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ARTENRAUB/095: Grausamer Tod in freier Wildbahn (WWF magazin)


WWF magazin, Ausgabe 4/2012
WWF Deutschland - World Wide Fund For Nature

Grausamer Tod in freier Wildbahn

Die Wilderei hat dramatische Ausmaße angenommen. Im Visier: Elefanten und Nashörner in Afrika sowie Tiger in Asien. WWF-Artenschutzexperte Volker Homes erklärt die Ursachen.



Es waren schockierende Bilder, die der WWF Deutschland Anfang März 2012 erhielt. Unsere Kollegen aus Yaounde in Kamerun berichteten, dass im Januar schwer bewaffnete Männer auf Pferden im Norden des Landes in den Nationalpark Bouba Njida eingedrungen waren. Dort hatten sie über mehrere Wochen hinweg hunderte von Elefanten auf brutale Weise getötet, um an deren Elfenbein zu kommen (siehe Bild). Noch immer befanden sie sich in dem Schutzgebiet und wilderten weiter. Die Savanne von Bouba Njida gehört nicht zum Schwerpunktprogramm des Kameruner WWF-Büros. Dennoch nutzte der WWF die guten Kontakte zur Regierung des Landes und informierte die Botschafter aus Deutschland und weiteren EU-Ländern, um das Treiben der Wilderer zu stoppen. Weil die Situation offenbar zunehmend eskalierte, entsandte Kamerun eine Elitetruppe des Militärs in Richtung Nationalpark. Es kam zu einer blutigen Auseinandersetzung mit Toten und Verletzten auf beiden Seiten. In den folgenden Monaten konnten im Südosten des Landes zwölf Wilderer festgenommen und 14 Stoßzähne beschlagnahmt werden. Im Osten Kameruns kam es auch erstmals zu Verurteilungen mit hohen Gefängnis- und Geldstrafen für Wildereidelikte. Doch das ganze Ausmaß des Wilderer-Überfalls ist noch immer nicht zu ermessen. Vermutlich wurden mindestens 350 Elefanten abgeschlachtet.

Bouba Njida ist kein Einzelfall. Experten gehen davon aus, dass bis Ende 2012 mehr als 10.000 Afrikanische Elefanten Wilderem zum Opfer gefallen sein werden, die meisten davon Waldelefanten in Zentralafrika. Der Bestand dieser Unterart hat sich seit 1995 mindestens halbiert und wird auf höchstens noch etwa 100.000 Tiere geschätzt. Das bedeutet: Bliebe es bei dieser extremen Tötungsrate, könnten die Waldelefanten bereits in wenigen Jahrzehnten weitgehend ausgerottet sein. Afrikanische Elefanten stehen weit oben auf der Abschussliste organisierter Wildererbanden. Mit bis dahin noch nie gekanntem Aufwand durchkämmen sie Savannen und Regenwälder, um Elfenbein in großem Stil zu viel Geld zu machen. Die Wilderer gelten als bestens organisiert und bewaffnet. Sie verfügen gar über Raketenwerfer, die sie zu Pferd transportieren.


Waffen gegen Elfenbein

Hinter den Tätern stehen einflussreiche Netzwerke. Längst nutzen hoch gerüstete und international vernetzte Banden den immer teurer gewordenen Rohstoff Elfenbein, um Staaten wie den Tschad oder den Sudan zu destabilisieren. Denn sie kaufen damit Waffen und haben möglicherweise Kontakte zum internationalen Terrorismus. Bisher stehen die betroffenen Staaten dem Treiben weitgehend hilflos gegenüber. Die gesamte Region des Trockengürtels südlich der Sahara um die Staaten Sudan, Tschad, Niger und Mali gilt derzeit als schwer kontrollierbar. Hinzu kommt, dass inzwischen auch nordafrikanische Staaten politisch instabil und so zu einem Umschlagplatz für illegale Elfenbeinhändler geworden sind. Vor allem Ägypten gilt als ein Land, in dem Touristen das "weiße Gold" illegal angeboten wird.

In den Schutzgebieten vor allem Zentralafrikas spielen sich dadurch Tragödien ab. Die zumeist schlecht ausgebildeten und ausgerüsteten Ranger können den Wilderem nur wenig entgegensetzen. In einem Fall wurde ein Wildhüter in Kamerun sogar von Wilderem zu Tode gefoltert. Selbst Elfenbein in Staatsbesitz ist nicht sicher. In Tansania, Sambia und Mosambik verschwanden in den vergangenen Monaten jeweils mehrere Tonnen spurlos aus den Staatslagern und gelangten vermutlich auf den internationalen Schwarzmarkt. Mit dem Schwarzmarktpreis stieg die kriminelle Energie in vielen Regionen Afrikas - auch in Regierungskreisen.

Die Nachfrage hat enorm zugenommen. Nicht nur nach Elfenbein. Auch afrikanische Nashörner sind immer häufiger Opfer skrupelloser Wilderer. Vor allem in der Republik Südafrika: Dort wurden im ersten Halbjahr 2012 bereits etwa 300 Nashörner getötet - 2007 waren es nur 13 im ganzen Jahr. In diesem Land leben mit etwa 20.700 Tieren die meisten Nashörner der Erde. Der Gesamtbestand in Afrika und Asien wird insgesamt auf rund 24.500 Nashörner geschätzt. Die Behörden wissen, dass die Wilderer wie die Mafia organisiert sind. Hinter ihnen stehen ganze Verbrechersyndikate, die Nashörner als eine weitere Geldquelle neben Drogen-, Waffen- und Menschenhandel entdeckt haben. Nashornwilderer zu bekämpfen ist daher in Südafrika ein gefährlicher Job geworden.

Große Nashornbestände des Landes, vor allem im Krüger Nationalpark, werden inzwischen durch Militäreinheiten geschützt. Andere, vor allem einzeln lebende Tiere, lassen sich hingegen kaum noch schützen. Längst werden Ranger und Tierärzte bestochen, um an Rhinohorn zu kommen. Daher wird zunehmend auch über technische Lösungen diskutiert, wie etwa den Einsatz von Wärmebildkameras oder Drohnentechnologie zur Überwachung der Tiere. Auch mehr Spürhunde sollen die Täter abschrecken. Nashörner werden außerdem mit einem Sender versehen, damit sie aus der Distanz überwacht werden können. Und es werden auch wieder Hörner abgesägt wie schon vor Jahrzehnten, damit die Wilderer keinen Grund mehr haben, die Rhinos zu töten.


Die Nachfrage wächst weiter

Wer aber schürt die Nachfrage nach Elfenbein und Nasenhorn in Afrika? Hauptabsatzmärkte für gewilderte Produkte von Elefanten und Nashörnern sowie von Tigern sind Staaten in Ost- und Südostasien. Vor allem China gilt als Absatzmarkt für illegale Elfenbein- und Tigerprodukte. Thailand ist seit Jahren als Markt für illegales Elfenbein bekannt. Vietnam ist vermutlich der Treiber im illegalen Handel von Nashornprodukten. Selbst vietnamesische Diplomaten in Südafrika waren darin verwickelt. Auf vielen Märkten Vietnams werden Rhinohornprodukte offen angeboten, obwohl es verboten ist. Mindestens 2.000 Euro werden inzwischen für 100 Gramm Nashornpulver auf dem Schwarzmarkt bezahlt und die Preise scheinen weiter zu steigen. Für Elfenbein werden pro Kilogramm bis zu 1.800 Euro geboten.

Der dramatische Preisanstieg in Asien begann vor etwa fünf Jahren. Dafür gibt es mehrere Gründe. Einer ist die Globalisierung. Als Billiglohnkontinent erlebte Asien in den vergangenen Jahrzehnten ein beispielloses Wirtschaftswachstum. In Ländern wie China und Vietnam entstand eine relativ wohlhabende Mittel-und Oberschicht, die zunehmend - auch verbotene - Luxusgüter nachfragt. Zugleich ist der wirtschaftliche Einfluss Asiens auf das weitaus ärmere Afrika gewachsen. Wie Elfenbein gilt Rhinohorn gerade im Aufsteigermilieu als Statussymbol und wird eingenommen, um zum Beispiel einen Kater nach einer durchzechten Nacht zu bekämpfen. Doch nicht nur das: Hartnäckig hält sich ein Gerücht, dass Nashornpulver einen vietnamesischen Politiker vom Krebs geheilt habe. Es soll zudem Fieber senken. Alles Aberglaube: Nashornpulver besteht fast nur aus Keratin, dem gleichen Stoff wie Fuß- und Fingernägel.


Wilderei darf sich nicht mehr lohnen

Damit Wilderei endlich angemessen bekämpft wird, hat der WWF eine internationale Kampagne gestartet. Die Umweltstiftung will politische Entscheider aufrütteln, damit sie dem Ausverkauf der Arten Einhalt gebieten und den Schutz der letzten Großtiere der Erde endlich ernsthaft und wirkungsvoll durchsetzen. Wilderei-Verbrechen dürfen sich nicht mehr lohnen. Genau das ist derzeit der Fall: Es winkt hoher Profit bei minimalem Risiko, erwischt und bestraft zu werden. Das ist eine Einladung zum Abschuss.

Deshalb muss das Risiko für Wilderer deutlich steigen - das fordert der WWF. In diesem Bestreben, etwas Wirksames gegen die ausufernde Wilderei zu tun, stehen wir zusammen mit Regierungen, UN-Organisationen wie dem Sekretariat von CITES und weiteren Nichtregierungsorganisationen. Nur so lassen sich Wilderei und Schmuggel wirksam bekämpfen. Erster Erfolg: In Kamerun beschlossen Minister der zehn zentralafrikanischen Staaten des Wirtschaftsverbundes COMIFAC auf ihrem Treffen im Juni im Tschad einen Aktionsplan (PAPECALF) zur Bekämpfung der Wilderei und des illegalen Artenhandels. Dazu wollen sie die Zusammenarbeit verbessern sowie in den Lebensräumen der gejagten Wildtiere die Schutzbestimmungen besser durchsetzen. Kriminalität an Wildarten soll entsprechend hart bestraft werden. Denn das ist bislang kaum der Fall. Zudem können sich die Täter häufig durch Bestechung freikaufen. Darüber hinaus soll mehr und besser ausgebildetes Personal Wilderei und Schmuggel von vornherein verhindern.

Allein Kamerun will nach dem Vorfall im Bouba-Njida-Nationalpark in den kommenden fünf Jahren rund 2.500 neue Ranger einstellen. Das klingt gut. Doch es braucht Willen und Geld, die Beschlüsse jetzt auch konsequent umzusetzen. Deshalb wird der WWF die Länder im zentralen, südlichen und östlichen Afrika bei ihren Vorhaben tatkräftig unterstützen - durch weitere Ausbildung und Ausrüstung von Anti-Wilderer-Einheiten; durch den Aufbau von Informanten-Netzwerken, um Wilderer schneller aufzuspüren und Gegenmaßnahmen einzuleiten sowie durch Fortbildung der Justizvollzugsorgane, damit sie Gesetze besser durchsetzen und Verbrechen gegen Wildarten ernster nehmen. Außerdem unterstützt der WWF die Idee, baldmöglichst ein Treffen der Präsidenten der betroffenen afrikanischen Staaten zu organisieren. Deren moralisches Machtwort birgt die größte Aussicht auf Erfolg, dass anschließend diese Beschlüsse auch umgesetzt werden. Darüber hinaus will der WWF bei den Vereinten Nationen die Aufmerksamkeit für Wilderei deutlich erhöhen und erste völkerrechtlich bindende Vereinbarungen erzielen. Das wichtigste Gremium dabei ist CITES, das Washingtoner Artenschutzübereinkommen, in dessen Rahmen im März 2013 in Thailand die nächste Vertragsstaatenkonferenz ansteht. Bis dahin will die Umweltstiftung mit einer Reihe von Studien und Veranstaltungen in verschiedenen UN-Gremien auf die eskalierte Wilderei aufmerksam machen - unter anderem bei einem UN-Treffen auf Botschafterebene in New York, bei dem wir in diesem Herbst einen Auftaktreport über Ausmaß und Folgen der Wilderei vorstellen wollen. In China und Vietnam wiederum wendet sich der WWF direkt an Regierungsvertreter, um sie zu überzeugen, konsequenter gegen den illegalen Wildartenhandel vorzugehen und Verstöße künftig hart zu bestrafen.

Die Methode scheint zumindest in China bereits erste Früchte zu tragen. In den vergangenen Monaten wurden dort mehrere zehntausend Beamte in relativ kurzer Zeit für den Artenschutz vor allem auf Märkten und in Geschäften eingesetzt. Tausende von illegalen Wildarten wurden bei dieser Aktion beschlagnahmt, hunderte Täter bestraft. Bei schweren Delikten gegen große Arten wie Elefanten und Tiger wurden zudem bereits häufiger Gefängnisstrafen von mehreren Jahren verhängt und vollzogen. In Vietnam ist dagegen seit 2008 kein einziger Fall von illegalem Nashornhandel aufgegriffen und der Justiz übergeben worden. Ein klares Indiz, dass selbst hochrangige Politiker und Regierungsbeamte in die Kriminalität um den Nashornschmuggel verstrickt sein könnten. Der WWF konzentriert sich darauf, diese Zusammenhänge öffentlich zu machen, damit der Druck auch auf die vietnamesische Regierung steigt.

Auch um die Nachfrage nach diesen Produkten zu reduzieren, wenden wir uns an die Regierungen der Hauptabnehmerstaaten China, Vietnam und Thailand. Nach unseren Erfahrungen sind die Erfolgsaussichten am besten, wenn jede Regierung ihre Gesetze gegen den illegalen Handel und Konsum konsequent durchsetzt. Aufklärungskampagnen für Konsumenten durch eine Nichtregierungsorganisation haben nur begrenzten Erfolg. Dennoch fährt der WWF zweigleisig und versucht gezielt, Konsumentengruppen wie zum Beispiel die Nutzer traditioneller Medizin zu überzeugen, auf bedrohte Arten zu verzichten.


Unser Einsatz lohnt sich

Dass sich der Einsatz zum Schutz der bedrohten Arten trotz aller aktuellen Rückschläge lohnt, zeigen ausgerechnet die Nashörner eindrucksvoll: Im Jahr 1895 waren die Südlichen Breitmaulnashörner bis auf etwa 20 bis 50 Tiere in Südafrika ausgerottet. Eine beispiellose, über Jahrzehnte andauernde Rettung - auch durch die Feuerwehraktion des WWF in den 60er Jahren - hat deren Bestand allein in Südafrika wieder auf etwa 18.800 Tiere anwachsen lassen. Die Zahl der Spitzmaulnashörner verdoppelte sich von rund 2.400 Tieren im Jahr 1995 in nur 15 Jahren auf mehr als 4.800 Tiere. Aber auch Afrikanische Elefanten, noch bis in die 8oer Jahre brutal gejagt, haben sich vor allem im südlichen Afrika wieder auf einige hunderttausend Exemplare vermehrt. Gleiches gilt für die Tiger, deren Bestand in den 1940er Jahren in der Amur-Region Russlands auf weniger als 50 Tiere geschrumpft war. Heute durchstreifen wieder mehr als 450 Amur-Tiger die Wildnis zwischen Russland und China.

All diese Beispiele beweisen, dass sich mit den richtigen Entscheidungen und Maßnahmen bedrohte Arten erfolgreich schützen lassen. Sie zeigen aber auch, dass wir die in Jahrzehnten gewachsenen Artenbestände in kürzester Zeit wieder verlieren können, wenn wir sie jetzt nicht beherzt verteidigen.

weitere Informationen:
wwf.de/wilderei


Die Hochburgen des illegalen Artenhandels
Der WWF hat in einer Studie untersucht, welche Länder "Wildlife Crime" gegen Elefanten, Nashörner und Tiger nicht oder nur ungenügend bekämpfen.
Ägypten: Elefanten
Zentralafrikanische Republik: Elefanten
Kamerun: Elefanten
DR Kongo: Elefanten
Sambia: Elefanten
Mosambik: Elefanten und Nashörner
Myanmar: Elefanten
Thailand: Elefanten
Laos: Tiger und Elefanten
Vietnam: Tiger und Nashörner
1.800 Euro
erzielt ein Kilo Elfenbein auf dem Schwarzmarkt.
100 Gramm Nasenhorn werden für 2.000 Euro angeboten.

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
  • Was bleibt: Im südafrikanischen Swaziland haben Wildhüter eine ganze Reihe Schädel von gewilderten Spitzmaulnashörnern aufgebahrt.
  • Weißes Gold: Wildhüter in Gabun mit beschlagnahmten Stoßzähnen.
  • Leuchtendes Beispiel: Gabuns Präsident Ali Bongo ließ am 27. Juni 2012 alle in seinem Land vorhandenen Elfenbeinbestände von mehr als 2.500 Kilogramm verbrennen, damit sie nicht mehr illegal gehandelt werden können. Dieses Elfenbein gehörte umgerechnet etwa 850 Elefanten, die dafür ihr Leben lassen mussten.
  • Mehr Schutz: Der WWF kämpft an allen Fronten, um die letzten Elefanten, Tiger und Nashörner in freier Wildbahn. Mehr Ranger sollen Wilderern an Ort und Stelle Einhalt gebieten, Gesetzeshüter sollen beratend unterstützt, Politiker zunehmend sensibilisiert und die Bevölkerung aufgeklärt werden.
  • Im Einsatz: Wildhüter in Afrika riskieren ihr Leben im Kampf gegen Wildererbanden.

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Quelle:
WWF Magazin 4/2012, Seite 15-20
Herausgeber:
WWF Deutschland
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Internet: www.wwf.de
 
Die Zeitschrift für Fördermitglieder und Freunde der
Umweltstiftung WWF Deutschland erscheint vierteljährlich


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Januar 2013