gesundheit zu schützen. Keine Menschen oder Orte sollten dem Unternehmensgewinn oder einer Konsumkultur geopfert werden, und das können wir vermeiden, indem wir die Auswirkungen von Kunststoffen auf den gesamten Lebenszyklus berücksichtigen. Wir sind optimistisch, was die ehrgeizigen Massnahmen betrifft, die Regierungen ergreifen werden, um die Verschmutzung durch Plastik zu verhindern, einschliesslich Produktionsverminderung und -ausstieg sowie Investitionen in Null-Abfall-Systeme."

David Sutasurya, Indonesian Zero Waste Alliance:
"Die Kunststoffindustrie verschmutzt die Entwicklungsländer, wo die Bevölkerung weniger Auswahl an plastikfreien Alternativen hat und jeden Tag direkt der Kunststoffverschmutzung ausgesetzt ist. Multinationale Konzerne haben die lokale Industrie, die viel weniger Plastik verwendet, systematisch verdrängt und zudem den Export von Abfällen aus dem verbrauchsintensiven globalen Norden in Entwicklungsländer erleichtert. Es ist ungerecht, dass die Entwicklungsländer das Geld der Steuerzahler verwenden müssen, um sich mit diesen Abfällen herumzuschlagen, die weder rezyklierbar noch abbaubar sind. Die Plastikverschmutzung der Meere rein als Problem des Abfallmanagements zu betrachten, ist Unfug, wo sie doch nur die Weigerung der Industrie widerspiegelt, Verantwortung für die Plastikmüll-Krise zu übernehmen. Multinationale Unternehmen blockieren nun gemeinsam mit der nationalen Kunststoffindustrie aktiv alle Bemühungen von Regierungen, sie für die Abfallprobleme durch ihre Produkte zur Verantwortung zu ziehen oder deren Verwendung deutlich einzuschränken. Industrieländer und die Industrie müssen die Verantwortung für das Abfallproblem, das sie in Entwicklungsländern verursachen, übernehmen und sollten verbindliche Massnahmen zur Reduzierung der globalen Plastikproduktion und -nutzung unterstützen."


http://www.oceancare.org/wp-content/uploads/2019/03/PM_UNEA_Plastikverschmutzung_190315.pdf

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Quelle:
Medienmitteilung vom 15. März 2019
Herausgeber: Verein OceanCare
Oberdorfstr. 16, Postfach 372, Ch-8820 Wädenswil
Tel.: +41 (0) 44 780 66 88, Fax: +41 (0) 44 780 66 08
E-Mail: info[at]oceancare.org
Internet: www.oceancare.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. März 2019

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