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ASIEN/087: Indonesien - Entwaldungsrate bislang kein Thema für die Präsidentschaftskandidaten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. Juli 2014

Indonesien: Höchste Entwaldungsrate nach Brasilien - Bislang kein Thema für die Präsidentschaftskandidaten

von Sandra Siagian


Bild: © Sandra Siagian/IPS

Holztransport in Riau in Sumatra
Bild: © Sandra Siagian/IPS

Jakarta, 3. Juli (IPS) - Die drittgrößte Demokratie der Welt bereitet sich derzeit auf die Präsidentschaftswahlen am 9. Juli vor. Aus klimapolitischer Sicht kein Anlass zur Freude, wie Umweltschützer meinen. Denn keiner der Kandidaten hat sich bisher den Kampf gegen den Klimawandel und dessen Folgen auf seine Fahnen geschrieben.

In vier vom Fernsehen übertragenen Debatten erläuterten die Kandidaten Joko 'Jokowi' Widodo, der amtierende Gouverneur der Hauptstadt Jakarta, und der ehemalige General Prabowo Subianto ihre Pläne, wie sie im Fall ihres Wahlsieges die Wirtschaft und den Außenhandel beflügeln und eine transparente Regierungsführung erreichen wollen. Bei der abschließenden Diskussion am 5. Juli ist die Umwelt das Schlusslicht auf der Agenda.

"Da die Kandidaten Indonesien nicht als entwickeltes Land betrachten, hat die Reduzierung der Schadstoffemissionen für sie sicher keine Priorität", befürchtet Yuyun Indradi von 'Greenpeace Südostasien/Indonesien'. Dabei könnten sowohl Widodo als auch Subianto mit einer klaren Stellungnahme zu den Umweltproblemen des Landes die unentschlossenen Wähler auf ihre Seite bringen. Indradi vermutet aber, dass beide Politiker die heikle Frage der Emissionsreduzierung umgehen wollen, weil sie im Widerspruch zu ihrer Wirtschaftswachstumsstrategie stehe.


An 'grüner Wirtschaft' führt kein Weg vorbei

Nach Ansicht von Farhan Helmy vom Indonesischen Zentrum für Klimawandel (ICCC) schließen sich die Bereiche nicht von vornherein aus. In einem Interview betonte er, dass die 'grüne Wirtschaft' jeder Partei, die für ein qualitativ hochwertiges Wachstum werbe, als Plattform dienen könnte. "Meine Hoffnung besteht nun darin, dass derjenige, der das Land regieren wird, begreift, dass auf globaler Ebene Anstrengungen unternommen werden und dass wir nicht allein handeln können."

2009 hatte sich der scheidende Präsident Susilo Bambang Yudhoyono dazu verpflichtet, die Treibhausgasemissionen in dem südostasiatischen Inselstaat bis zum Jahr 2020 um 26 Prozent beziehungsweise 767 Millionen Tonnen CO2 zu senken. Im vergangenen Jahr verlängerte er außerdem ein 2011 in Kraft getretenes Moratorium, das im Zusammenhang mit einem Eine-Milliarde-Dollar-Deal die Erteilung neuer Genehmigungen für Holzschlag und Ölpalmen-Plantagen untersagt.

Nach Ansicht von Bustar Maitar, Leiter der indonesischen Waldschutzkampagne bei Greenpeace International, wird dieses Moratorium der erste Prüfstein für die künftige Regierung sein. Es bleibe abzuwarten, ob die neue Staatsführung Schritte einleiten werde, um die Wälder als CO2-Senken vollständig zu schützen.

Indonesien, drittgrößter Produzent von Treibhausgasen nach den USA und China, muss gemäß dem Abkommen mit Norwegen dem von den Vereinten Nationen unterstützten REDD+-Ansatz folgen.

REDD sieht Kompensationszahlungen für überprüfbare CO2-Emissionsreduzierungen durch Waldschutzmaßnahmen, nachhaltige Waldbewirtschaftungsformen und die Verbesserung der Wirtschaftslage von Waldbewohnern vor. Seit Aufnahme der Landwirtschaft in das Konzept nennt sich die Initiative REDD+.

Bisher kann Jakarta keine großen Fortschritte nachweisen. Laut einer am 29. Juni im Fachmagazin 'Nature Climate Change' veröffentlichten Studie ist Indonesien inzwischen das Land mit der höchsten Entwaldungsrate und hat damit sogar Brasilien überrundet, dessen Amazonasgebiet obendrein vier Mal größer ist als die indonesischen Urwälder.


Rasch voranschreitende Waldverluste

Offiziellen Angaben zufolge verlor Indonesien zwischen 2000 und 2005 jährlich etwa 310.000 Hektar Wald. Im Zeitraum 2006 bis 2010 stieg der Verlust auf 690.000 Hektar pro Jahr. Wissenschaftler gehen allerdings davon aus, dass in den vergangenen zwölf Jahren eine weitere Million Hektar Wald vernichtet worden sind, die in den amtlichen Statistiken nicht auftauchen.

Belinda Arunarwati Margono, eine der Hauptautorinnen der Untersuchung, beziffert die Zerstörung der indonesischen Primärwälder in 2012 mit etwa 840.000 Hektar. In Brasilien dagegen beliefen sich die Waldverluste im gleichen Jahr auf ungefähr 460.000 Hektar.

Dem norwegischen Botschafter in Indonesien, Stig Traavik, zufolge kann die künftige Regierung, sollte sie der REDD+-Initiative Priorität einräumen, 95 Prozent der in drei Tranchen ausgezahlten eine Milliarde US-Dollar abrufen. "Ich habe mit beiden Kandidaten darüber gesprochen", erklärte Traavik. "Sie sind sich des Problems voll bewusst und wollen die verbliebenen Wälder schützen."

Bislang besitzt Indonesien nach Brasilien und dem Kongo das weltweit drittgrößte Gebiet mit tropischem Regenwald. Traavik zufolge ist man zwar zufrieden mit den bisherigen Fortschritten Indonesiens beim Waldschutz, wünsche sich aber, "dass es schneller als bisher vorankommt".

Die notwendigen Schritte in die Tat umzusetzen wird für Jakarta allerdings nicht einfach sein. Nach Ansicht von Zenzi Suhadi vom Indonesischen Umweltforum (WALHI) muss die nächste Regierung die Ausweitung der Ölpalmen-Plantagen und des Bergbaus eindämmen und die Waldgebiete nach ökologischen Gesichtspunkten wiederaufforsten. Laut WALHI-Untersuchungen haben lediglich vier Sektoren - Holz-, Papier-, Bergbau- und Palmölindustrie 2012 rund 56 Millionen Hektar Wald in Mitleidenschaft gezogen.

ICCC, die 'Matsushita-Gobel-Stiftung' und der Indonesische Rat für Klimawandel (DNPI) gaben kürzlich den Startschuss zu einer 'grünen' Kampagne, die den Dialog über Klimawandel, Forstwirtschaft, Energie und Städte vorantreiben soll. Im Rahmen der Initiative 'Presiden4Green' sollen in diesem Jahr Untersuchungen in zehn Städten des Landes durchgeführt werden, um in Erfahrung zu bringen, welches Umweltengagement sich die Bevölkerung von der künftigen Regierung wünscht. (Ende/IPS/ck/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/07/indonesias-presidential-hopefuls-face-up-to-deforestation/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juli 2014