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ASIEN/133: Wie ziegenähnliche Gorale im Himalaja besser geschützt werden können (idw)


Eberhard Karls Universität Tübingen - 21.04.2020

Wie ziegenähnliche Gorale im Himalaja besser geschützt werden können

Forscher der Universität Tübingen schlagen vor, den Tieren in Südostasien mehr offene Graslandschaften als Lebensraum zu bieten


Der Graue Goral, der Chinesische Goral und der Südliche Serau, drei Arten, die zu den ziegenartigen Tieren zählen, leben heute in hochgelegenen Gebieten und Bergwäldern Südostasiens. Nun ergab eine neue Studie, dass dies womöglich nicht ihre bevorzugten Lebensräume sind, sondern dass es sich um ihre letzten, weniger geeigneten Rückzugsorte handelt. Darauf deuten Untersuchungen zur Lebensweise früherer Populationen der Gorale und Seraue vor einigen Hunderttausend bis Zehntausend Jahren hin. Die Studie wurde unter der Leitung von Dr. Kantapon Suraprasit von der Chulalongkorn University in Thailand und der Universität Tübingen sowie Professor Hervé Bocherens vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen durchgeführt. Um die gefährdeten und teilweise vom Aussterben bedrohten Gorale besser zu schützen, empfehlen die Wissenschaftler, ihre Restbestände ins offene Tiefland zu verlagern. Die Studie wurde in der Zeitschrift Frontiers in Ecology and Evolution veröffentlicht.


Zwei Gorale in ihrem Lebensraum mit Bergbach - Illustration: © Kantapon Suraprasit / Universität Tübingen

Darstellung des heutigen Lebensraums des Südlichen Seraus (Capricornis sumatraensis) in Thailand.
Illustration: © Kantapon Suraprasit / Universität Tübingen

Das Forschungsteam untersuchte Zähne von früheren Populationen der Gorale und Seraue mit einem Alter von 400.000 bis 6.000 Jahren aus fünf Fossilienfundstätten in Thailand: Pha Bong, Khok Sung, Tham Wiman Nakin sowie den Höhlen Tham Lod und Ban Rai. Isotopenanalysen von Kohlenstoff und Sauerstoff am Zahnschmelz sind anerkannte Verfahren, um indirekt mehr über die Ernährung und Lebensweise fossiler und heutiger Tiere zu erfahren. So lagert der Zahnschmelz bei Blätterkost von Bäumen andere Kohlenstoffisotope ein als bei Gras als hauptsächlichem Futter.


Grafik - Illustration: © Kantapon Suraprasit / Universität Tübingen

Vergleich des Vorkommens in verschiedenen Höhen und der Nahrungsverfügbarkeit bei pleistozänen und heutigen Populationen von Goralen und Serauen.
Illustration: © Kantapon Suraprasit / Universität Tübingen

Die Isotopenmessungen ergaben, dass der Südliche Serau (Capricornis sumatraensis) im Pleistozän ein Generalist war. "Diese Art ernährte sich sowohl von Blättern als auch Gras. Sie kam offenbar mit verschiedenen Lebensräumen wie Wäldern und Grasland zurecht", sagt Kantapon Suraprasit. Die heutigen Populationen des Südlichen Seraus lebten nur noch in hochgelegenen Wäldern. Die Messergebnisse zeichnen für das Leben des Grauen Gorals (Naemorhedus goral) und des Chinesischen Gorals (Naemorhedus griseus) im Pleistozän ein anderes Bild: "Wir waren überrascht, dass diese beiden Arten sich ganz überwiegend von Gras ernährten und wohl nur in offenen Landschaften vorkamen", sagt der Wissenschaftler. Heute fänden sich die Gorale in niedrig bis hochgelegenen Bergwäldern, an steilen Hängen und Felsklippen oder in extrem hohen Berggraslandschaften bis zu 3.000 Meter über dem Meeresspiegel.

Verdrängung durch den Menschen

"Die Klimaänderung im Frühen Holozän bewirkte, dass es in Thailand mehr Niederschläge gab und sich mehr geschlossene Wälder ausbildeten", nennt Hervé Bocherens einen Faktor, der zum Wechsel des Lebensraums und dem Aussterben der Gorale in Thailand beigetragen haben kann. Doch halten die Wissenschaftler die Einflüsse des Menschen für gravierender. "Die Jagd auf Gorale, die landwirtschaftliche und kommerzielle Nutzung ihrer ursprünglichen Lebensgebiete in den Niederungen führten zum Rückgang der Populationen. Die restlichen Tiere waren gezwungen, sich in das heutige Nepal und Bhutan in höhere Lagen des Himalajas zurückzuziehen", sagt Bocherens.

Die Bestände und Ausbreitungsgebiete sowohl der vom Aussterben bedrohten Grauen Gorale als auch der gefährdeten Chinesischen Gorale nähmen immer schneller ab. Die Erkenntnisse der paläontologischen Forschung müssten nun bei ihrem Schutz Anwendung finden, sagen die Wissenschaftler. Die negativen Einflüsse menschlicher Aktivitäten müssten reduziert und ein neuer Schutzplan für die Gorale mit Zugang zu grasbewachsenen Gebieten im Tiefland ausgearbeitet werden.

Originalpublikation:
Kantapon Suraprasit, Jean-Jacques Jaeger, Rasmi Shoocongdej, Yaowalak Chaimanee, Athiwat Wattanapituksakul and Hervé Bocherens: Long-Term Isotope Evidence on the Diet and Habitat Breadth of Pleistocene to Holocene Caprines in Thailand: Implications for the Extirpation and Conservation of Himalayan Gorals. Frontiers in Ecology and Evolution.
https://dx.doi.org/10.3389/fevo.2020.00067

Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder unter:
http://idw-online.de/de/news745028
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution81

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Eberhard Karls Universität Tübingen - 21.04.2020
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Mai 2020

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